Karlsruhe:BGH verhandelt über Klage eines Gautinger Arztes gegen eine Flüchtlingsunterkunft

  • Seit Jahren streitet sich ein Gautinger Arzt mit einer Grundstücksgesellschaft, die neben seiner Arztpraxis eine Flüchtlingsunterkunft einrichten möchte.
  • Der Fall liegt nun beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
  • Wegen einer alten Teilungserklärung für das Gebäude geht es um die Frage, ob in einer Flüchtlingsunterkunft wirklich gewohnt wird.

Aus dem Gericht von Wolfgang Janisch

Der Streit währt nun schon drei Jahre, und an diesem Freitag, als die Sache endlich vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt wurde, merkte man: Die Fronten sind verhärtet. Eine Grundstücksgesellschaft möchte neben der Arztpraxis eines Kardiologen in Gauting ein Flüchtlingsheim einrichten, was dieser zu verhindern sucht.

Fragt man den Geschäftsführer der Firma, dann bekommt man zu hören, der Arzt wolle seine inzwischen leer stehende Praxis doch nur möglichst teuer verkaufen - da seien Flüchtlinge nebenan unerwünscht. Auch der Mediziner meint, dem Kontrahenten gehe es um die größtmöglichen Gewinn. Vermutlich wolle er 100 bis 120 Menschen in die Räume "hineinpferchen" - und nicht etwa nur 34 unbegleitete Minderjährige, wie behauptet.

Der BGH indes wird sich nicht damit befassen, wer die größeren Dollarzeichen in den Augen hat, sondern allein mit einer - allerdings anspruchsvollen - juristischen Frage. Die Praxis und das geplante Heim sind nämlich - als geteiltes Eigentum - in einem mehr als hundert Jahre alten Gebäude, in dem einst ein Kinderheim war. In den Siebzigerjahren wurden die Räume in eine Arztpraxis und ein Altenpflegeheim geteilt. Entscheidend ist daher der Wortlaut der damaligen Teilungserklärung. Und dort steht, dass die Räume "nicht zu Wohnzwecken" dienen.

Die Schlüsselfrage des Prozesses lautet also: "Wohnen" Flüchtlinge eigentlich in diesen Heimen? Oder dient die Heimunterbringung keinem "Wohnzweck" - mit der Folge, dass der Mediziner sie gemäß der damaligen Teilungserklärung dulden müsste? Das klingt kurioser als es ist. Schon rein menschlich fragt man sich, ob Flüchtlinge, wenn sie im Heim sind, wirklich schon irgendwo angekommen sind, wo sie "wohnen". Oder ob sie sich nicht doch eher in einem notfallartigen Übergangsstadium befinden, angewiesen auf Hilfe und Betreuung.

Juristisch jedenfalls, das deutete die Senatsvorsitzende Christina Stresemann an, will der BGH den Unterschied zwischen Wohnen und Nicht-Wohnen in diesem Verfahren grundsätzlich definieren - weil es für die Nutzung von Teileigentum sehr entscheidend ist, in welche dieser beiden Schubladen eine geplante Nutzung einer Immobilie gehört. Wenn eine Einrichtung eine gewisse Größe sowie einen erheblichen Aufwand an Betreuung und Organisation erfordert, dann könnte dies eher für ein Heim sprechen.

Der BGH wird sein Urteil am 27. Oktober verkünden. Das Amtsgericht Starnberg hatte das Heim übrigens untersagt - mit einer bemerkenswerten Formulierung: Es dürfe keine Unterkunft für "Arbeiter, Asylbewerber, Flüchtlinge oder sonstige in den Raum München Zugezogene oder gestrandete Personen" betrieben werden.

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