Katholische Kirche:Die Laien-Leiter

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In einem Modellprojekt werden drei Gemeinden nicht mehr von Pfarrern geführt

Von Jakob Wetzel

So ganz ist die neue Lage noch nicht in den Köpfen angekommen. Schon seit Januar gibt es in Judith Seipels Pfarrverband keinen Pfarrer mehr, und das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Um die priesterlichen Pflichten in den drei Gemeinden kümmert sich stattdessen der Karmelitenpater Ryszard Basta, die Verwaltung führen Seipel, eigentlich Pastoralreferentin, und ein von der Kirche bestellter Verwaltungsleiter. Wie es im Pfarrverband weitergeht, ist im Detail noch offen. Strategische Fragen klären Seipel, ihr Kollege Harald Petersen und der Priester einstweilen zu dritt, das funktioniere gut und kollegial, versichern die drei. Und doch: Wenn eine Entscheidung getroffen sei, erzählt Seipel, komme immer wieder der Impuls auf: "Da müssen wir jetzt noch den Pfarrer fragen."

Seipel ist Pastoralreferentin im Pfarrverband Feldkirchen-Höhenrain-Laus im Südosten von München. Es ist einer von dreien, in denen die katholische Kirche derzeit nach neuen Wegen sucht, indem sie sie einfach beschreitet. In München ist das der Pfarrverband Neuaubing-Westkreuz, hinzu kommen der Verband Geisenhausen bei Landshut sowie eben Seipels Pfarrverband. Sie alle experimentieren mit neuen Leitungsmodellen. Am Montag hat das Erzbistum München und Freising die drei Pilotprojekte vorgestellt.

Es gehe nicht weiter wie bisher, sagt Robert Lappy, Chef der Hauptabteilung Strategie- und Organisationsentwicklung im Erzbischöflichen Ordinariat. Die Zahl der Priester nimmt ebenso ab wie die der Gläubigen. Das Erzbistum aber bleibt groß wie eh und je - und jeder Katholik soll auch künftig einen Seelsorger finden, der Zeit hat, wenn er ihn braucht. Bislang galt unter Erzbischof Reinhard Marx, dass an der Spitze jeder Pfarrei ein Priester als Pfarrer stehen müsse; auch deshalb wurden zunehmend Pfarreien zu Verbänden zusammengelegt und Priester mit Verwaltungsaufgaben überlastet. Jetzt denkt die Kirche um, und der Ansatz ist durchaus radikal: In den Pilotprojekten schafft die Kirche die Funktion des Pfarrers, also des für alles zuständigen, leitenden Priesters, einfach ab.

Ein neues Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung aller Katholiken für ihre Kirche müsse her, sagt Lappy. Das könne auch belebend wirken. Denn dann müssten sich die Ehrenamtlichen fragen, wofür sie sich einsetzen wollen, was Kirche bedeuten soll. Und im besten Fall haben auch die Priester mehr Zeit für die Seelsorge, so wie Ryszard Basta. Er könne nun vor einer Taufe mit den Eltern zusammensitzen und richtige Gespräche führen, sagt er. Die Befugnisse eines Pfarrers vermisse er nicht. Als Ordenspriester sei er es ohnehin gewohnt, im Team zu arbeiten.

Seipel, Petersen und Basta arbeiten nun daran, ihrem Pfarrverband eine konkrete Struktur zu geben; in den anderen Projekten sitzen andere vor derselben Aufgabe. Bis Herbst soll klar sein, wer künftig welche Aufgabe übernehmen soll. Der nächste Schritt soll dann sein, ehrenamtliche Katholiken an den Leitungsaufgaben zu beteiligen. Sie sollten voraussichtlich per Wahl bestimmt werden, heißt es.

In drei Jahren will die Kirche Bilanz ziehen und überlegen, ob sich die neuen Modelle bewährt haben. Vorbild für andere Pfarreien werden sie freilich nur indirekt: Geplant sei keine Revolution im Erzbistum, man wolle nur das Repertoire an Möglichkeiten erweitern, erläutert Weihbischof Wolfgang Bischof, Bischofsvikar für den Süden der Erzdiözese. Entscheidend sei immer die Lage vor Ort. "Besetzungsfragen wird es immer geben", sagt Bischof. Und wenn einmal kein Priester zur Verfügung stehe, man aber auf ein Team zurückgreifen könnte, dann sei man künftig dafür gerüstet.

© SZ vom 08.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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