Autofreie Innenstadt:Bitte nicht röhren

Fußgängerzone in München, 2011

Sie könnte bald erweitert werden: die Fußgängerzone in der Altstadt.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Münchner Altstadt könnte doch noch autofrei werden: Der Freistaat will untersuchen lassen, was eine Sperrung für die Luftqualität bedeuten würde.
  • Stadtbaurätin Elisabeth Merk würde das entgegenkommen - sie hält Autos im Altstadtkern für überflüssig.
  • Falls die Auto-Bann tatsächlich kommt, ist jedoch mit vielen Ausnahmen zu rechnen.

Von Dominik Hutter

Zona Traffico Limitato nennt sich das Ganze in Italien, die Zentren von Florenz oder Mailand fallen ebenso darunter wie das Gassengewirr rund um die Piazza Navona in Rom. Wo einst die Vespas durchknatterten, ist nur noch das Klackern der Passanten oder das Raunen aus den Trattorien zu hören.

Auch München hatte schon einmal eine autofreie Altstadt: im Juli 2008, als der 850. Stadtgeburtstag mit einer riesigen Straßenparty begangen wurde. Damals war für ein Wochenende nicht nur der Altstadtring gesperrt. Das ganze historische Zentrum wurde von Autos geräumt, die Fußgänger konnten auf der gesamten Straßenbreite flanieren. Schön war das, fanden damals viele. Und es flammte die Debatte auf, ob ein autofreies Zentrum nicht auch abseits aller Jubiläumsfeierlichkeiten wünschenswert wäre.

Stadtbaurätin Merk wünscht sich Bürgerentscheid

Im Stadtrat gab es allerdings nie eine Mehrheit für einen Auto-Bann, auch das schwarz-rote Rathausbündnis hat ihn nicht auf der Agenda. Nun könnte er durch die Hintertür kommen: Der Freistaat will zumindest untersuchen lassen, was eine Sperrung der Altstadt für die Luftqualität bedeuten würde. Das ist noch längst keine Entscheidung für eine Mega-Fußgängerzone. Aber es passt zu den Vorstellungen von Stadtbaurätin Elisabeth Merk, die Autos im Altstadtkern generell für ziemlich überflüssig und störend hält. Anwohner und Lieferanten sollten jedoch weiterhin einfahren dürfen, findet die Planungsexpertin. Denkbar seien auch Ausnahmen für Hotelgäste oder Elektro- und Carsharing-Autos.

Es gehe nicht darum, die Autos kategorisch zu verbannen, sagt Merk. Sie ist aber der Meinung, dass die Münchner Altstadt an einer Zeitenwende steht und eine Debatte überfällig ist. "Wie in den Sechziger-, Siebzigerjahren stehen wir jetzt vor der Frage: Wie wollen wir die Innenstadt weiterentwickeln?" Merk würde dabei am liebsten die Münchner per Bürgergutachten einbeziehen. "Ich setze darauf, dass die Bürger uns vernünftige Ideen mitgeben", sagt sie. Eine solche Entscheidung muss allerdings der Stadtrat treffen.

Münchner Wirtschaft stellt sich gegen die Pläne

Die Münchner Wirtschaft läuft bereits Sturm gegen rigorose Sperrungen. Die Geschäfte müssten weiterhin per Auto erreichbar sein, mahnen die Ladenbesitzer. Tatsächlich gilt es einiges zu bedenken, bevor Verbotsschilder aufgestellt werden, selbst wenn - wie auch in der Zona Traffico Limitato - der Lieferverkehr und die Anwohner weiterhin einfahren dürfen: Was passiert mit den Parkhäusern innerhalb des Altstadtrings und sind die verbleibenden überhaupt in der Lage, den Andrang aufzunehmen? Dürfen die Anwohner weiterhin am Straßenrand parken, oder wäre es genau der Reiz, diesen autofrei zu bekommen? Und was passiert mit Behinderten, die in der Altstadt zum Arzt müssen, oder Kunden, die mal eben ein Sofa abholen wollen? Falls Straßen nicht nur gesperrt, sondern auch zu Fußgängerzonen umgebaut werden, muss man zudem überlegen, wie die Anwohner ihre Garagen noch anfahren können.

Kompromisse sind denkbar

In Sachen Parkhäuser dürfte sich in der Altstadt ohnehin einiges verändern: 2016 läuft der Vertrag mit dem Betreiber des Parkhauses am Färbergraben aus. Die Stelle gilt seit Langem als städtebaulich reparaturbedürftig. Gut möglich, dass der unansehnliche Betonbau dann einfach abgerissen wird. Voraussichtlich noch in diesem Jahr könnte zudem der Bau einer neuen Tiefgarage unter dem Thomas-Wimmer-Ring beginnen - eine Planung, die eigentlich sehr gut zu einer autofreien Altstadt passen würde. Denn ist dieses Bauwerk erst einmal fertig, das ist bereits beschlossen, fällt die alte Fina-Garage am Hofbräuhaus.

Auch die Regierung von Oberbayern, die die Untersuchung einer autofreien Altstadt in den Luftreinhalteplan aufnehmen will, hat diesen Begriff nicht näher definiert. Herauskommen könnten natürlich auch kleinere Vorstufen: die Abschaffung sämtlicher Laternenparkplätze etwa. Oder die Vergrößerung der bestehenden Fußgängerzone, die aber nicht flächendeckend ausfällt. Dass bald die gesamte Sendlinger Straße zum Fußgängerbereich erklärt wird, soll demnächst im Rathaus beschlossen werden. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat auch das Tal als nächsten Kandidaten bereits ins Gespräch gebracht. Nachteil: Die Straße wurde erst kürzlich für mehrere Millionen Euro umgebaut. So gut wie beschlossen ist bereits, den Marienplatz komplett zu sperren.

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