Klettern in München:25 000 neue Kunststoffnoppen in Freimann

Lesezeit: 3 min

Als Routentester war der deutsche Spitzenkletterer Christoph Hanke an den Wänden in der neuen Anlage unterwegs. (Foto: Florian Peljak)
  • Im Münchner Norden eröffnet an diesem Wochenende ein neues Kletter- und Boulderzentrum.
  • Der DAV wird damit der stetig steigenden Nachfrage nach Klettermöglichkeiten in der Stadt gerecht.
  • Insgesamt bietet die Anlage 3000 Quadratmeter Kletterfläche, knapp zwei Drittel davon drinnen.

Von Iris Hilberth

Das Bedürfnis nach der Vertikalen ist ungebrochen, der Ruf nach neuen Kunstbergen noch lange nicht verhallt. Vermutlich sind diejenigen in und um München, die noch nie einen dieser knallbunten Griffe in zehn oder gar 15 Metern Höhe umklammert haben, noch keinen Achterknoten im Seil geknüpft, noch keinen Gurt festgezogen und noch nie die magnesiageschwängerte Luft einer Kletterhalle eingeatmet haben, inzwischen in der Minderheit. Und wer nicht selbst das Geräusch klickender Karabiner in der Kunstwand mit purem Freizeitvergnügen verbindet, "hat zumindest jemanden im Bekanntenkreis, der regelmäßig klettert", sagt Thomas Bucher, Sprecher des Deutschen Alpenvereins (DAV). Klettern liegt im Trend, ein Ende des Booms ist laut DAV nicht in Sicht. In München sowieso nicht. An diesem Freitag eröffnet in Freimann mit dem Kletter- und Boulderzentrum-Nord eine weitere große Anlage für Freunde des kräftezehrenden Aufstiegs.

Klettern in München
:Muskelkater inklusive

Hoch hinauf und fallen lassen: Der Trendsport Klettern boomt auch in München. Eine Übersicht über die besten Hallen.

Susanne Popp und Anna Martinsohn

Mit der neuen Halle an der Werner-Heisenberg-Allee unweit der Allianz Arena stehen den Sportkletterern damit alleine in den dann vier DAV-Anlagen in Thalkirchen, Gilching, Bad Tölz und Freimann insgesamt 16 000 Quadratmeter Kletterfläche zur Verfügung - privat betriebene Hallen und kleinere Vereinskletterwände nicht eingerechnet. Dass der Bedarf an so vielen Routen da ist, beweisen die ständig überfüllten Anlagen. Insbesondere im Zentrum Süd in Thalkirchen, das als größte Kletteranlage der Welt gilt, wird sich der Sportler in den Abendstunden und am Wochenende kaum einsam fühlen. Dass die neue Halle in Norden am anderen Ende der Stadt für mehr freie Routen sorgen könnte, glauben die wenigsten. "Bislang haben neue Anlagen noch nie eine Entlastung für die bestehenden Hallen gebracht", sagt Bucher. Vielmehr habe sich mit neuen Wänden auch die Zahl der Kletterer erhöht. Während vor elf Jahren noch 18 Prozent der vom DAV befragten Mitglieder angaben, in Hallen zu klettern, waren es 2013 bereits 25 Prozent. Der Verein spricht von etwa 350 000 Sportkletterern in Deutschland - Nichtmitglieder nicht eingerechnet. Da der DAV in einer Umfrage 2013 festgestellt hat, dass mehr als drei Viertel der Hallennutzer Mitglieder sind, geht er von einer halben Million Sportler in Deutschland aus, die regelmäßig in Hallen klettern. Mitte der Neunzigerjahre, als die ersten Anlagen entstanden, gab es laut Bucher schätzungsweise nur 70 000 Sportkletterer.

Voranmeldungen für Kurse gibt es schon viele

Auch Ben Hoffmann, Betriebsleiter in Freimann, setzt nicht auf Kletterer, die sich vom Süden in den Norden umorientieren. Gleichwohl ist er sich sicher, dass auch seine Halle schnell gefüllt sein wird. Voranmeldungen für Kurse lägen zumindest schon zahlreiche vor - lange bevor der erste Griff geschraubt wurde. Jetzt sind 25 000 dieser bunten Kunststoffnoppen platziert, 1600 Express-Schlingen hängen für die Zwischensicherung in den 15 Meter hohen Wänden. 320 Routen haben die insgesamt zehn Routenbauer in den vergangenen Wochen geschraubt, von der leichtesten Schwierigkeitsstufe 3+ bis zur schweren 10. Wer geschraubt hat und wie schwer er die Tour letztlich bewertet hat, kann der Kletterer an kleinen Tafeln am Wandfuß nachlesen. Durch die schwierigsten Routen hat der DAV kurz vor dem Eröffnungstag noch einmal einen seiner Besten geschickt: Nationalkadermitglied Chris Hanke hat sie alle getestet und die Bewertungen noch einmal überprüft. Insgesamt bietet die Anlage 3000 Quadratmeter Kletterfläche, knapp zwei Drittel davon drinnen, der andere Teil im überdachten Außenbereich mit Wettkampfarena und Platz für etwa 2000 Zuschauer.

Mit dem Kran geht's leichter: letzte Vorbereitungen im Außenbereich des neuen Kletterzentrums. (Foto: Florian Peljak)

Auffallend ist die großzügig gestaltete Boulderhalle. Auf 800 Quadratmetern kann hier ohne Seil über Weichbodenmatten in Absprunghöhe (bis 4,50 Meter) geklettert werden. Bouldern ist eine Disziplin des Bergsports, die in den vergangenen Jahren immer mehr Anhänger gefunden hat. Während es in den ersten Anlagen lediglich kleine Boulderbereiche zum Trainieren für die großen schweren Routen gab, entscheiden sich immer mehr Leute, ausschließlich auf niedrigen Höhen ohne Gurt und Seil herumzuturnen. "Das ist inzwischen sehr beliebt, vor allem unter jungen Leuten", sagt Hoffmann, schließlich brauche man weder einen Sicherungspartner noch allzu viel Material. Ein Paar Kletterschuhe reicht. "Die Leute stellen auch fest, dass es eine sehr kommunikative Sportart ist", findet Hoffmann. Die Kletterer seien beim Bouldern eben nicht so weit voneinander entfernt und tüftelten dann gemeinsam an der optimalen Bewältigung einer schwierigen Stelle.

Große Nachfrage nach Boulderwänden

Beim Bau der neuen Anlage hat der DAV daher ganz bewusst auf die Stärkung des Boulderns gesetzt. "Die beiden großen Boulderwelten am Ostbahnhof und in Aubing sind ständig voll", sagt DAV-Sprecher Bucher. Der Trägerverein, bestehend aus 22 Sektionen des DAV, hatte den ausdrücklichen Wunsch nach einer solch großen, vor allem auch zusammenhängenden Bouldermöglichkeit geäußert, die im nächsten Jahr im Außenbereich auch noch erweitert werden soll. Innovativ ist das neue Lüftungssystem, das durch sogenannte "chaotische Luftführung" die Hallennutzer mit Frischluft versorgen soll, ohne sie, wie in den bisherigen Hallen, durch ständiges Fensteröffnen vor allem im Winter in der Wand schockzufrosten.

Insgesamt 8,55 Millionen Euro hat das neue Sportzentrum mit integriertem Gastronomiebereich und großer Dachterrasse gekostet. Es ist in Kooperation mit dem SC Freimann entstanden, der auf dem Gelände ein langfristiges Nutzungsrecht in Form eines Pachtvertrags hat, allein allerdings den Neubau eines Vereinshauses finanziell nicht stemmen konnte. Im Westteil des neuen Gebäudes hat der Verein seine Umkleiden für die Tennis- und Fußballabteilung untergebracht, in einem Mehrzweckraum bietet er Kurse wie Gymnastik und Kinderturnen an.

Das Sportzentrum eröffnet an diesem Freitag um 14.30 Uhr mit kostenlosem Schnupperklettern und -bouldern bis 21.30 Uhr (Samstag und Sonntag 10-18 Uhr) sowie verschiedenen Sportangeboten des SC Freimann.

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: