Türkische Medien:"Darunter leidet das Ansehen der Justiz"

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Journalist Celal Özcan darf nach aktueller Lage nicht zum NSU-Prozess in München.  (Foto: oh)

Keine einzige türkische Zeitung, dafür lokale Radiosender und fünf ARD-Anstalten beim NSU-Prozess: Im Gespräch erklärt "Hürriyet"-Journalist Celal Özcan, warum die Entscheidung des Oberlandesgerichts München für ihn inakzeptabel ist.

Sebastian Gierke

Celal Özcan, Nachrichtenkoordinator der europäischen Ausgabe der größten türkischen Tageszeitung Hürriyet, hat am Montag erfahren, dass seine Zeitung, wie vielen andere tükische Medien, keinen festen Platz im Gerichtssaal während des NSU-Prozesses am Oberlandesgericht in München bekommen wird.

SZ.de: Acht türkischstämmige Mordopfer, aber keine Akkreditierung für türkische Medien. Ist das für Sie verständlich?

Celal Özcan: Ich wollte unbedingt am ersten Tag des Prozesses im April dabei sein und berichten. Wir haben deshalb bereits vor dem Akkreditierungszeitraum immer wieder beim Gericht angerufen und darum gebeten, informiert zu werden. Damit wir auf keinen Fall etwas verpassen. Am ersten Tag des Akkreditierungszeitraums haben wir auch unsere Anmeldung verschickt. Und jetzt heißt es: Die anderen waren früher dran. Das kann schon sein. Aber ich muss ehrlich sagen: Dass die New York Times nicht im Gerichtssaal zugelassen wird, ist merkwürdig genug. Vollkommen inakzeptabel ist es aber, wenn die türkische Berichterstattung unterbunden wird.

Unterstellen Sie dem Gericht, dass es türkische Medien absichtlich nicht zugelassen hat?

Nein. Was ich sagen will, ist: Die Türkei wird auf diesen Prozess schauen, auch die Türken in Deutschland und Europa werden auf diesen Prozess schauen - und wir können nicht aus erster Hand berichten. Das geht nicht.

Wie reagiert die türkische Öffentlichkeit?

Die Medien, aber auch die Menschen in der Türkei, sind sehr enttäuscht über diese Entscheidung. Viele sogar geschockt. Man muss sich nur einmal vorstellen, was passieren würde, wenn die deutsche Presse in einem vergleichbaren Fall in der Türkei nicht zugelassen worden wäre. Da wäre die Hölle los! Unter den zehn von der NSU ermordeten Menschen sind immerhin acht türkischstämmige Bürger.

Was hätte das Gericht denn aus Ihrer Sicht anders machen müssen? Es gibt einfach zu wenige Plätze im Münchner Saal. Und das Auswahlverfahren war doch transparent.

Es gibt aber auch Presseorgane, die mit zwei Vertretern dort sind, es gibt freie Journalisten, die zugelassen wurden, die ARD ist mit fünf Anstalten akkreditiert. Und die türkische Presse ist gar nicht vertreten. Da muss man sich natürlich fragen: Will man damit erreichen, dass dieser Prozess nicht ein so großes Echo im Ausland bekommt, wie es zu erwarten wäre? Fakt ist: Man hätte das anders organisieren müssen. Man hätte zum Beispiel Plätze für die ausländischen Pressevertreter reservieren können.

Dem türkischen Botschafter wurde ein fester Platz verwehrt, jetzt die Akkreditierungs-Entscheidung: Leidet das Ansehen Deutschlands in der Türkei darunter?

Ich glaube nicht, dass das Ansehen Deutschlands leidet, aber das Ansehen der deutschen Justiz, das wird leiden. Aber nicht nur in der Türkei. Das Ansehen wird überall auf der Welt leiden.

Welche Bedeutung hat denn der NSU-Prozess für die Türkei? Und für die in Deutschland lebenden Türken und türkischstämmigen Bürger?

Der Prozess ist sehr wichtig. Die Menschen fühlen sich davon direkt betroffen. Sie wollen die Wahrheit wissen. Sie wollen wissen, was damals passiert ist. Und sie wollen ein Urteil. Das hat auch für das Verhältnis zwischen Deutschen und Türken eine große Bedeutung.

Wie gehen Sie bei der Hürryiet jetzt mit dieser Entscheidung um?

Wir möchten auf jeden Fall bei diesem Prozess vertreten sein! Immer noch. Wir werden das Gericht nochmal darum bitten, dass wir doch noch einen Platz bekommen. Wenn nicht, dann müssen wir prüfen, ob wir vielleicht rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen, nicht im Gerichtssaal dabei sein zu können.

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