Justizvollzugsanstalt Stadelheim:Gewalt hinter Gittern

Drogen und Drohungen: Ein Häftling steht wegen der Misshandlung eines Zelleninsassen vor Gericht - und gewährt dem Richter erschreckende Einblicke in den Knast-Alltag.

Christian Rost

Tonda S. malt die Vorkommnisse in einer Zelle der Justizvollzugsanstalt Stadelheim zwar in einem sehr milden Licht - dass er einen Mitgefangenen gequält hat, streitet er aber gar nicht ab. "Ich hab' ihm weh getan und mich dafür entschuldigt", sagt S., ein tätowiertes Muskelpaket, im Saal 277 des Münchner Landgerichts.

Justizvollzugsanstalt Stadelheim: Ein Gefangener in seiner Arrestzelle in Stadelheim: "Die Handys sind ein Problem, das Rauschgift haben wir im Griff", sagt Direktor Michael Stumpf.

Ein Gefangener in seiner Arrestzelle in Stadelheim: "Die Handys sind ein Problem, das Rauschgift haben wir im Griff", sagt Direktor Michael Stumpf.

(Foto: region.lks)

Wegen Erpressung, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung muss sich der 35-Jährige seit Montag vor der 8. Strafkammer verantworten. Wohl weil dem vielfach vorbestraften Mann am Ende dieses Verfahrens sonst die Sicherungsverwahrung droht, gibt er sich so auskunftsfreudig - auch über den Knastalltag berichtet er munter.

Und da staunt nicht nur der Vorsitzende Richter Gilbert Wolf darüber, dass die Häftlinge in der JVA offenbar schwunghaft mit Mobiltelefonen und Rauschgift handeln.

Der Staatsanwalt wirft dem staatenlosen S. vor, Ende Juli 2008 in der Untersuchungshaft einen seiner zwei Mitinsassen brutal erniedrigt und bedroht zu haben. Demnach ließ er sich von dem 28-Jährigen, der ihm körperlich klar unterlegen ist, in einem Fall zwei Stunden lang die Zelle putzen. Anschließend drückte er dessen Kopf in die Toilettenschüssel, weil er mit dem Ergebnis der Komplettreinigung nicht zufrieden war.

Auch Misshandlungen mit einer brennenden Zigarette hat es gegeben, was Tonda S. "Gitarre spielen" oder "Fahrrad fahren" nennt, je nachdem, ob das Opfer unter Schmerzen versucht, sich die Glut von der Hand zu wedeln oder vom Fuß zu strampeln. Und schließlich soll S. noch versucht haben, dem Mitinsassen 600 Euro abzupressen. Er habe jederzeit die Möglichkeit, über Dritte auf die vier Kinder und auf die Frau des Mannes zuzugreifen, so die angebliche Drohung.

Die 29-jährige Frau bekam tatsächlich einen eindeutigen Anruf, wie sie im Zeugenstand schildert. Wer ihr da am Telefon geraten hat, lieber nicht vor Gericht auszusagen, weil sie sonst Probleme bekomme, lässt sich aber nicht mehr klären - die Zeugin ist noch sichtlich eingeschüchtert und muss ihre Aussage zweimal korrigieren.

Was die Anklage da anführe, sei doch ganz anders und "alles nur Spaß" gewesen, in der Zelle habe "Friede, Freude, Eierkuchen" geherrscht, sagt S. Vielleicht ist ihm sogar bewusst, dass diese Redewendung nur eine scheinbar friedlich-sorglose Fassade beschreibt.

Sie passt jedenfalls gut zu dem, was S. sonst so über die Haftbedingungen in Stadelheim zu erzählen weiß. Die sind, so stellt es der Angeklagte bereitwillig dar, für schwere Jungs gar nicht so übel.

So hat S. selbst mehrfach in seiner Zelle Drogen konsumiert - Haschisch oder das starke Schmerzmittel Subutex. Die Drogen habe er "von den Jungs aus dem ersten Stock" erhalten, die würden einfach "von Zelle zu Zelle weitergependelt". Auch ein Mobiltelefon hatte S. in der U-Haft zur Verfügung. "Es sind genügend Handys im Haus", versichert der Angeklagte dem Richter, der trocken feststellt, in diesem Prozess "viel über die Zustände in Stadelheim zu lernen".

Die Kammer erfährt auch noch, wie die Handys und Drogen ins Gefängnis gelangen. "Nun", hebt Tonda S. zum Finale seiner Erklärung an, "die Gefangenen kennen einen Beamten aus der JVA und wissen, wo der wohnt". Dann würden die Sachen von irgendwelchen Leuten einfach in der Stoßstange des Autos versteckt und wieder rausgenommen, wenn sich der Wagen auf dem JVA-Gelände befinde. Während die Beschaffung des Materials also relativ gut zu handhaben ist, gestaltet sich der Betrieb der Handys in der Haft schon problematischer: "Das Aufladen ist schwierig", berichtet S., denn das Justizpersonal solle davon ja möglichst nichts mitbekommen.

Künftig wird man in der JVA aber überhaupt nicht mehr telefonieren können, so Stadelheim-Direktor Michael Stumpf auf SZ-Anfrage. Handys im Knast sind nämlich tatsächlich ein Problem. Häftlinge lassen sich Telefone und Drogen auch in Tennisbällen versteckt über die Gefängnismauer zuwerfen. Der Anstaltsleiter sagt, man tue "alles Menschenmögliche, um das zu unterbinden". So plane der Freistaat seit längerem, spezielle Mobilfunk-Störsender in den Haftanstalten einzusetzen.

Der von S. beschriebene Drogen- und Telefonschmuggel mit dem Auto eines Justizbeamten - den Fall hat es tatsächlich gegeben - ist laut Stumpf erkannt und abgestellt. Und den vor Gericht als schwunghaft dargestellten Rauschgifthandel nennt der JVA-Chef "ein Klischee". Das Gros der Gefangenen sei sauber, das werde durch regelmäßige Urinuntersuchungen geprüft. Bei Zellenkontrollen sei auch ein Drogensuchhund ständig dabei.

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