Theatinerhof:Eine Baustelle, die an die Existenz geht

Theatinerhof: Der Theatinerhof ist eine Oase mitten in der Stadt. Noch.

Der Theatinerhof ist eine Oase mitten in der Stadt. Noch.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Von Ende 2018 an wird der Theatinerhof in der Münchner Altstadt zur Großbaustelle.
  • Der Freistaat Bayern, Eigentümer des Komplexes, plant eine Generalsanierung.
  • Für die vielen kleinen, inhabergeführten Läden dürfte das eine harte Zeit werden - zudem müssen sie höhere Mieten fürchten.

Von Sophia Baumann

Kunden trinken einen Kaffee unter bunten Sonnenschirmen, unterhalten sich angeregt mit den Inhabern der kleinen Geschäfte hier, die sich wiederum über den Innenhof hinweg zuwinken. Der Theatinerhof, obwohl zentral in der Innenstadt an der Theatinerstraße gelegen, ist eine ruhige Oase. Damit wird jedoch bald Schluss sein. Albert Fröhlich, Inhaber eines dort ansässigen Pelzateliers, stürmt deshalb wütend über den beschaulichen Hof hinweg. Er zeigt auf eine schmutzige Fassade, Müll in der Ecke. "Die Verwaltung hat ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt", schimpft Fröhlich.

Doch das ist noch nicht der ganze Grund für seinen Ärger. Von Ende 2018 an, so die derzeitige Planung, wird der Theatinerhof zur Großbaustelle. Der Freistaat Bayern, Eigentümer des Komplexes, plant eine Generalsanierung. Lärm, Staub und Dreck - für die kleinen, inhabergeführten Geschäfte bedeutet das aller Voraussicht nach, dass sie den Theatinerhof verlassen müssen.

"Es ist überhaupt nicht einfach", stöhnt Albert Fröhlich. Er besitzt seit zwölf Jahren ein Pelzatelier im Theatinerhof, hat viel Geld in dessen Innenausstattung investiert, wie er berichtet. Die besondere Lage sichert seinem kleinen, spezialisierten Geschäft das Überleben. Nun sucht er seit einiger Zeit nach einem neuen Objekt - bislang vergeblich. Genauso ergeht es den Goldschmieden Christina Langes und Hans Ufer, deren Werkstatt und Laden sich bislang ebenfalls im Theatinerhof befindet. Manche der Mieter fürchten um ihre Existenz, und sie fühlen sich allein gelassen vom Freistaat. Wann kommt die Kündigung? Gibt es die Möglichkeit zurückzukehren? Und wenn ja, zu welchen Mietkonditionen? Viele Fragen sind offen.

Zu einer möglichen Kündigung teilt das Kultusministerium nur mit: "Die umfassenden Sanierungsarbeiten haben Auswirkungen auf die aktuellen Mietverhältnisse." In einem Informationsschreiben von 2015 heißt es etwas konkreter, dass Mietern voraussichtlich sechs Monate vor Beginn der Arbeiten in dem jeweiligen Bauabschnitt gekündigt werde. Es sei allerdings nicht völlig ausgeschlossen, dass alle Mietverhältnisse schon zu Beginn des ersten Abschnitts aufgelöst werden. Die Sanierung des gesamten Komplexes ist laut Ministerium unausweichlich. Unter anderem müssten die Gebäudetechnik erneuert, die Wärmedämmung angepasst und Fenster ausgetauscht werden. Die Generalsanierung soll in fünf Abschnitten erfolgen und bis zum Jahr 2028 dauern.

Ob die kleinen Läden danach zurückkehren können? Verändern sich die Zuschnitte der Geschäfte drastisch, wäre das höchst unwahrscheinlich. Pelzverkäufer Fröhlich befürchtet etwa, dass aus vier kleinen Geschäften zwei große Läden entstehen könnten. Das Kultusministerium spricht allerdings nur von "partiellen Veränderungen" am Zuschnitt der Geschäfte. Darüber hinaus wirke man darauf hin, den aktuellen Mietern nach der Sanierung einen neuen Vertrag für die bisherigen Räume anzubieten. Zuständig für die Mietverträge ist die "Immobilien Freistaat Bayern" (IMBY), die die landeseigenen Immobilien verwaltet. Auch die IMBY macht keine Aussagen zu konkreten Auswirkungen der Sanierung auf Mieter, versichert jedoch: "Dem Freistaat Bayern ist die Situation der Ladenmieter im Theatinerhof sehr wohl bewusst."

Die Miete soll "angepasst" werden

Aus dem Informationsschreiben an die Mieter ist indes bekannt, dass die Miethöhe nach der Sanierung auf die ortübliche Vergleichsmiete angepasst werden soll. Das kritisiert der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post, er hat deshalb an Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) geschrieben. Darin schreibt Post, dem Freistaat sei das Schicksal der aktuellen Mieter offensichtlich egal. "Die IMBY vertreibt hier alteingesessene inhabergeführte Geschäfte aus der Innenstadt, zwingt manche Ladenbesitzer möglicherweise zur Geschäftsaufgabe und raubt deren Existenz zugunsten von Ketten, die wohl nicht mal in vergleichbarem Maße Steuern in Deutschland zahlen." Post verweist als Positivbeispiel auf die Sanierung des Ruffinihauses am Rindermarkt. Das gehört der Stadt. Dort hätten die Händler ein Rückkehrrecht, und die Mietsteigerung sei bereits jetzt bekannt und kalkulierbar. Allerdings wird die Sanierung dort nur 15 Monate dauern, im Theatinerhof sind es voraussichtlich zehn Jahre.

Nach der öffentlichen Kritik und mehreren Medienanfragen sieht das Ministerium offensichtlich plötzlich Gesprächsbedarf. Vergangene Woche jedenfalls verschickte es die Einladung zu einer Informationsveranstaltung, für diesen Dienstag. "Es geht uns weniger darum, für uns noch etwas herauszuschlagen", sagt Goldschmiedin Langes. Wichtig sei ihr, dass es auch in Zukunft kleine, inhabergeführte Geschäfte im Theatinerhof geben werde. An die Rückkehr ihres eigenen Ladens glaubt sie nicht. "Es gibt hier einige, die meinen, sie bleiben bis zum Ende", erzählt sie. Sie gehöre jedoch nicht dazu.

Oskar Arzmiller, Inhaber des 1948 gegründeten "Café Arzmiller", schon. "Ich lasse das ganz ruhig und gelassen auf mich zukommen", sagt er. Sein Geschäft soll als eines der letzten saniert werden. Deshalb rechnet er damit, bis 2026 im Theatinerhof bleiben zu können. Zwar warnt das Ministerium, Schmutz und Lärm könnten eine Nutzung unmöglich machen. Doch Arzmiller glaubt: "Der größte Dreck müsste eigentlich draußen sein." Außerdem seien seine Gäste hart im Nehmen: "Die lieben ihr Café Arzmiller". Trotzdem will er sich ein weiteres Standbein schaffen und außerhalb der Altstadt ein zweites Café eröffnen. "Sterben wird das Café Arzmiller nicht", sagt er.

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