Justizpanne:Schlampige Staatsanwaltschaft

Prozess zu Telekom-Spitzelaffäre

Schlamperei innerhalb der Staatsanwaltschaft - Münchner will Schadenersatz.

(Foto: dpa)
  • Ein Münchner sitzt acht Tage zu Unrecht im Gefängnis, vermutlich wegen einer Justizpanne.
  • Die Staatsanwaltschaft München I bestätigt nun, dass der Fehler auf ihrer Seite lag: Dass ein Freund die Geldstrafe für den Inhaftierten bezahlte und Faxe schickte, wurde dort nicht registriert.
  • Jetzt fordert der Mann Schadenersatz.

Von Bernd Kastner

Der Münchner, der offensichtlich aufgrund von Schlamperei innerhalb der Staatsanwaltschaft München I mindestens acht Tage zu Unrecht im Gefängnis saß, will Schadenersatz vom Freistaat fordern. Das kündigte sein Anwalt Marco Noli an. Dieser sieht im Agieren der Staatsanwaltschaft "zumindest einen leichtfertigen Umgang mit dem hohen Gut der Freiheit".

Mark Roth (Name geändert) musste 2013 eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten, weil er eine Geldstrafe von 550 Euro nicht bezahlt hatte. Am Tag seines Haftbeginns in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim überwies ein Freund von ihm das Geld an die Justizkasse, so dass Roth unverzüglich hätte freigelassen werden müssen. Weil bei der Staatsanwaltschaft als zuständige Vollstreckungsbehörde aber offenbar weder der Zahlungseingang noch Faxe des Roth-Freundes, der auf Freilassung drang, registriert wurden, saß der Münchner mindestens acht Tage unrechtmäßig in Haft. Die Staatsanwaltschaft München I bestätigt und bedauert die Panne.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sich selbst

Wegen einer Strafanzeige ermittelt seither die Staatsanwaltschaft München I gegen sich selbst. Das Verfahren wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung gegen einen ehemaligen Rechtspfleger wurde zweimal eingestellt, nach Beschwerden von Anwalt Noli aber wieder aufgenommen. Noli sieht in den Ermittlungen in eigener Sache einen "ganz klaren Verstoß" gegen internationale Übereinkommen und völkerrechtliche Verpflichtungen, wonach solche Ermittlungen einer unabhängigen Stelle zu übertragen seien. Zumindest, so Noli, sollte es gemacht werden wie in Österreich, wo mutmaßliche Amtsdelikte von der Staatsanwaltschaft eines anderen Bundeslandes untersucht würden.

Allein, im bayerischen Justizministerium sieht man keinen Anlass, über ein Ermittlungssystem nachzudenken, in dem solche Untersuchungen gegen einen ehemaligen Mitarbeiter aus dem eigenen Haus möglich sind. "Im Einzelfall" könne die übergeordnete Generalstaatsanwaltschaft ein Verfahren an eine andere Staatsanwaltschaft geben, erklärt eine Sprecherin von Justizminister Winfried Bausback (CSU). Von dieser "Möglichkeit" werde in Fällen, in denen "bei verständiger Würdigung eine Interessenkollision möglich erscheint, auch Gebrauch gemacht".

Konsequenzen bleiben aus

Im Fall von Mark Roth aber wurde dies abgelehnt, die Generalstaatsanwaltschaft erklärte die Ermittler gegen einen Ex-Kollegen für unbefangen. Alle solchen Verfahren an eine eigene Schwerpunktstaatsanwaltschaft zu übertragen, die bayernweit zuständig wäre, wäre "nicht zielführend", so die Bausback-Sprecherin. Die meisten der zahlreichen Anzeigen gegen Justizbedienstete seien substanzlos und deshalb einzustellen. Anders im Fall Roth: Da räumt die Justiz selbst eine Panne ein. Trotzdem bleiben Konsequenzen bislang aus.

Anwalt Noli kritisiert in der Justiz generell ein Klima, in dem Bürger bisweilen "großzügig" inhaftiert würden. Eine Ursache dafür sei die geringe Entschädigung für unrechtmäßige Haft: Pro Tag in Untersuchungshaft zahle der Staat für immaterielle Schäden nur 25 Euro. Dabei habe der Europäische Gerichtshof in einem Fall überlanger Gewahrsamnahme einem Bürger sogar schon 100 Euro Entschädigung zugesprochen, nicht pro Tag, sondern pro Stunde.

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