Kino:"Bedürfnisse wecken, wo keine sind"

Kino: Um junge Leute ins Kino zu bringen, muss Christian Becker Marken schaffen - oder Schauspieler wie die Pappkameraden Tramitz und Ulmen engagieren.

Um junge Leute ins Kino zu bringen, muss Christian Becker Marken schaffen - oder Schauspieler wie die Pappkameraden Tramitz und Ulmen engagieren.

(Foto: Robert Haas)

Christian Becker hat mit seiner Produktionsfirma Rat Pack schon Erfolge wie "Fack ju Göhte" ins Kino gebracht. Ein Gespräch über das Drehen in München, den Schmerz von Flops und das Gespür für Filmstoffe

Interview von Josef Grübl

Im Konferenzraum der Münchner Rat Pack Filmproduktion sieht es aus wie in einem Jugendzimmer: Die Wände mit Filmplakaten tapeziert, in den Regalen Filme und Games, davor eine unausgepackte Rennbahn. Und in der Mitte sitzt der Chef: Christian Becker, 42, einer der erfolgreichsten Filmproduzenten Deutschlands. Der Westfale lernte sein Handwerk an der Münchner Filmhochschule HFF, in den vergangenen zwanzig Jahren hat er große Erfolge gefeiert, musste aber auch Niederlagen einstecken. Ein Gespräch über Indianer, München als Filmstadt und seinen neuen Film "Mara und der Feuerbringer".

SZ: Herr Becker, Sie haben mit "Fack ju Göhte" einen der größten Kinohits der vergangenen Jahre produziert. Derzeit wird die Fortsetzung gedreht - allerdings ohne Sie. Warum?

Christian Becker: Die Constantin Film, die den Film koproduzierte, hat einen Exklusivvertrag mit dem Regisseur und Drehbuchautoren Bora Dagtekin. Sie haben ihn schon früh an sich gebunden, was ein toller Schachzug war. Bora wurde dann sozusagen an uns ausgeliehen, wir haben mit ihm die Kinohits "Türkisch für Anfänger" und "Fack ju Göhte" entwickelt und gedreht. Die Fortsetzung hat ein höheres Budget, deshalb produziert jetzt die Constantin alleine.

Das muss Sie schmerzen.

Natürlich tut das weh, die beiden Filme mit ihm haben irre viel Spaß gemacht. Bora Dagtekin ist genial, er hat ein unglaubliches Gespür für Sprache und Situationen, fast wie Loriot. Bei "Fack ju Göhte" hat er sich die Sache mit dem Falschgeschriebenen ausgedacht: Den Titel, die "Follidioten" mit "F", auch die Sprüche im Internet kamen von ihm.

Sie haben nicht nur ihn, sondern auch die Produzentin Lena Schömann verloren, die ebenfalls zur Constantin Film wechselte und dort "Fack ju Göhte 2" produziert.

Ja. Auf der einen Seite freut mich das natürlich für sie, auf der anderen Seite ist es auch schade. Sie war ja vierzehn Jahre bei uns.

2015 kommen mindestens drei Rat Pack-Produktionen ins Kino, Sie lassen unter anderem einen berühmten Indianer wiederauferstehen . . .

Ja, wir drehen noch dieses Jahr "Winnetou". Es werden, wie RTL ja bestätigt hat, drei Event-Spielfilme. Sie sollen wahrscheinlich Weihnachten 2016 ausgestrahlt werden. Philipp Stölzl führt Regie, die Rolle des Winnetou ist noch nicht besetzt. Wotan Wilke Möhring spielt Old Shatterhand, Milan Peschel, Jürgen Vogel und Fahri Yardim übernehmen weitere Hauptrollen. Wir hoffen sehr, dass wir auch Pierre Brice verpflichten können und er mit einer Gastrolle dabei sein wird. Das ist ein lang geplantes Herzensprojekt, wir drehen ab August an den "originalen" Schauplätzen in Kroatien.

Ihre Kinofilme zielen oft auf ein sehr junges Publikum ab, Sie haben schon einige Jugendbücher und -serien aus den Siebzigerjahren neu verfilmt. Warum dieses Genre?

Das ist die Aufarbeitung meiner Kindheit (lacht)! Ich stelle mir oft die Frage: Was würde ich selbst gerne sehen? Oder was hätte ich als Kind geliebt? So bin ich auf "Hui Buh", "Wickie" oder die "Vorstadtkrokodile" gekommen. Das hat alles sehr gut funktioniert.

Sie sind mit dieser Herangehensweise aber auch schon gescheitert.

Ja, manchmal geht es total daneben. Bei "Jerry Cotton" zum Beispiel, der leider gefloppt ist. Das ist schade, weil es eine schöne Krimikomödie mit einer tollen Besetzung war. Die Zuschauer dachten sich aber, es sei eine stupide Parodie. Und warum soll man sich eine Parodie von etwas ansehen, was man nicht mehr kennt?

Wie sehr treffen Sie solche Niederlagen?

Es ist verdammt frustrierend. Man steckt so viel Zeit und Geld in diese Projekte und hofft, dass es funktioniert. Ein Film, bei dem es auch nicht geklappt hat, war "V8". Als Kind hätte ich so etwas geliebt, der Film war ein absolutes Herzensprojekt von mir.

Sie haben so sehr an diesen Rennfahrerfilm für Kinder geglaubt, dass Sie eine Fortsetzung gedreht haben, bevor der erste Teil ins Kino kam. Was passiert jetzt mit dem zweiten Teil?

Der erste Film ist total gefloppt, dabei hätte ich mein Büro verwettet, dass es funktioniert. Die Testvorführungen liefen super, wir hatten mit Joachim Masannek einen tollen Regisseur und eine gute Marke. Aber sie war zu unbekannt, wir haben die Kinder nicht erreicht. Wir versuchen jetzt, den zweiten Film neu zu positionieren. Er soll nächstes Jahr mit einem neuen Titel in die Kinos kommen.

Heute haben Filmemacher ausgerechnet mit der Jugend große Probleme: Ihre ehemalige Hauptzielgruppe geht immer seltener ins Kino. Wie reagieren Sie darauf?

Ja, der Zulauf nimmt seit Jahren ab. Das Angebot im Fernsehen und im Internet wird immer größer, da muss man sich anstrengen, um die Leute ins Kino zu kriegen. Wir versuchen daher, Events zu schaffen. Filme wie "Wickie und die starken Männer" funktionieren im Kino nach wie vor sehr gut. Für kleinere Filme, bei denen keine starke Marke oder keine Stars dahinterstehen, wird die Luft dagegen immer dünner.

Sie sind jetzt über vierzig. Geht einem da nicht irgendwann einmal das Gespür für das, was junge Leute interessiert, verloren?

Ich schaue mir diese Filme nach wie vor gerne an. Und so lange man eine Begeisterung dafür hat, kommen einem auch genügend Ideen. Natürlich darf man an eine Schulkomödie keinen Sechzigjährigen hinsetzen, für junge Stoffe braucht es junge Regisseure. Das Schwierigste an diesem Job ist aber die unglaubliche Verantwortung. Als Produzent borgt man sich sehr viel Geld zusammen, also sollte man alles daran setzen, dieses Geld wieder zurück zu bekommen. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Trends. Ein Produzent versucht immer, Bedürfnisse zu erwecken, wo es noch keine Bedürfnisse gibt.

So wie bei Ihrem jüngsten Film "Mara und der Feuerbringer", der nächste Woche in den Kinos startet.

Die Idee, einen deutschen Fantasy-Film über die nordisch-germanische Mythologie zu drehen, hat uns einfach begeistert. Der Film basiert auf den Romanen von Tommy Krappweis, er hat auch das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Wir kennen uns seit Jahren, haben schon bei der "ProSieben Märchenstunde" zusammengearbeitet. Irgendwann hat Tommy klammheimlich die "Mara"-Trilogie geschrieben und uns alle mit seiner Energie mitgerissen.

Haben deutsche Fantasy-Filme denn eine Chance bei einem Publikum, das an den Produktionsstandard von Filmen wie "Harry Potter" oder "Der Hobbit" gewöhnt ist?

Wir können zwar nicht mit 300-Millionen-Dollar-Produktionen konkurrieren, aber Tommy hat einen guten Weg gefunden. Er erzählt eine lokale Geschichte mit viel Humor und konnte Stars wie Jan Josef Liefers oder Christoph Maria Herbst für das Projekt begeistern. Für die Spezialeffekte hat er extra eine Firma aufgebaut, die hier in München sitzt.

Der Film spielt in München. War das von Anfang an so geplant?

Ja, es ist schon im Buch so angelegt. Wir hatten da eigentlich noch ganz andere Pläne: Der Drache sollte vorm Deutschen Museum oder auf einer Isarbrücke kämpfen, das ging aber von den Genehmigungen her nicht. Deswegen tobt er jetzt durch die Residenz.

Ist es wirklich so schwierig, in München zu drehen?

Es ist nicht einfach. Es gibt viele Einschränkungen, auch die Anwohner sind nicht glücklich, wenn wieder mal etwas abgesperrt ist und sie nicht parken können. Die Stadt ist aber sehr darum bemüht, als Filmstandort attraktiv zu bleiben. Es gab auch Diskussionen mit uns Produzenten, wie man die Situation verbessern könnte. Aber mit dem neuen Filmbüro, das vor Kurzem genehmigt wurde, wird sich das hoffentlich ändern.

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