Kinderbetreuung in München:Genügend Plätze - aber nicht am rechten Platz

München wird im August 2013 wohl für alle Kinder eine Betreuung anbieten können - als einzige deutsche Großstadt im Westen. Allerdings nicht unbedingt in deren Wohnvierteln. Für die Eltern könnte das lange Wege und hohe Kosten bedeuten.

Katja Riedel

Es ist bis jetzt nur ein Zahlenspiel. Aber das, was dessen Reiz ausmacht, ist eine Überraschung. Denn München schickt sich an, als wohl einzige deutsche Großstadt im Westen den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder von ein bis drei Jahren nahezu erfüllen zu können. Für 66 Prozent der Münchner Kinder werde die Stadt der aktuellsten Prognose zufolge zum magischen Datum 1. August 2013 einen Platz anbieten können, verkündeten Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) und Bildungsreferent Rainer Schweppe am Dienstag. Dies ist ein Wert, der sich ziemlich genau mit den Wünschen deckt, die Münchner Eltern in Umfragen artikuliert haben - und könnte die Stadt vor einer Klagewelle verschonen, die auf viele deutsche Kommunen im kommenden Jahr zurollen wird.

Kita in Thüringen

Stichtag 1. August 2013: Ab diesem Tag will Bayerns Landeshauptstadt für 66 Prozent der Münchner Kinder ein Angebot für einen Kita-Platz haben.

(Foto: dpa)

Der enorme Zuzug junger Familien macht Voraussagen zwar schwierig - doch ist jetzt schon klar, dass München mit einem Versorgungsgrad dieser Größenordnung weit vor anderen Städten liegen wird. Und deutlich über den 39 Prozent, die die Bundesregierung zu Beginn der Kitaausbau-Offensive 2008 einmal angepeilt hatte. Nicht nur die Bundesregierung, auch die Münchner Stadtspitze ist seitdem angesichts der gestiegenen gesellschaftlichen Akzeptanz und der entsprechend gewachsenen Nachfrage längst eines besseren belehrt worden.

Doch was zunächst für München durchweg positiv klingt, könnte gleich mehrere Haken haben. Denn die Situation in den einzelnen Stadtvierteln bleibt unterschiedlich - sowohl was Nachfrage als auch Angebot betrifft. Es könnte Fälle geben, in denen Eltern im Glockenbachviertel verzweifelt Plätze suchen, im Hasenbergl aber Plätze überzählig sind. Oder in denen teure private Einrichtungen, die zuletzt auch dank öffentlicher Zuschüsse von Stadt und Land besonders stark expandiert haben, Plätze frei haben, die sich Eltern aufgrund eines monatlichen Beitrags von 800 bis 1200 Euro schlicht nicht leisten können.

Kann ein solches Platzangebot den Rechtsanspruch befriedigen? Zu solchen Fragen müsse sich erst noch eine Rechtssprechung herausbilden, hält sich die Leiterin der Abteilung Kinderbetreuung im Referat für Bildung und Sport, Susanne Herrmann, bedeckt. Gerichtliche Entscheidungen hätten bei der Vergabe von Kindergartenplätzen, für die schon länger der Rechtsanspruch gilt, Wege bis zu zehn Kilometer als zumutbar angesehen. Auf einen bestimmten Platz bestehe kein Anspruch.

Im Fall der teuren privaten Einrichtungen sieht auch Bürgermeisterin Strobl die Problematik einer sozialen Ungerechtigkeit - doch die Stadt muss für diese Häuser nicht nur hohe Investitions- und Betriebskostenzuschüsse zahlen: zu 58 Millionen jährlichen städtischen Zuschüssen kommen bis 2015 insgesamt 92,5 Millionen Euro für die Investition. Im Gegenzug profitiert sie auch, indem sie deren Plätze in die Quote einrechnet, mit der sie glänzen kann. Ob diese Plätze, für die der Markt inzwischen laut Herrmann gesättigt sei, tatsächlich herhalten können, um den Rechtsanspruch der Eltern zu befriedigen, müssen im Ernstfall Gerichte klären. Eltern, die das nötige Geld nicht aufbringen, könnten aber wirtschaftliche Jugendhilfe beantragen - "diese Hilfe wird es geben", verspricht Herrmann.

Bis 2013 werden zusätzlich zu den derzeit bestehenden 15 621 Plätzen für Kinder bis drei Jahren (+1500 gegenüber 2011) noch einmal 3800 Plätze geschaffen. Und der Ausbau geht weiter: In der vergangenen Woche winkte der Stadtrat auf einen Schlag und einstimmig den Bau von 32 Kitas durch - und damit eine Investition von 100 Millionen Euro.

Auch im Kindergartenbereich nähere man sich bereits der Vollvorsorgung, sagt Strobl. Geld spiele in München nahezu keine Rolle. Und daran dürfte aller Voraussicht nach auch ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus der vergangenen Woche nichts ändern. Das Gericht hatte entschieden, dass kommunale Kitas künftig nicht mehr steuerfrei wirtschaften dürfen. Für die städtischen Münchner Kitas hat dies laut Bildungsreferat wohl keine Folgen - denn die erzielen keine Gewinne, nur ein Fünftel der Kosten kommen durch Elternbeiträge wieder in die Kassen, den Rest trägt die öffentliche Hand.

Bildungsreferent Rainer Schweppe warnte, vor lauter Zahlen und Quoten die Frage der Qualität zu vernachlässigen. Dazu gehört für ihn das Thema Inklusion, also behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam zu betreuen. Dieses hält Schweppe für eines der großen Themen der nächsten Jahre, im vorschulischen wie schulischen Bereich will er dies angehen. Auch die Förderung von Kindern, die vor der Einschulung erst die deutsche Sprache besser lernen müssten, um nicht schon mit Nachteilen in die Schulen einzusteigen, soll stärker in den Fokus genommen werden.

All dies sei nur mit gutem Personal nötig, so Schweppe. Und das ist bekanntlich Mangelware. "Der Markt für Erzieherinnen ist leergefegt", sagt auch Susanne Herrmann. Die Stadt München lässt sich Anwerbeaktionen gerade 2,7 Millionen Euro kosten. Und muss überaus kreativ werden, um die Erzieherinnen mit allerlei Boni wie Zuschlag, günstigem Wohnraum oder guten Beförderungsaussichten ins teure München zu locken. "Wir bauen wie die Weltmeister - und das, was entsteht, muss mit Leben gefüllt werden. Bei den Kindern haben wir da keine Probleme", sagt Rainer Schweppe. Und lächelt.

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