Kellnerin vor Gericht:Unter Dealern

Eine 30-jährige Kellnerin soll über Monate hinweg in Bars und Diskotheken, in denen sie arbeitete, nebenbei einen schwunghaften Handel mit Drogen betrieben haben. Nun steht sie vor Gericht und bestreitet die Vorwürfe.

Christian Rost

Es ist gut möglich, dass Anfang dieses Jahres nach der Festnahme von Anja H. Marihuana im Glockenbachviertel vorübergehend nur schwer erhältlich war. Die Münchner Staatsanwaltschaft zumindest geht davon aus, dass die 30-jährige Kellnerin seit Sommer 2010 über Monate hinweg in Bars, Cafés und Diskotheken, in denen sie arbeitete, nebenbei einen schwunghaften Handel mit Drogen betrieben hat.

Von fünf Kilo Marihuana und mehreren Gramm Kokaingemisch geht die Anklage aus. Ein ehemaliger Lieferant beschuldigt die Angeklagte Anja H. zum Prozessauftakt am Dienstag am Landgericht München I, sogar 21 Kilogramm Marihuana bei ihm geordert zu haben. Die Angeklagte bestreitet das.

Gänzlich leugnet sie nicht, Drogen besessen zu haben. Das wäre auch kaum glaubwürdig: Als die Polizei in ihrer Wohnung am 30. Dezember 2011 zur Durchsuchung anrückte, lag ein Beutel mit 200 Gramm Marihuana in ihrem Kühlschrank. Das Gras habe sie sich zum Eigenkonsum besorgt, beteuert H. vor der neunten Strafkammer. Sie habe lediglich drei Mal zehn Gramm je 100 Euro bei ihrem Bekannten Michel F. gekauft und nochmals 200 Gramm für 1600 Euro.

Auf die Frage des Vorsitzenden Thomas Denz, ob sie bei ihren Jobs in den verschiedenen Lokalen auch mal Gästen auf Wunsch etwas über den Tresen zugeschoben habe, muss Anja J. allerdings einräumen: "Ja, schon." Nach ihrer Festnahme hat die Frau im Polizeiverhör den Namen ihres Bekannten F. genannt, der seine Wohnung am Ostbahnhof holländischen Lieferanten als Zwischenlager zur Verfügung stellte und dort regelmäßig Marihuanalieferungen über je fünf bis sieben Kilo empfing.

Michel F. sagt, dass Anja H. in München seine einzige Kundin gewesen sei. Sie habe regelmäßig zwei Kilo Gras bei ihm geordert, das er mit dem Taxi zu ihrer Wohnung gebracht habe. Der Kilopreis betrug 6000 Euro. Sie habe ihm unterdessen Kokain verkauft, zu 100 Euro je Gramm.

Die Deals musste der 26-Jährige schon teuer bezahlen: Er wurde bereits zu sechs Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Auf die Kellnerin ist er seither nicht gut zu sprechen. Er habe schon eine ziemliche "Wut" auf sie wegen ihrer Aussage bei der Polizei gehabt, räumt er nun im Zeugenstand ein.

Kommt daher auch sein Belastungseifer? Oder war die 30-Jährige tatsächlich als Dealerin schwer aktiv? Fünf bis sechs Jahre Haft stünden bei einer Verurteilung im Raum, warnt Richter Denz die Angeklagte. Doch die bleibt bei ihrer Aussage, dass F. lüge. Niemals habe sie ihm kiloweise Drogen abgenommen, "das ist nicht mein Ding".

Ein Motiv für seine Anschuldigung könnte Rache sein, meint sie, weil sie ihn hingehängt habe. Außerdem habe sie ihn nach einem kurzen sexuellen Verhältnis abserviert, weil sie ohnehin eher Frauen zugetan sei. Sie sagte zu ihm: "Pass auf, das reicht jetzt." Der Prozess dauert an.

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