Kita im Glockenbachviertel:Ein Herz für Kinder

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Mathias Masur würde seine Wohnung räumen, damit der Kindergarten nebenan erweitern kann. (Foto: Stephan Rumpf)

Ungewohnter Tausch: Ein Kindergarten in der Klenzestraße soll erweitert werden und braucht dafür die Wohnung eines Mieters nebenan. Der junge Mann ist wirklich bereit, sein günstiges Apartment im Glockenbachviertel zu räumen - unter einer Bedingung.

Von Melanie Staudinger

Mathias Masur ist sich bewusst, dass manche Menschen ihn für leicht verrückt halten könnten. Der 26-Jährige hat eine schicke kleine Wohnung in der Klenzestraße mitten im Glockenbachviertel. 570 Euro bezahlt der Gastronom für sie - inklusive aller Nebenkosten. Wer einmal ein solches Apartment ergattert hat, der gibt es in der Regel nicht einfach auf. Doch Masur hat genau das vor. Er würde sofort ausziehen, damit sich der private Kindergarten von nebenan erweitern kann. Masur stellt nur eine Bedingung: Zum Ausgleich möchte er eine innerstädtische Wohnung in der gleichen Preisklasse vermittelt bekommen.

Anne Buchholz hat das potenzielle Tauschgeschäft eingefädelt. Ihre Tochter besucht seit drei Jahren die "Fischstäbchen", wie sich der Kindergarten einer Elterninitiative in der Klenzestraße nennt. "Eine tolle Einrichtung", wie Buchholz findet. Allerdings mit einem Manko: Für das pädagogische Konzept fehlt Platz. "Die Kinder sollen Ideen haben und sie umsetzen dürfen", sagt die Mutter. Jedoch sei der Raum für Projekte begrenzt.

Schon jetzt haben Erzieherinnen und Eltern jeden Quadratmeter für die 16 betreuten Kinder ausgenutzt. Die Vorschulkinder können sich auf einem kleinen Podest zurückziehen. Für die größeren gibt es einen Hochstand, der über eine Feuerwehrstange erreichbar ist - die kleineren kommen da nicht hinauf. "Wir haben das bisher ganz gut hinbekommen", sagt Buchholz. Mehr Platz wäre dennoch "großartig, weil die Kinder nicht immer alles gleich aufräumen müssen". Es gehe nicht um eine Luxus-Kita, erklärt sie dazu.

Buchholz und die anderen Eltern fassten vor ein paar Wochen einen Plan. Mit der Hausverwaltung klärten sie, ob diese einer räumlichen Erweiterung des Kindergartens für Drei- bis Sechsjährige zustimmen würde. Die Verwaltung bejahte. Also marschierte Buchholz an einem Nachmittag hinüber zu ihrem Nachbarn und klopfte an die Tür. "Die Dame erzählte mir, dass sie vorhätten, die Wand vom Kindergarten zu mir durchzubrechen und dass sie dafür gerne meine Wohnung übernehmen würden, weil die vom Grundriss her gut passen würde", sagt Masur.

Damals habe er selbst nicht genau gewusst, wie es in seinem Leben weitergehen soll, er hatte kurz zuvor mit einem Partner ein Café in Prien am Chiemsee eröffnet. Masur stimmte dem Angebot zu. An sich habe er kein Problem mit einem Umzug. Er sei nicht an die Wohnung gebunden und besitze nicht allzu viele Dinge: "Das würde ja schnell gehen." Allerdings stellte er eine kleine Bedingung.

Räumen möchte er seine Wohnung nur, wenn Ersatz für ihn gefunden wird. Eine Miete von 600 Euro sei das Maximum. An sich würde er gerne im Glockenbachviertel bleiben, hätte aber auch nichts gegen eine Wohnung in Zentrumsnähe, etwa am Goetheplatz, am Gärtnerplatz oder in der Au. Mit einer derart unkomplizierten Reaktion hatte Buchholz nicht gerechnet. "Ich hätte nicht einmal zu hoffen gewagt, dass er sich darauf einlässt", sagt sie.

Doch selbst, wenn der Handel funktioniert und die Eltern eine neue Wohnung für Masur finden, wird es noch dauern, bis die Kinder den neuen Raum beziehen können. Denn wegen des Wohnungsmangels in München ist es verboten, Wohnraum ohne städtische Genehmigung einfach in gewerbliche oder sozial genutzte Immobilien umzuwandeln. Erste Gespräche haben die Eltern bereits mit der Stadt geführt.

Grundsätzlich muss das Sozialreferat erlauben, dass die Wohnung in eine Kita umgewandelt wird. Welche Bedingungen erfüllt sein müssen, regelt die sogenannte Zweckentfremdungssatzung. Sie schreibt vor, dass derjenige, der eine Wohnung anders nutzen will, entweder Ersatzwohnraum zur Verfügung stellen oder eine Ausgleichszahlung leisten muss. Für Kindertagesstätten existiert aber eine Ausnahme: Wenn nachgewiesen werden kann, dass im Viertel Kita-Plätze gebraucht werden, kann das Sozialreferat eine Umnutzung auch ohne Auflagen genehmigen.

Doch damit ist es nicht getan. Der Stadtrat befindet anschließend über das Projekt. Danach prüft das Planungsreferat baurechtliche Voraussetzungen, etwa ob zwei Autostellplätze je Kita-Gruppe zur Verfügung stehen und der Brandschutz ausreichend ist. Sechs Monate, so schätzt ein Sprecher des Sozialreferats, wird das Verfahren wohl dauern. In diesem Jahr gab es bisher zwölf Anträge wegen Zweckentfremdung. Wie viele davon Kindertagesstätten sind, ist nicht eigens in der Statistik ausgewiesen. "Wir haben aber eine Steigerung ", sagt Thorsten Vogel, Sprecher des Planungsreferats. Als Hintergrund vermutet er den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für unter Dreijährige.

"Es kommt einiges auf uns zu, aber wenn es klappen würde, wäre es ein Traum für unsere Kinder", sagt Buchholz. Schlecht stehen die Chancen nicht. "An der Genehmigung durch den Stadtrat wird das Projekt kaum scheitern", sagt Münchens Zweite Bürgermeisterin Christine Strobl, "eher an der Ersatzwohnung für den jungen Mann." Masur wartet tatsächlich noch auf geeignete Angebote.

© SZ vom 30.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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