Kindesmissbrauchs-Prozess:"Ich bin kein Sex-Monster"

Zum Prozessauftakt weist der mutmaßliche Sektenguru Oliver Shanti, der in 314 Fällen Kinder missbraucht haben soll, die Vorwürfe zurück. Er sieht sich als Opfer einer Intrige um sein angebliches Vermögen.

A. Krug

Der wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern angeklagte Musikproduzent und mutmaßliche Sektenguru Ulrich S. alias Oliver Shanti hat zum Prozessauftakt im Landgericht seine Unschuld beteuert. "Das ist ein Meer von Lügen", sagte der 60-Jährige. Die Vorwürfe der Anklage seien ein Komplott ehemaliger Geschäftspartner, die ihn "vernichten" wollten.

Kindesmissbrauchs-Prozess: Oliver Shanti sieht in den schweren Vorwürfe gegen sich ein Komplott seiner ehemaligen Geschäftspartner.

Oliver Shanti sieht in den schweren Vorwürfe gegen sich ein Komplott seiner ehemaligen Geschäftspartner.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist ein surrealer Auftritt, wie ihn die Münchner Justiz noch nicht erlebt hat: Im weißen Ganzkörperanzug, Handschuhen und mit Mundschutz betritt Oliver Shanti über einen Nebeneingang den Gerichtssaal und nimmt in einer eigens für dieses Verfahren installierten Glasbox Platz.

Der 60-Jährige leidet an Lymphdrüsenkrebs, während der Behandlung im Krankenhaus hat er sich einen tückischen Keim eingefangen, der eine Multiresistenz gegen Antibiotika auslöst. Auch das Vorführpersonal trägt daher Handschuhe und Mundschutz.

Verhandlung dreht sich um 314 Missbrauchs-Fälle

Zum Sprechen darf Shanti die Maske abnehmen - und zu sagen hat er viel. Zuerst einmal will er klarstellen, dass er weder Guru noch Sektenführer sei. Er habe die letzten 30 Jahre in "Kommunen" gelebt, wo jeder "nach seinem Glauben" leben könne. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie wirft Shanti vor, seine Position als "spiritueller Führer" dazu benutzt zu haben, die Kinder seiner zahlreichen Anhänger systematisch zu missbrauchen.

In München und später auf einer Finca in Portugal soll er sich von 1985 bis 1998 in insgesamt 314 Fällen an vier Jungen und zwei Mädchen vergangen haben, die damals zwischen acht und 14 Jahre alt waren. Manche Opfer soll er sogar bis zu deren 16. Lebensjahr missbraucht haben.

Shanti weist die Vorwürfe vehement zurück. Er sei kein "sexuelles Monster" und habe sich niemals an Kindern vergriffen. "Das ist alles unwahr. Ich habe keine Kinder missbraucht, ich habe Kinder sehr lieb." Die Vorwürfe seien "erfunden" und einer "Intrige" zuzuschreiben, die seine ehemaligen Geschäftpartner lanciert hätten. Seiner Version zufolge geht es dabei nur ums Geld.

Shanti sieht Gier der Geschäftspartner als Motiv

Shanti sieht sich selbst als erfolgreichen New-Age-Musiker. Er sei "bekannter als die Beatles", seine CD's würden sich millionenfach verkaufen, die Umsätze seien im Laufe seiner Karriere von anfangs einigen tausend D-Mark (1982) auf zehn Millionen Euro (2002) gestiegen. "Ich war 2001 der bestbezahlte Musiker in der Branche", behauptet er. "Ich war mehrfacher Millionär."

Seine Geschäftspartner, mit denen ihn eine jahrelange Freundschaft verbunden habe, seien zuletzt nur hinter seinem Geld hergewesen. "Sie haben sich alle abgesprochen, um mich zu vernichten", sagt der Angeklagte. "Sie machen einen Kriminellen aus mir, damit ihnen alles gehört." Die Geschäftsführerin seines Verlages habe ihm selbst am Telefon gesagt, dass sie ihn "vernichten" werde.

Der einstmals fast 200 Kilo schwere Shanti sitzt seit Juli vorigen Jahres in Untersuchungshaft. Dort hat er mittlerweile fast zwei Zentner seines Gewichts eingebüßt. Die Vorwürfe hätten ihm schwer zugesetzt, "das sind Dinge, die ich nicht mal zu denken wage". Er sei zwar homosexuell und "an jungen Männern interessiert", doch an Kindern habe er sich niemals vergriffen. Auch mit Frauen habe er noch niemals Sex gehabt. Seine Heirat bezeichnet er als "Zweckehe". Er sei sie nur auf Drängen seines Patenkindes eingegangen, um später einmal einen "Erben" zu haben.

Für sechs Jahre untergetaucht

Seine Verteidiger Thomas Novak und Sebastian Bartels halten ihren Mandaten für unschuldig. Es falle auf, dass die Opfer erst nach vielen Jahren und erst dann eine Anzeige erstattet hätten, als es um Shantis Musikverlag zu einem Zerwürfnis gekommen sei. Der Angeklagte war ab 2002 untergetaucht und konnte erst 2008 in Portugal festgenommen werden. Shanti behauptet, zu seiner Flucht habe ihm ein Anwalt geraten, den Namen will er nicht verraten. Er beharrt auch darauf, sich wegen seiner Krebserkrankung selbst gestellt zu haben.

Von den mutmaßlich sechs Opfern ist eines bereits verstorben, die anderen werden voraussichtlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen. Zwei Geschädigte sind für den heutigen Donnerstag geladen. Insgesamt wird mit einem langen Prozess gerechnet, es wurden bereits Termine bis Jahresende reserviert.

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