Kinder im Star-Wars-Rausch:Im Sog des Sternenkosmos

Sie wünschen sich nichts sehnlicher als ein Laserschwert und fechten damit im Wohnzimmer: Auf viele Kinder übt Star Wars eine ungeheure Anziehungskraft aus. Warum zum Henker? Den Eltern gibt das bisweilen Rätsel auf, doch die Faszination des Krieg-der-Sterne-Imperiums lässt sich einfach erklären.

Barbara Hordych

Kinder im Star-Wars-Rausch: Eine Familie im Star-Wars-Fieber: Sibylle Freyer hat ihre Kinder Luke und Lennox getauft. Luke - nach einem der beiden Geschwister Skywalker aus Star Wars.

Eine Familie im Star-Wars-Fieber: Sibylle Freyer hat ihre Kinder Luke und Lennox getauft. Luke - nach einem der beiden Geschwister Skywalker aus Star Wars.

(Foto: Stephan Rumpf)

Spätestens mit der dringlichen Bitte "Nennt mich Luke!" wurde es offensichtlich: Unser damals neunjähriger Sohn Paul war in eine ferne Galaxie entschwunden. In eine Welt, in der willenlose Kampfdroiden und korrupte Senatspolitiker im Auftrag eines grausamen Imperators gegen mutige Rebellen und edle Jedi-Ritter stritten. In einen Krieg der Sterne, in dem die "helle" und die "dunkle" Seite der "Macht" gegeneinander kämpften.

Von 1977 an setzte der Regisseur George Lucas das Science-Fiction-Epos "Star Wars" bildgewaltig in Szene. Damit gelang ihm ein Coup, mit dem zunächst niemand gerechnet hatte. Lucas' Mitstudenten an der Filmhochschule in Los Angeles reagierten Anfang der 1970er mit Befremden auf sein Vorhaben. Nach der Fertigstellung lief das Weltraum-Märchen zunächst in nur 32 Kinos an. Doch schon nach kurzer Zeit bildeten sich vor den Kinokassen Zuschauerschlangen. Bald zeigten 350 Kinos den scheinbar aussichtslosen Kampf des jungen Jedi-Ritters Luke Skywalker und seiner Freunde Prinzessin Leia und Han-Solo gegen das tyrannische Imperium.

Etwa 20 Jahre später, im Jahr 1999, lösten die sogenannten Prequels "Episode I-III", welche die Vorgeschichte der bis dahin erschienenen Trilogie erzählen, einen regelrechten Star-Wars-Hype aus. Seitdem gelingt es Lucas, den Krieg der Sterne immer wieder erneut ins Bewusstsein zu rücken - zuletzt mit der 3-D-Version von "Episode I", die er Anfang dieses Jahres ins Kino brachte. Begleitet werden die Wiederaufführungen von einer Merchandising-Maschinerie, die Sammelkarten, Comics und Lego-Figürchen hervorbringt, die vor allem bei Jungen im Grundschulalter eine begehrte Währung darstellen. "Es wird getauscht und gesammelt, von der ersten bis zur vierten Klasse", weiß Erzieherin Hemma-Maria Wismeth von der Grundschule an der Kirchenstraße in München.

Unser heute zwölfjähriger Sohn geriet im besten Star-Wars-Alter von sieben Jahren in den Sog des Sternenkosmos. Fortan vervollständigte er mit dicken Folianten sein enzyklopädisches Wissen um das Lucas'sche Universum. Ein Kind, das sich bislang nicht für Ahnenforschung interessiert hatte, konnte plötzlich aus dem Kopf die Familiengeschichte der Hauptakteure zitieren. So war der Vater seines Lieblings Luke Skywalker nicht einfach gestorben, wie er (und Luke) anfangs glaubten. Sondern der stolze Anakin hatte sich von der dunklen Seite der Macht verführen lassen und war als Darth Vader zur rechten Hand des machtgierigen Imperators aufgestiegen. Beider Schreckensherrschaft galt es zu brechen - und so begann ein Kampf, den unser Sohn mit seinen Freunden regelmäßig auf dem heimischen Dachboden ausfocht. Der bot genug Raum und Dunkelheit, um die Lichtschwerter richtig zur Geltung zu bringen. Ihre in der Schule erworbenen Schreibfähigkeiten setzten sie ein, um sich gegenseitig ihre Fortschritte als Padawas, als Lehrlinge in den Kampfkünsten der Jedi-Ritter, zu beurkunden.

Ein mittelalterliches Vorbild

Die bisweilen ausufernde kindliche Star-Wars-Leidenschaft nahm die jüngste Ausgabe des Programmratgebers Flimmo zum Anlass, Eltern Tipps zum Umgang mit dem Kult zu geben. Für Pädagogen ist er längst nicht mehr neu - ebenso wie die Motive, die dahinterstecken. "Bei Star Wars eignen sich die beiden stark polarisierenden Gestalten Luke und Darth Vader dazu, Gut und Böse im Spiel auszutarieren", erklärt Stefanie Krause-Sauerwein, Dozentin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität. Außerdem lernen die Kinder durch Rollenzuweisungen - "Spiel du Luke, ich bin Darth Vader!" - sich sprachlich mit fiktivem Handeln auseinanderzusetzen. Immerhin "eine wichtige Voraussetzung für schulisches Lernen", so Krause-Sauerwein.

Wer als Vater oder Mutter wissen will, was die Kinder derart umtreibt, der kommt nicht umhin, sich vor den Fernseher zu setzen. Dabei begegnet man durchaus bekannten alten Mythen, freilich in neuem Gewand. Zum Beispiel, wenn Vater und Sohn alias Darth Vader und Luke Skywalker gegeneinander antreten und sich erst im Kampf offen zu erkennen geben. Dieses Schicksal teilen sie mit ihren germanischen Vorfahren, den Recken Hildebrand und Hadubrand im "Hildebrandlied": Auch hier erkennen Vater und Sohn einander erst in einem Kampf auf Leben und Tod.

Ehrwürdige Jedi-Meister wie Obi-Wan-Kenobi oder Yoda erinnern mit ihrer Kombination von psychologischer und physiologischer Kampfkunst zudem an japanische Samurai. "Stell deinen Computer ab, stell deine Maschine ab, und mach es selbst, folge deinen Gefühlen", rät Obi-Wans Stimme Luke auf dem Höhepunkt seines letzten Kampfes. Auch der aus zwölf Mitgliedern bestehende Hohe Rat der Jedi, der jahrhundertelang über die Geschicke der Galaxis wacht, hat sein mittelalterliches Vorbild: Mutet er doch an wie König Arthurs "Ritter der Tafelrunde" - auch dies eine friedliche Utopie, die scheitert. Bei Star Wars, auch wenn es vielen Eltern im Vergleich zu alten Sagen sehr neuzeitlich und abgedreht erscheinen kann, sind ganz klassische Muster im Spiel.

Wie es sich für ein anständiges Weltraummärchen gehört, erringt einer der Helden am Schluss die Hand einer echten Prinzessin. Der vormals gewissenlose Raumpirat Han Solo mausert sich im Laufe der Saga zu einem Kämpfer für die gute Sache der Rebellen. Auf diese Weise erobert er das Herz von Prinzessin Leia.

Der amerikanische Professor und Mythenforscher Joseph Campbell sah in Star Wars viel mehr als ein "simples moralisches Rührstück". Es gehe darin "um die Kräfte des Lebens, wie sie durch das Handeln des Menschen entweder verwirklicht oder verletzt und unterdrückt werden", meinte der 1987 verstorbene Gelehrte. In einem mehrteiligen Fernsehinterview zur Kraft von Mythen befragt, erklärte er, George Lucas habe der klassischen Geschichte vom Helden den "neuesten und stärksten Dreh gegeben".

Lukes Heldenreise, sein Kampf gegen die dunklen Mächte, ist übrigens mit einem weiteren neuzeitlichen, höchst angesagten Fantasy-Epos vergleichbar: mit Harry Potters Kampf gegen den bösen Lord Voldemort. Luke wie Harry Potter kehren nach ihren erfolgreich bestandenen Abenteuern mit einem Lohn für ihre Gemeinschaft - Befreiung und Frieden - zurück. "Einer der vielen Unterschiede zwischen dem Prominenten und dem Helden ist der, dass der eine nur für sich lebt, während der andere sich für das Heil der Gesellschaft einsetzt", sagte Campbell einmal in einer seiner Vorlesungen. Insofern kann man sie wohl beruhigt auf große Fahrt gehen lassen, die kleinen Helden.

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