Kein Haftbefehl:Neonazi prügelt Äthiopier in der U-Bahn

Ein Äthiopier ist von einem Neonazi in der U-Bahn zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Der Afrikaner erlitt unter anderem einen Nasenbeinbruch. Der Täter, ein Einzelhandelskaufmann, wurde nach der Festnahme wieder auf freien Fuß gesetzt.

Bernd Kastner

Wie die Polizei berichtet, war der 28-jährige Deutsche alkoholisiert (1,36 Promille), als er in der Nacht auf Montag vom Besuch eines Freundes kam und kurz nach Mitternacht am St.-Quirin-Platz einen Zug der U-Bahnlinie 1 in Richtung Georg-Brauchle-Ring bestieg.

Zunächst sang er lautstark deutsch-nationale Lieder. Als an der Station Kolumbusplatz ein 22-jähriger Äthiopier in das U-Bahnabteil zustieg, beleidigte ihn der Deutsche mit rassistischen Ausdrücken wie "Nigger". Der Äthiopier bezeichnete den Deutschen daraufhin als "Nazi". Nach kurzer verbaler Auseinandersetzung wurde der 28-Jährige gewalttätig. Mit der Faust schlug er seinem Opfer mehrmals ins Gesicht, so dass der Afrikaner am Augenlid verletzt wurde. Er trug starke Schwellungen im Gesicht und einen Nasenbeinbruch davon.

U-Bahnfahrer rief die Polizei

Andere Fahrgäste verständigten den U-Bahnfahrer, der daraufhin einen Notruf absetzte, noch während der Zug am Kolumbusplatz stand. Polizisten nahmen den Schläger fest und stellten bei ihm einen MP3-Player sicher, auf dem unter anderem die sogenannte Schulhof-CD der rechtsextremistischen NPD gespeichert ist. Diese CD verteilt die NPD vor Schulen, um für sich zu werben. Der 28-Jährige sei bisher nicht als Neonazi in Erscheinung getreten, es handle sich um einen Einzeltäter ohne Bezug zur hiesigen Szene, so Polizeisprecher Andreas Ruch.

Lediglich eine Bedrohung sei bislang in den Akten vermerkt. Jedoch sprächen sein äußeres Erscheinungsbild und die Lieder auf dem MP3-Player für eine Zugehörigkeit zur rechtsextremistischen Szene. Der ledige Mann stammt aus dem ostdeutschen Schwedt, seit wann er in München lebt, sei noch nicht bekannt.

Nach Feststellung seiner Personalien und einer Blutentnahme wurde er wieder freigelassen. Dies sei bei einer einfachen Körperverletzung üblich, zumal der Täter über einen festen Wohnsitz in München verfüge, so Ruch. Die Frage nach einem Haftbefehl habe sich nicht gestellt. Der 22-jährige ledige Äthiopier, der wie der Täter in Sendling wohnt, musste sich nach der Attacke heftig erbrechen. Er kam zur stationären Behandlung in eine Augenklinik. Das Nasenbein ist an der Wurzel gebrochen. Dafür, so Ruch, "muss man schon viel Gewalt ausüben".

Obwohl München als sicherste deutsche Großstadt gilt, kommt es immer wieder zu fremdenfeindlichen Überfällen. Im April wurden zwei Kongolesen am Hauptbahnhof von rechts orientierten Jugendlichen beleidigt, einem wurde eine volle Bierflasche an den Kopf geworfen. 2004 pöbelten drei Skinheads in einer Tram einen dunkelhäutigen Ausländer an und schlugen dann auf einen Deutschen ein, der sie zur Rede stellte. Der folgenreichste Vorfall geschah 2001: In der Zenettistraße wurde ein Grieche von Neonazis fast zu Tode geprügelt.

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