Kirchheim:On the Road again

Biker-Stammtisch in Kirchheim/Heimstetten

Jetzt geht's los: Catharina Zenker und Ingo Kohlbecher sind mit ihren Maschinen gut für die Saison gerüstet.

(Foto: Lukas Barth)

Wie Catharina Zenker und ihre Freunde vom Kirchheimer Biker-Stammtisch in die Saison starten

Von Laura Borchardt, Kirchheim

An ihrer Halskette baumelt ein goldener Anhänger. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man ein kleines Motorrad. Catharina Zenker, 60, aus Kirchheim steht auf Motorräder - nicht nur auf Schmuck-Miniaturen, sondern vor allem auf echte Maschinen.

Sehnsüchtig haben Zenker und ihre Bikerfreunde auf den Frühling und das gute Wetter gewartet. Über die Osterfeiertage mussten die Motorräder noch in der Garage bleiben - zu kalt und nass war es für eine Tour. Nun aber wird es warm. "Ich freue mich, dass es endlich wieder losgeht", sagt Zenker. Zenkers Yamaha bekommt eine Rundumüberholung verpasst: Ölwechsel, neue Batterien und Reifen. Fehlt noch der TÜV und fertig ist sie für den nächsten Stammtisch-Ausflug.

Schon seit mehr als 20 Jahren trifft sich eine kleine Gruppe von Bikern aus Kirchheim und Umgebung zu einem Stammtisch. Ungefähr einmal im Monat kommen sie in Zenkers Tanzstudio "Happy Dancing" in Heimstetten zusammen. Während die ersten Biker an der Bar neben dem Eingang Platz nehmen, üben ein paar Mädchen gerade noch die letzten Tanzschritte für einen Auftritt.

Vor 40 Jahren kam Zenker aus Maastricht in den Niederlanden nach München. Seit 1983 lebt die ausgebildete Tanz- und Sportlehrerin in Kirchheim, wo sie vor rund 30 Jahren ein Studio eröffnet hat. Standard und Latein sind ihre Disziplinen, bis zu fünf Kurse gibt sie in der Woche. Durch das Tanzen ist Zenker aufs Motorradfahren gestoßen. Schon mit 13 war sie auf dem Mofa, mit 15 auf dem Moped unterwegs: "Ich wollte von meinen Eltern unabhängig sein, und das war die einzige Möglichkeit, alleine ins Tanztraining zu kommen." Seitdem hat sie den Lenker nicht mehr aus der Hand gegeben. Im Laufe der Jahre hatte Zenker immer schnellere Maschinen. Heute könnte sie mit ihrer 295 Kilogramm schweren Yamaha-Cruiser bis zu 170 Stundenkilometer fahren. Obwohl die Bikerin zierlich ist, kann sie das Gewicht ihrer Maschine gut halten, auch in Schräglage.

Die Stammtisch-Biker reden über angesagte Scheinwerfer, Auspuff-Lautstärken und Tricks zur Befestigung einer GoPro-Kamera. "Wir sind kein Motorradclub, bei uns geht es locker und familiär zu", sagt Zenker. Es gebe weder strenge Regeln für Mitglieder, noch Hierarchien oder Gebietsansprüche wie in einigen Biker-Clubs üblich. Man tauscht sich über das gemeinsame Hobby aus und plant die nächsten Ausfahrten. Immer wieder tragen Motorradfahrer private Rennen aus, jagen Pässe rauf und runter und testen dabei ihre Grenzen.

Eine beliebte Rennstrecke im Landkreis ist der kurvenreiche Klosterberg bei Schäftlarn. 2013 verunglückte dort ein 24-jähriger Motorradfahrer tödlich. Besonders im Frühjahr, wenn alle ganz heiß auf ihre erste Tour sind, geht Ingo Kohlbecher die riskante Fahrweise mancher Biker auf die Nerven. 2014 kam es im Münchner Umland zu 145 Motorradunfällen, knapp zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Hauptkommissar Markus Koch vom Polizeipräsidium München kennt die Gefahren und die Risikobereitschaft vieler Motorradfahrer. Überholfehler, zu geringer Abstand und überhöhte Geschwindigkeit seien die häufigsten Unfallursachen.

Im Sommer, wenn es warm und lange genug hell ist, eignen sich für Tagesausflüge Strecken von bis zu 500 Kilometern. Beliebte Ziele des Stammtischs: Hallein im Salzburger Land, Sterzing in Südtirol, die schweizerische Seite des Bodensees und die Eifel. Günstig ist das Hobby aber nicht. Für 3000 Euro aufwärts bekomme man bereits eine gute gebrauchte, für 10 000 bis 20 000 Euro eine neue Maschine.

Zenker ist keine, die gerne bei anderen hinten drauf sitzt, am liebsten fährt sie selbst. Dabei geht es ihr nicht um den ultimativen Adrenalinkick, sondern um das Lebensgefühl. "Ich möchte den Wind um die Nase spüren, in der Natur den Geruch von Wald und Wiesen aufnehmen und das Wetter genießen", sagt die Kirchheimerin. Das ist es, was viele Biker eint. "Wir sind auf der Suche nach Freiheit", sagt Ingo Kohlbecher, 68, der in Lederkluft ins Tanzstudio gekommen ist. Überall in der Welt gebe es in Bikerkreisen eine große Verbundenheit. Man verstehe sich auch ohne Worte. Ein stummes Zeichen in der Gemeinschaft: Zeige- und Mittelfinger der linken Hand werden in V-Form zum berühmten Bikergruß ausgestreckt.

Die Stammtisch-Biker aus Kirchheim zieht es alle paar Jahre in die Ferne. Unter dem Motto "Bike & Music" waren sie zuletzt 2012 in den USA unterwegs. Sie tourten quer durch die Südstaaten - Dallas, New Orleans, am Mississippi entlang bis nach Memphis. Im Herbst soll es wieder in die Vereinigten Staaten gehen. Abseits der klassischen Motorradstrecken planen sie eine Neuengland-Tour. Einmal die Farbenpracht des Indian Summer und die Niagarafälle live erleben, davon träumen sie. Eines haben die Biker aus Kirchheim aber auch in der Ferne stets dabei: die blau-weiße Bayernfahne am Heck ihres Motorrads.

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