Kinderbetreuung:Insekten im Kita-Essen: Stadt kündigt einem ihrer Caterer fristlos

Kinderbetreuung

In den Kitas wurde das Essen der Firma Bio-Kontor 7 aufgewärmt.

(Foto: Georg Wendt/dpa)
  • Zwei Kinder haben in München Insekten in ihren Mittagessen gefunden - eine Fruchtfliege und eine Küchenmotte.
  • Gesundheitsgefährdend sind die Verunreinigungen offenbar nicht gewesen.
  • Dennoch trennte sich die Stadt vom Lieferanten der Essen, die aus Bad Aibling kommen.

Von Melanie Staudinger

Kurz nach den Weihnachtsferien entdeckt ein Kind eine Küchenmotte im Mittagessen seines Tagesheims. Ende Februar findet eine Grundschülerin aus Riem eine Fruchtfliege in ihrem Nudelauflauf mit Brokkoli. Die Empörung unter den Eltern ist groß, die Boulevardzeitung tz berichtet über den "Ekel-Caterer" und lichtet die Mutter samt Tochter und Gummi-Kakerlake ab.

Die Behörden geben Entwarnung: Gesundheitsgefährdend seien die Verunreinigungen nicht gewesen. Dennoch kündigt das städtische Bildungsreferat dem Anbieter, der Firma Bio-Kontor 7 aus Bad Aibling, fristlos. Deren Chef, Konrad Geiger, weiß nicht so recht, wie ihm geschieht. Ohne den Großauftrag aus München muss er die Hälfte seiner Belegschaft entlassen, wie er sagt.

Diese Geschichte, die sich in den vergangenen Wochen zwischen München und Bad Aibling abgespielt hat, zeigt, wie emotional in Kitas und Schulen das Thema Essen diskutiert wird. Und sie offenbart die Probleme beim Vergabesystem für das Mittagessen an kommunalen Kindergärten, Horten und Tagesheimen.

Strenge Kriterien und eine europaweite Ausschreibung sollten in München eine hohe Qualität sicherstellen, argumentiert die Stadt. Eltern monieren, dass sie nicht mitreden dürften, wenn es um die Mahlzeiten ihrer Kinder geht. Und Branchenexperten kritisieren, dass die strikten Vorgaben kaum zu erfüllen seien. Manche Caterer wie Kindermenü König aus Moosach haben sich gleich gar nicht mehr an den Ausschreibungen beteiligt. Man verzichte lieber auf den Großauftrag der Stadt und konzentriere sich auf mehrere kleinere Kunden, hieß es.

"Dass eine Fruchtfliege im Essen war, ist nicht schön", sagt Bio-Kontor-7-Chef Geiger, der früher unter anderem in Zermatt und auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa kochte. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und hygienischer Kontrollen könne das aber vorkommen - gerade im Bio-Essen, bei dessen Erzeugung keine Pestizide verwendet würden. "Wir haben uns sofort entschuldigt", sagt Geiger.

Sechs Mitarbeiter haben keinen Job mehr

Doch da war die Maschinerie bereits in Gang gesetzt. Das Ende der Zusammenarbeit mit der Stadt hat für die junge Firma gravierende Folgen. Denn sie produziert jetzt 2000 Essen am Tag weniger, große Teile der Produktion waren auf die städtischen Vorgaben ausgerichtet. Sechs Mitarbeitern, also der Hälfte der Belegschaft, musste Geiger nach eigenen Angaben kündigen. "Ich musste meine Leute entlassen, obwohl sie sich nichts zu Schulden kommen haben lassen", sagt Geiger.

Im Schreiben an die Eltern begründet das Bildungsreferat den Schritt folgendermaßen: "Das Wohl der Kinder steht an oberster Stelle, deshalb können derartige Vorfälle nicht hingenommen werden." Die betroffenen Einrichtungen bekommen bis zum Ende des Jahres nun Essen von einem anderen Caterer, der bislang auch schon mit der Stadt zusammenarbeitete. Für 2019 muss das Referat den Auftrag erneut europaweit ausschreiben.

Hohe Ansprüche an die Caterer

Wer immer den Zuschlag bekommt, er wird mit hohen Ansprüchen konfrontiert werden - mit denen der Stadt, denen der Kinder und denen der Eltern. Manchen Familien ist vor allem der Preis wichtig. Andere wiederum lehnen aus religiösen Gründen Schweinefleisch ab oder ernähren sich und ihre Kinder vegetarisch. Die Mahlzeiten sollen gesund sein, gleichzeitig aber auch dem Geschmack der Kinder entsprechen, von denen viele mit Fischfilet oder Gemüse reichlich wenig anzufangen wissen.

Der Stadtrat hat vergangenes Jahr das Verpflegungsgeld um 85 Cent pro Tag erhöht. Eltern von Kindergartenkindern bezahlen nun 3,75 Euro, für Schulkinder werden 3,95 Euro fällig. Es ist die erste Anpassung seit 14 Jahren, wie ein Sprecher des Bildungsreferats bestätigt. Die Standards hingegen würden bei jeder Ausschreibung erweitert. So verlangt die Stadt, dass Fleisch fast ausschließlich in Bio-Qualität verwendet wird. Noch strenger sind die Vorgaben bei Fisch, der entweder aus einer ökologischen Aquakultur stammen muss oder aus zertifiziertem Wildfang. Bei Obst und Gemüse muss der Bio-Anteil bei mindestens 50 Prozent liegen, die Eier sollen aus Freilandhaltung stammen.

Auch die Lieferung schreibt die Stadt vor. Dreimal pro Woche darf das Essen gebracht werden, von der Kühlung bis zum Verzehr dürfen höchstens 72 Stunden vergehen. Diese Vorschrift soll verhindern, dass Münchner Kinder ihr Mittagessen von weither bekommen, für Anbieter aus dem Ausland ist eine Lieferung innerhalb der Frist kaum zu schaffen. Allerdings schließt die Regel auch kleinere Betriebe in München und Umgebung aus, sie verfügen oft nicht über derart große Lagerkapazitäten. "Man müsste seine gesamte Produktion auf die Stadt ausrichten", berichtet ein Caterer. Und damit gehe man ein hohes Risiko ein.

"Wir glauben, dass zu viele Vorschriften existieren", sagt auch eine Mutter aus Neuhausen. Das Tagesheim ihrer Tochter wurde von Bio-Kontor 7 beliefert, zufrieden sei das Mädchen nicht gewesen. Oft sei es hungrig nach Hause gekommen. Es komme vor, dass der Fleischanteil eines Gerichts sich auf ein paar Schinkenwürfel im Gemüseauflauf beschränke.

"Es muss ja nicht jeden Tag Fleisch sein, aber einmal pro Woche ein Paar Schinkenstücke ist zu wenig", sagt die Mutter. Sie hat an Stadtschulrätin Beatrix Zurek geschrieben. "Ich bin für sie verantwortlich, habe aber auf die derzeitige Versorgung keinen Einfluss", kritisiert die Mutter, die lieber anonym bleiben möchte. Sie hoffe nun, dass es mit dem neuen Catering-Anbieter besser werde.

Das Bildungsreferat hingegen betont, dass Eltern bei jeder Ausschreibung miteinbezogen würden, indem Vertreter am Probeessen teilnähmen. Beschwerden über das Essen gebe es nur wenige, auch bei Bio-Kontor 7. Bei täglich mehr als 30 000 Essen ließen sich nicht immer alle Geschmäcker treffen, sagt ein Sprecher des Bildungsreferats. An der Vergabe wolle man nichts ändern. "Das Verfahren hat sich bewährt."

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