Klage auf Schmerzensgeld:Erblindet nach Routine-Eingriff

  • Ein 72-jähriger Münchner klagt gegen eine Augenärztin, nachdem er nach einer Operation wegen eines Grauen Stars auf dem linken Auge blind ist.
  • Bei der Routine-Operation war es zu Komplikationen gekommen, so dass der Sehnerv wegen starker Blutungen abgequetscht wurde.
  • Die Ärztin sagt, der Patient sei viel zu spät zur Nachbehandlung in die Klinik zurückgekommen. Der 72-Jährige erklärt, dass von einem Notfall nie die Rede war.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Wer ist schuld, wenn eine normalerweise harmlose Routine-Operation völlig schiefgeht: der Arzt oder der Patient? Diese Frage soll die Arzthaftungskammer am Landgericht München I klären. Kläger ist ein heute 72-jähriger Münchner, der ambulant wegen eines Grauen Stars operiert wurde und seither auf dem linken Auge blind ist. Bei dem Eingriff war es zu einer starken Blutung gekommen, die schließlich den Sehnerv abgequetscht hatte. Die Augenärztin sagt nun, der Patient sei viel zu spät, nämlich am späten Abend jenes Tages, in die Notaufnahme der Uni-Klinik gegangen. Ihm sei sein Hund wichtiger gewesen. Der Patient erklärte in der Verhandlung am Montag dagegen, von Klinik und Notfall sei keine Rede gewesen. Er verlangt 25 000 Euro Schmerzensgeld.

Klar, kein operativer Eingriff ist völlig frei von Risiken. Doch die Katarakt-Operation ist nach heutigem Standard ein sehr sicherer Eingriff. Der volkstümlich sogenannte Graue Star gilt nicht einmal als Krankheit, sondern ist aus Sicht der Medizin eine normale Alterserscheinung, wie faltige Haut oder graues Haar. Als einzig wirksame Behandlung gilt die operative Entfernung der getrübten Linse, die dann durch ein Implantat ersetzt wird. Nach Auskunft von erfahrenen Augenärzten verlaufen rund 98 Prozent der Katarakt-Operationen ohne nennenswerte Komplikationen.

Ärztin hatte bereits 3000 derartige Eingriffe vorgenommen

Die beklagte Münchner Augenärztin dürfte auf diesem Gebiet sehr erfahren sein: Nach eigenem Bekunden hatte sie zum Zeitpunkt des Unglücks, das ihr Patient erleiden musste, wenigstens 3000 derartige Eingriffe vorgenommen. Was aber in diesem Fall passierte, hatte sie mit eigenen Augen noch nie gesehen.

Routinemäßig war der Patient in der Belegklinik mit einem Narkosemittel ruhiggestellt worden: In dieser nur etwa zwei Minuten dauernden Narkose wird das für die OP notwendige, eigentliche Betäubungsmittel in das Gewebe hinter dem Auge injiziert, es ist dann unbeweglich, und der Patient sieht auch nichts von der Operation.

Im Falle des Münchners ist dabei unbemerkt ein Blutgefäß verletzt worden. Da der Mann wegen einer Herzklappen-Operation etwa sechs Monate zuvor noch spezielle Blutverdünnungsmittel einnehmen musste, kam es in kürzester Zeit zu einer massiven Einblutung, die den Augapfel buchstäblich hervorquellen ließ. Die Ärztin brach sofort ab und zog einen im Nebenraum operierenden Kollegen zurate. Dieser erfahrene Augenchirurg, einst leitender Oberarzt einer Münchner Uni-Klinik, schätzte den Vorfall zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht dramatisch ein. Der Patient berichtete dem Gericht nun, dass er den Meinungsaustausch der beiden mitgehört habe: Sinngemäß habe es geheißen, sie solle ihn am Nachmittag noch mal anschauen - das werde sich "wieder geben".

Augenlicht war nicht mehr zu retten

Der Patient ging dann vormittags nach Hause, kam nachmittags noch einmal in die Augenarztpraxis, ging dann wieder nach Hause. Erst am späten Abend suchte er die Uni-Klinik auf. Doch da war das Augenlicht nicht mehr zu retten.

Die Ärztin schilderte den Richtern, dass sie den Patienten persönlich und mehrmals auch telefonisch aufgefordert habe, sofort in die Uni-Augenklinik zu gehen. Der alleinstehende Mann habe aber der Versorgung seines Hundes den Vorrang gegeben. Der klagende Rentner widersprach: Das Tier sei immer versorgt. Seit seiner Herz-OP müsse er sowieso stets mit einem Krankenhausaufenthalt rechnen und habe deshalb eine gepackte Tasche daheim stehen. Wenn man ihm die Notsituation dargelegt hätte, wäre er natürlich sofort in die Klinik gegangen.

"Wir haben zwei ganz unterschiedliche Geschichten", stellte der Richter fest. Im März will die Kammer weitere Zeugen hören.

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