Dreikönigstag:Unterwegs mit den Sternsingern in Trudering

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In der Pfarrgemeinde St. Augustinus können die Sternsinger fast noch an jeder Tür klingeln. (Foto: Catherina Hess)

Für viele Pfarreien ist es schwer, Sternsinger zu finden. Die Kinder selbst werden nicht immer freundlich empfangen.

Von Julia Haas

Die Heiligen Drei Könige rascheln wie Müllsäcke im Wind. Über ihren langen Gewändern tragen sie durchsichtige Regenponchos, die sich mächtig aufblähen. Es stürmt an diesem Mittwoch in Trudering. Doch die Sternsinger der Pfarrgemeinde St. Augustinus sind trotzdem unterwegs. An drei Tagen gehen sie dieses Jahr durch die Straßen, um für Kinder in Not zu sammeln.

Einer trägt einen Holzstern, einer die Spendenbüchse, einer das Weihrauchfass. Das qualmt heute allerdings nicht, "bei Regen und Wind würde es ständig ausgehen", sagt Gruppenleiter Sebastian von Arx. Er ist 18, studiert Pharmaziewissenschaften. Kein Grund für ihn aber, mit dem Sternsingen aufzuhören. Er hat sogar eine Gitarre dabei, um seine drei jungen Begleiterinnen Patricia Schwarzer, Garance Baehrel und Sophie Schmidt musikalisch zu unterstützen. Die Akkorde hat er zu Hause geübt, das Lied wird er heute mindestens 50 Mal spielen: "Stern über Betlehem, zeig uns den Weg, führ uns zur Krippe hin, zeig, wo sie steht."

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:Der jahrhundertealte Brauch des Sternsingens

Schon seit dem 16. Jahrhundert sind Sternsinger unterwegs und sammeln Geld. Früher wurde es im Wirtshaus versoffen, heute geht es an Hilfsprojekte.

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Die Sternsingergruppe ist an diesem Nachmittag für sechs Straßen zuständig, sie arbeitet sich von Klingel zu Klingel. Eine Frau öffnet, Hausschuhe, Leggings, rosa Kuschelpullover. Arx sagt seinen Spruch auf: "Wir sind die Sternsinger von St. Augustinus, wir würden ein Lied singen und dann hoffen wir auf eine kleine Spende für Kinder in Not."

Die Sternsinger hören Ausreden wie: "Wir sind gerade duschen"

Sobald die vier zu singen beginnen, wippt die Frau schon im Takt mit. "Das kommt eher selten vor", sagt Sophie. Sie ist in der achten Klasse und schon zum dritten Mal bei den Sternsingern dabei. "Heute morgen hat eine Frau dafür mitgesungen, das war auch toll." So enthusiastisch reagieren nicht alle. Die Sternsinger klingeln. Ihre bunten Kopftücher flattern im Wind. Sie warten. Viele Leute öffnen nicht, obwohl Licht in der Wohnung brennt. Ein Mann sagt über die Gegensprechanlage: "Danke. Kein Interesse." Arx verdreht die Augen. Immer noch besser als die Ausreden, die er oft hört. "Wir sind gerade duschen", zum Beispiel.

Aufmachen und dann die Tür wortlos wieder zuwerfen, sei auch schon vorgekommen. Die Sternsinger können nur raten, warum manche so abweisend sind. "Viele wollen vielleicht einfach nicht spenden", vermutet Garance. Arx glaubt, dass einige einfach nichts von der Kirche halten. "Die denken, das Geld geht an die Kirche, schmeißen 50 Cent in den Spendentopf und geben uns persönlich zehn Euro zum Teilen." Die vier werfen das Geld dann in die Büchse.

Spickzettel hinter dem Stern. (Foto: Catherina Hess)

Dieses Jahr sammeln sie unter dem Motto "Segen bringen - Segen sein. Gemeinsam gegen Kinderarbeit - in Indien und weltweit." Viele Menschen spenden und fragen danach erst, wofür. So auch die tanzende Frau im Kuschelpulli, sie war früher Stewardess bei Air India: "Dort ist das Geld gut aufgehoben", sagt sie.

Nächste Tür. Sophie hat ihre Handschuhe wieder angezogen, Patricia versteckt ihr Gesicht in der Jacke, langsam wird es kalt. Ein junger Mann öffnet. Auch er spendet, einen Türsegen braucht er aber nicht. "Wir sind keine Christen", sagt er. Nächste Tür. Die Dame hat schon auf die Heiligen Drei Könige gewartet. Ihre Nachbarin würde sich sicher auch freuen, leider sei sie schwerhörig und die Türglocke zu leise. "Ich rufe sie schnell an, das hört sie fast immer", sagt sie und huscht davon. Zwei Minuten später geht gegenüber tatsächlich die Tür auf.

In der Pfarrgemeinde St. Augustinus können die Sternsinger fast noch an jeder Tür klingeln. Sechs Gruppen mit drei oder vier Kindern bekommen sie jeden Tag zusammen. Die Älteren haben nicht aufgehört, auch wenn sie mittlerweile studieren oder sogar schon ihren Doktor machen. Im Alter von acht bis 25 ist alles dabei. Die volljährigen Sternsinger wollen abends sogar noch einmal losziehen, wenn sie ihr selbst gestecktes Tagesziel nicht erreicht haben. 3000 Euro sollen es werden. Insgesamt wollen sie mit ihren Spenden die 10 000-Euro-Marke knacken. Leider hat ihnen der stürmische Vormittag einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Von so einer Begeisterung kann Pastoralreferent Andreas Schmid von der Pfarrei Heilig Blut in Bogenhausen nur träumen. Er konnte für Freitag ganze vier Sternsinger zusammentrommeln. "Bei uns ist keiner, die sind alle im Skiurlaub in Kitzbühel." So kann er nur die Anwohner besuchen, die sich vorher für die Heiligen drei Könige eingetragen haben. "Um das ganze Pfarrgebiet abzudecken, bräuchte ich mindestens fünf Gruppen." In seiner Pfarrei spüre er einen klaren Wandel. Im Erzbistum München und Freising insgesamt ist die Tradition der Sternsinger aber nicht gefährdet, im Gegenteil. 2014 machten insgesamt 609 Gruppen mit, 2017 waren es 646.

Sebastian von Arx begleitet seine Sternsinger Garance Baehrel, Sophie Schmidt und Patricia Schwarzer auf der Gitarre (v.l.). (Foto: Catherina Hess)

Verändert hat sich in den vergangenen Jahren aber das Aussehen, zumindest bei manchen Gruppen. Gemäß dem Brauch wird einer der Heiligen Drei Könige mit dunkler Farbe angemalt. Auch Arx hat sich das Gesicht geschwärzt, "das gehört dazu, das ist Tradition." Andere aber finden das nicht mehr zeitgemäß. Ob sie die Tradition beibehalten oder die schwarze Schminke im Gesicht ablehnen, darf jede Gruppe für sich entscheiden. "Wir sind da ganz locker", sagt Claudia Hoffmann vom Erzbischöflichen Jugendamt. "Es ist kein Muss, aber auch nicht verboten."

Gegen 17 Uhr geht die heutige Sternsingertour in Trudering dem Ende zu, die Füße und Finger sind langsam klamm. Bei den letzten Häusern fragen gleich zwei Familien nach der Bescheinigung von der Pfarrgemeinde. Im Radio sei vor falschen Sternsingern gewarnt worden. Die Gruppe von St. Augustinus hat die Bestätigung und darf ihr Lied singen. Von den Betrügern haben auch sie schon öfter gehört.

"Eine Frau wollte uns einmal nichts spenden, weil vorher schon zwei Gruppen mit falschen Sternsingern da waren und Geld kassiert haben", erzählt Sophie. Der Münchner Polizei ist bisher noch kein Fall gemeldet worden, aber wachsam solle man trotzdem sein. "Falsche Handwerker, falsche Polizeibeamte - Täter können viele Kostüme verwenden, um in fremde Wohnungen zu gelangen", sagt eine Sprecher.

Die Sternsinger von St. Augustinus sind froh, dass sie ihre Ministrantengewänder und Kopfbedeckungen endlich ablegen können. Zurück im Pfarrheim gibt es für alle erst mal Kinderpunsch, während Gruppenleiter von Arx einen ersten Kassensturz für seine Gruppe macht: 317,20 Euro. Vom Vormittag kommen noch einmal knapp 100 Euro dazu. Ganz okay, findet er. Er freut sich auf den nächsten Tag, auch wenn das Wetter bescheiden bleibt. Das Weihrauchfass sollten sie sowieso lieber aus lassen. In den vergangenen Tagen haben andere Sternsinger damit in Wohnungen schon ein paar neuinstallierte Rauchmelder ausgelöst.

Dieser Text ist am 5. Januar 2018 in der Süddeutschen Zeitung erschienen.

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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