Kinderarmut:"Wir wollten nicht, dass die Kinder ohne Schultüten dastehen"

Stiftung bunte Münchner Schulkindl. Petra Reiter kümmert sich mit anderen Ehrenamtlichen darum, dass bedürftige Kinder ausreichend Schulmaterial haben.

Neu oder gut erhalten: Mittlerweile hat sich ein ganzer Raum voller Schulranzen angesammelt, die auf ihre zukünftigen Träger warten.

(Foto: Florian Peljak)
  • Mehr als 30 000 Kinder in München kommen aus Familien, die von Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe leben.
  • Die Stiftung "Bunte Münchner Kindl" will, dass möglichst alle Kinder beim Start ins Schulleben die gleichen Startbedingungen haben.
  • Bei der Stiftung können bedürftige Familien Schulmaterial bekommen, was sie sich in den Läden nicht leisten können.

Von Melanie Staudinger

Vierhundert Schultüten haben die Helfer in diesem Jahr gepackt. 400 mal Süßigkeiten und andere kleine Geschenke. Damit in Münchner Klassenzimmern keine Erstklässler ohne Zuckertüte sitzen und schon am ersten Tag ihrer Schullaufbahn merken, dass ihre Familien weniger Geld haben als viele andere in der reichen Stadt. "Bis auf acht sind alle weggegangen", sagt Petra Reiter.

Sie ist Vorstandsmitglied der Stiftung "Bunte Münchner Kindl", die die Aktion "Schulmaterial" im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hat. Die 20 Ehrenamtlichen packen aber nicht nur Schultüten. Bedürftige Familien können hier all das bekommen, was sie sich in den Läden nicht leisten können: bei einzelnen Stiften, Blöcken oder Linealen angefangen bis hin zur kompletten Ausstattung für die Schule. Weit über 1000 Kinder haben bisher Schulsachen erhalten.

Jetzt, zu Schulbeginn, ist ganz besonders viel los in den drei Räumen im Werksviertel an der Grafinger Straße. Ordentlich haben die Helfer im ersten Lager ihr eigenes Schreibwarengeschäft eingerichtet: Anspitzer, Blöcke, Hefte, Geodreiecke und Zirkel liegen neben Stiften, Ordnern und bunten Einbänden. In einem anderen Zimmer stehen die Schulranzen in Regalen, entweder sind sie neu oder gut erhalten und von den Helfern eigens für die Kinder gereinigt (was im dritten Raum geschieht). In Schichten kümmern sich zwölf Frauen und vier Männer um die Bestellungen der Münchner Eltern, vier Helfer fahren die Päckchen anschließend aus. Gerade erst mussten Hefte und andere Materialien nachbestellt werden, so groß ist die Nachfrage.

Ihren Ausgangspunkt nahm die Aktion im vergangenen Schuljahr. Damals kamen viele Flüchtlingskinder an Münchner Schulen, auch in die ersten Klassen. "Wir wollten nicht, dass die Kinder ohne Schultüten dastehen", sagt Reiter. Also wurden Zuckertüten und der Inhalt gesammelt. Es zeigte sich aber schnell, dass das alleine nicht ausreichen wird.

Um das Ganze auf professionelle Füße zu stellen, nahm die Frau des Oberbürgermeisters die Idee mit auf in die Stiftung "Bunte Münchner Kindl", der sie ohnehin angehört. Die Initiative wiederum sammelt Geld, mit dem die Schulsachen bezahlt werden - für alle Kinder, die zu wenig Geld haben. "Wir haben mittlerweile ein großes Netzwerk und können die Materialien günstig einkaufen", sagt Reiter.

Unterstützt wird die Aktion vom Münchner Lehrerverband. Der hat in diesen Tagen alle Schulen in der Stadt angeschrieben. Das Verfahren ist einfach und ganz niederschwellig: Die Lehrer füllen für jedes bedürftige Kind eine vorgefertigte Liste auf, die alle möglichen Schulartikel bereits enthält. Die Eltern unterschreiben, die Schule bestätigt mit dem Schulstempel, dass die Familie nicht in der Lage ist, die Artikel selbst zu bezahlen. Ein Hartz-IV-Nachweis oder andere amtliche Schreiben sind nicht notwendig. So sinke die Schwelle für die Eltern, die Hilfe anzunehmen, wie Waltraud Lučić, Vorsitzende des Münchner Lehrerverbands, erklärt.

Zwar bekämen Kinder von Arbeitslosengeld-II- oder Sozialhilfeempfängern oder Asylbewerbern einen Zuschuss von 100 Euro pro Schuljahr aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Im reichen München sind das mehr als 30 000 Kinder. Dieser Betrag reicht aber oftmals nicht aus, wenn man bedenkt, dass ein günstigerer Schulranzen oft schon an die 50 Euro kostet. "Wir wollen, dass alle Kinder am Anfang gut ausgestattet sind", sagt Lučić. Das Geld aus dem Teilhabepaket würden Familie während des Schuljahres noch brauchen - für Kopiergeld, Arbeitsbücher, Lektüren oder zum Nachkaufen vollgeschriebener Hefte.

Dass alle Kinder die gleichen Startbedingungen haben, das ist auch Petra Reiter wichtig. "Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht gar so weit auseinandergehen", sagt sie. Richtiges Schulmaterial in guter Qualität sei die Grundlage für eine erfolgreiche Schulkarriere und damit auch für ein erfolgreiches Arbeitsleben. Damit die Stiftung möglichst vielen Kindern helfen kann, ist sie auf Spenden angewiesen. Wer möchte, kann auch Ranzenpate werden. Es gibt drei Pakete: das Starter-Paket für 50 Euro (nur Arbeitsmaterialien), das Basic-Paket für 150 (Arbeitsmaterialien und Schulranzen) und das Komplett-Paket für 380 Euro. Weitere Informationen im Internet unter schul-aktion.de.

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