Kaffeehaus-Kultur:"Ein Vollautomat macht keinen Espresso"

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Barista Thomas Leeb lebt für die Bohne - und beklagt den Niedergang der Kaffeehaus-Kultur.

Christina Warta

Der Cappuccino in der dickwandigen weißen Tasse mit dem feinen Goldrand trägt eine weiche Schaumhaube mit einem zarten, kaffeebraunen Muster darauf. "Normal sieht das noch ein bisschen hübscher aus", sagt Thomas Leeb entschuldigend, "aber jetzt ist gerade wenig Zeit." Es ist spät am Nachmittag, und in Leebs Kaffeehaus sind fast alle Stühle besetzt. Ein Gast liest Zeitung und trinkt Espresso, am Tisch daneben sitzen drei junge Frauen beim Cappuccino. Am hintersten Tisch unterhalten sich drei Italiener - natürlich ebenfalls beim Espresso. "Bestellungen auf Kuchen, Torten, Sahne und Dessertplatten werden bestens ausgeführt", verkündet ein betagtes, silbergraues Schild an der Theke.

"Kaffeetrinken bedeutet Kommunikation" - der Kaffeespezialist Thomas Leeb glaubt an die Rückkehr der Kaffeehäuser. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

In Thomas Leebs Laden sitzt man als Besucher im Grunde in einem Museum mit wechselnden Ausstellungen. Überall stehen Kaffeemaschinen, die hundert Jahre alt sind und noch älter, auf dem Boden ein gusseiserner Röster, die Wände zieren Werbeplakate, die die Vorzüge von Kaffee beschwören. Leeb hat unzählbar viele Dinge gesammelt, die meisten davon ruhen in einem Lager. Alle paar Monate tauscht er die Dekoration aus. Tische, Stühle, die Espressomaschine auf dem Bartresen: Alles ist original, vieles stammt aus den Fünfzigern, manches wirkt orientalisch. Anderes dagegen ist ganz neu - denn eigentlich ist Thomas Leebs Laden "Kaffee, Espresso und Barista" an der Ecke Schlör- und Schulstraße in der Nähe des Rotkreuzplatzes ein Geschäft für Kaffeemaschinen, -mühlen, -bohnen und vieles mehr.

Seit acht Jahren beschäftigt sich Leeb, der einst Psychologie und Philosophie studierte und sein Studium als Wirt der Kneipe Frundsberg finanzierte, ausschließlich mit Kaffee: Er vertreibt Maschinen, gibt Seminare, berät Firmen und organisiert Messen. Nun hat er außerdem ein Buch darüber geschrieben (Kaffee - das magische Elixier, erschienen beim Bucher-Verlag), und er betreibt eine Art kleines Kaffeehaus. Der Kaffee und all seine Begleiterscheinungen sind das Thema von Thomas Leeb.

Zum Beispiel das Verschwinden der klassischen Kaffeehäuser. Längst haben sich die Filialen der amerikanischen Ketten auch in München vermehrt wie Pilze in einem feuchtwarmen Sommer, allein die beiden größten Unternehmen betreiben rund 25 Filialen in München. "Dabei widersprechen sich Kaffee und to-go-Prinzip", sagt Thomas Leeb. "Kaffeetrinken bedeutet Kommunikation. Aber in Coffee-Shops ist der Kunde nur ein Kunde - und kein Gast." Dabei stand ausgerechnet in München einst das größte Kaffeehaus Europas: Das Café Luitpold, 1888 eröffnet, war ein verschwenderisch dekorierter Prachtbau mit Sälen, in denen sich die Münchner nicht nur zum Kaffeetrinken und Plaudern, sondern auch zu edlen Speisen und zum Billardspiel trafen. 1944, im Zweiten Weltkrieg, wurde das prunkvolle Gebäude schließlich zerstört, heute steht an dieser Stelle der Luitpoldblock. Viel, so findet Thomas Leeb, sei von dieser großen Kaffeehaus-Tradition nicht geblieben. "Im Grunde gibt es kein richtiges Kaffeehaus mehr in München", sagt er.

Doch das ist nicht das einzige Thema, worüber man sich mit dem Kaffeespezialisten unterhalten kann. Ohnehin mäandert ein Gespräch mit Leeb dahin wie ein breiter Fluss. Es verweilt hier ein bisschen und dort, fließt und plätschert und landet schließlich bei gesellschaftspolitischen Fragen. "Ich denke", sagt Thomas Leeb, "dass wir nach einer Zeit der Sprachlosigkeit, in der alle vor ihren Fernsehern saßen, vor Veränderungen stehen. Auf die Dauer hat der Mensch das Bedürfnis, zu kommunizieren."

Neun Bar, 92 Grad

Und Kaffee gehört dazu - natürlich möglichst perfekt zubereitet. "Der Anspruch der Menschen an die Qualität steigt", sagt Leeb, neuerdings interessierten sich viele dafür, wo die Pflanzen angebaut werden, wie sie geröstet werden, und wie man die Bohnen zu Kaffee verarbeitet. Experten wie Leeb variieren die Wassertemperatur an ihrer Espressomaschine je nach Mischung, ambitionierte Trinker verlassen sich auf klassische 92 Grad Celsius und rund neun Bar Druck auf den sieben bis acht Gramm Kaffeemehl. "Um Espresso herzustellen, muss man das Wasser vergewaltigen. Erst dann entsteht diese Emulsion, die einen guten Espresso ausmacht", sagt Leeb - und wettert über Vollautomaten: "Die armen Verbraucher glauben der Werbung, dass aus den Vollautomaten Espresso kommt. Das ist nicht der Fall."

Längst ist es draußen dunkel geworden. In Leebs kleiner Kaffeebar treffen sich nun Pärchen nach der Arbeit, andere kaufen noch etwas Gebäck, Arbeitskollegen nehmen gemeinsam einen Kaffee, bevor sie nach Hause gehen. Und auch ein Restaurator, der sich um ein paar von Leebs historischen Sammelstücke kümmern soll, wartet. "Nehmen Sie'n Kaffee", sagt Leeb und hüllt sich noch einmal in Rauch.

© SZ vom 19.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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