Kabarett:Vier Novizen finden einen Autor

Nach nur einem Jahr war das Quartett von "Schöner Denken" heillos zerstritten - jetzt hat die Lach- und Schießgesellschaft ein neues Ensemble, und das 45. Programm steht auch schon fest.

Von Thomas Becker

So märchenhaft schön es begonnen hatte, so grausam war das Ende: Nach drei ensemblelosen Jahren war "Schöner Denken" im Juni 2002 das 44.Programm der Lach- und Schießgesellschaft seit 1956 - das erste und letzte des Quartetts Holger Paetz, Viola von der Burg, Michael Altinger und Uli Bauer. Nach einem Jahr war das Experiment gescheitert, alle Beteiligten heillos zerstritten: Es ging um Geld, die Verwertung von Rechten und den Teufelskreis künstlerische Freiheit versus Mitspracherecht des Geschäftsführers. Chef-Autor Paetz wunderte sich über die neuen Geschäftsbedingungen: "Nach einem erfolgreichen Programm muss man seine Leute doch loben." Eine verfahrene Situation, Mit-Gesellschafter Bruno Jonas sagt: "Es ging halt nicht, die Vorstellungen haben nicht zusammengepasst." Die Trauer dauerte nicht lange: Die neue Truppe steht, Premiere ist am 5.April - in Hamburg. Gespielt wird "Jenseits von Oz", eine sehr freie Interpretation des Märchens.

Und das kam so: Nach den Querelen der Trennung stand für Geschäftsführer Till Hoffmann fest, dass es wieder ein Ensemble geben wird: "Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt. Das macht den Reiz aus. ,Watzmann', die Occams oder ,Siegfried' im Lustspielhaus - das ist doch die Würze. Was soll ich denn sonst mit dem Haus? Nur Gastspiele? Das ist nicht unser Anspruch." Der kreative Kopf für die neue Mannschaft war schnell gefunden: Michael Ehnert, Jahrgang 67, der mit Kristian Bader (der "Caveman" aus den USA importiert und übersetzt hat) vor 13 Jahren in Hamburg das mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnete "Bader-Ehnert-Kommando" gegründet hatte. Auf den ausgebildeten Schauspieler (Residenztheater München, Auf Kampnagel, Hamburg) hält Hoffmann große Stücke: "Der spielt politisches Kabarett, aber ganz anders: keine Nummern, ein richtiges Stück - eine neue Form für die Lach- und Schieß."

Die vier Neuen sollten also aus der Abteilung Schauspiel stammen. Gute Kabarettisten, die mit ihren Solo-Touren nicht gut verdienen und total scharf auf ein Ensemble-Leben sind, gab es sowieso nicht. Hoffmann: "Wir wollten junge Leute, die heiß sind und nur Lach- und Schieß machen wollen, wollten nicht mehr abhängig sein von irgendwelchen Brauerei-Veranstaltungen mit grottenschlechtem Promi-Derblecken" - noch ein Hieb gegen die Nockherberg-Fraktion um Paetz und Bauer. Mit Ehnert und dem Kabarettisten Matthias Deutschmann gab es ein paar Denk-Runden, dann rückten im Oktober 20 Künstler zum Vorspielen an. Vier sind übrig geblieben: drei Rampensäue und ein eher introvertierter Typ, sagt Hoffmann.

Eine Frau ist dabei: Sonja Kling, 32, Kölnerin, Schauspielausbildung, singt, steppt, tanzt, TV-Erfahrung ("Switch"), eigenes einstündiges Kabarett-Comedy-Programm. Aus Berlin kommt auf Empfehlung von Kurt Weinzierl der Münchner Michael Morgenstern, ebenfalls 32, zuletzt an der Landesbühne Mecklenburg und in einigen TV-Produktionen (Titelrolle in "Napoleon") zu sehen. Den ruhigeren Part gibt der Enddreißiger Thomas Wenke, gebürtiger Hamburger, auch Schauspieler und zuletzt vor allem als Synchronsprecher unterwegs. Ecco Meineke ist der Vierte im Bunde - Münchens Multitalent muss man nun wirklich nicht mehr vorstellen.

Vier Kabarett-Novizen und ein Autor, der vergangenes Jahr mit seinem Programm für das Düsseldorfer Kommödchen sein Regiedebüt gab - klingt spannend. Michael Ehnert freut sich auf die "wahnsinnige Spielfreude" der Truppe und auf den Kosmos Lach- und Schieß: "Ich muss keinem Stil hinterherarbeiten. Es gibt keine Ansatzpunkte, nur viele Freiheiten." Die wird er weidlich nutzen: Das Märchen vom Zauberer von Oz sieht er als groben Rahmen: "Das Publikum und wir starten mit dem selben Vokabular, doch dann kommen absurde Komponenten hinzu, entwickelt sich so einiges. Bösartiges vor allem." Im "Oz", seinem alten Lieblingsfilm, sieht er archetypische, märchenhafte Figuren, die sich zum Transport auch politischer Inhalte wesentlich besser eignen als die immergleichen Herren Kohl und Schröder.

Die Premiere landete an den Hamburger Kammerspielen, da der "Laden" in Schwabing ausgebucht war. Bis Mitte Juni tourt das Ensemble durchs Land, spielt dann bis Mitte August im eigenen Haus, zieht danach bis Mitte Dezember weiter. "Und im nächsten Jahr gibt's was Neues ", sagt Till Hoffmann. Wie Dieter Hildebrand freut er sich, dass es weitergeht, und Bruno Jonas, der Ehnert lobt, sagt: "Das Kabarett wird in der Lach- und Schieß auch weiterhin stark sein - ob als Nummernfolge oder als Stück: Die Form ist mir wurscht. Das Programm muss gut sein."

(7./8.Dezember im Lustspielhaus: das Bader-Ehnert-Kommando mit "Der Weihnachtshasser", sehr frei nach Dickens.)

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