Kleinkunstbühne:Unten Kreuzberg, oben Schwabing

Die Kleinkunst lebt im "Heppel & Ettlich", auch wenn die Renovierung im Erdgeschoss noch nicht ganz abgeschlossen ist

Von Nicole Graner, Schwabing

Mörtelkübel, Mörtelrührer, Bierkästen und Malerfolie. Ein breites Brett, aufgebockt und über die Treppe gelegt. Man könnte die Baustelle im Schwabinger Drugstore als ein partizipatives Kunstprojekt begreifen. Frei nach dem Motto: Wer zu Kunst will, muss über Hürden gehen. Und wer sie liebt, nimmt das in Kauf. Aber da ist dieser feine Staub, der sich in die Nasenhöhlen legt. Und dieser Geruch nach Farbe und feuchtem Stein. Alles echt und keine Allegorie auf einen künstlerischen Prozess, sondern Wirklichkeit. Und deshalb - in der Tat - nimmt man das Brett über der Treppe, an dem man sich ein bisschen vorbeischlängeln muss, in Kauf, wenn man ins Theater gehen will - ins Heppel & Ettlich.

Der Kiosk unter der Treppe und der rote Teppich, der einen nach oben in den ersten Stock geleitet hat, sind vorerst verschwunden. Aber die Spiegelwände sind noch da, die einem schon immer geholfen haben, sein Outfit schnell noch zu korrigieren. Verstaubt, dreckig. Dann öffnet man eine weiße Tür. Und man ist da. In einer Art Schwabinger Heimat. An einem Ort, der so vertraut ist. Heimat, die mit Wolfgang Ettlich oder viel besser mit Wolle beginnt, wenn er jeden Abend hinter dem Tresen steht. Das war schon so im alten Heppel an der Kaiserstraße. Wenn er mit der alten, legendären Registrierkasse abgerechnet hat. Und es ist es auch noch so im zweiten an der Feilitzschstraße, das seit 2009 über dem Lokal Drugstore seine Räume hat.

Kleinkunstbühne: Seit der Renovierung des Drugstores und der Kleinkunstbühne im ersten Stock weht am Schwabinger Wedekindplatz ein frischer Wind ins Heppel.

Seit der Renovierung des Drugstores und der Kleinkunstbühne im ersten Stock weht am Schwabinger Wedekindplatz ein frischer Wind ins Heppel.

(Foto: Stephan Rumpf)

Auf der Bühne singen sich drei Damen warm, üben Tanzschritte und Moderationen. Die Technik rückt die Szenerie ins rechte Licht. Und dann sieht man es erst. In dem dreigeteilten Raum - Bühne, Zuschauer, Bar - ist einiges anders. Neuer Fußboden, die etwas höhere Bühne, neue Dämmung und Klimaanlage. Und neue Fenster. Die vergangenen Jahre waren sie verklebt, damit es dunkel wurde im Theaterraum. Jetzt kann man rausschauen auf den ebenfalls neuen Wedekindplatz oder sie mit Rollos verdunkeln. Und dann die neue Bar mit Theke: In einem alten Bücherregal stehen die Gläser. Und wie immer - es muss so sein - ist überall auch ein bisschen Chaos. Hier die Strohhalme, da leere Kisten. Da Postkarten, dort liegen Kugelschreiber.

"Na, und...", fragt Wolle, "gefällt es?". Ja, es gefällt. Sehr sogar. "Unten ist eben Kreuzberg, hier oben Schwabing", sagt der 68 Jahre alte Filmemacher mit Hauptberuf "Theaterclub" lachend und meint das Chaos, das wohl noch bis Februar oder März dazu führen wird, dass die Besucher durch die Baustelle müssen, wenn sie zum Heppel wollen. Wolle ist froh: "Es war wirklich Zeit, dass renoviert worden ist." Dass die Brauerei die Renovierung noch dazu spendiert hat, war das nächste Glück. Dass jetzt auch zwei golden gerahmte Spiegel in den neuen Toiletten hängen - daran muss man sich als eingeschworener "Heppelianer" gewöhnen. Und Wolle hofft, dass der Hausbesitzer durch den Umbau im Drugstore nicht die Miete fürs Heppel erhöht: "Kulturarbeit ist nicht kalkulierbar. Eine Mieterhöhung wäre nicht gut." Aber er weiß auch, dass der Hausbesitzer das Heppel sehr schätzt.

Kleinkunstbühne: "Ich alter Hase muss lernen, mich zurückzunehmen, jungen Ideen Platz machen": Wolfgang Ettlich möchte etwas kürzer treten.

"Ich alter Hase muss lernen, mich zurückzunehmen, jungen Ideen Platz machen": Wolfgang Ettlich möchte etwas kürzer treten.

(Foto: Stephan Rumpf)

An die 12 000 Zuschauer kamen im vergangenen Jahr ins Heppel, Wolfgang Ettlich freut sich nun auf das neue. Und immer wieder darüber, dass das Heppel an so einem wunderbaren Ort bleiben kann: "Ich glaube, diese Ecke hier mit allen Kleinkunstbühnen, so einen Platz gibt es in Deutschland nicht nochmal".

Mit der Renovierung passierte noch etwas. Ein frischer Wind weht seitdem durch die neuen Fenster ins Heppel. Das Programmheft ist kein Heft mehr, sondern ein Faltblatt, das als Mini-Poster genutzt werden kann. Und man experimentiert mit kleinen Formaten wie "Video-Lyrik", fremdsprachigem Theater und kleinen, aber feinen Jazzkonzerten. Den Opernstammtisch, der so gut gelaufen ist, will er in einer neuen Besetzung wiederbeleben. Und auch Gerhard Polt bleibt dem kleinen Schwabinger Theater treu. "Ich habe ihn bei Dreharbeiten kennengelernt", sagt Ettlich, "seitdem kommt er zu uns." Stars, die das kleine Theater braucht, um am Leben zu bleiben.

Wolfgang Ettlich hat ein Motto: "Schicksal und Zufall" - bis jetzt hat es ihn durch alle Zeiten getragen. Bis jetzt haben alle Entscheidungen etwas Gutes gehabt. Das trifft mit Sicherheit auf die Renovierung und den frischen Wind zu. "Ich alter Hase muss lernen, mich zurückzunehmen, jungen Ideen Platz machen." Er lacht, rückt seine Brille zurecht. Dann verschränkt er seine Arme - ein bisschen aus Trotz: "Ich bin nur noch wichtig für das Publikum und für die große Klappe." Dann fügt er mit leiser Stimme an, nie sei er krank gewesen, nun sei er aber das allererste Mal in seinem Leben im Krankenhaus gewesen. Das habe ihn nachdenklich gemacht, vielleicht doch etwas leiser zu treten und noch etwas anderes zu tun. Das Heppel zur Hälfte weiterzugeben und ein Buch zu schreiben zum Beispiel.

Noch aber ist es nicht soweit, noch ist Wolle ein Stückchen Schwabinger Heimat. Ob die Besucher durch ein staubiges "Kreuzberg" gehen müssen oder nicht. Oben ist Schwabing.

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