Justiz:Wo in München künftig Recht gesprochen wird

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Die Staatsanwaltschaften und Strafgerichte sollen vom Jahr 2020 an in diesem am Leonrodplatz geplanten Komplex untergebracht werden. Simulation: Frick, Krüger, Nusser (Foto: N/A)

Im Strafjustizzentrum sollen von 2020 an sieben Behörden unter einem Dach zusammengefasst werden. Militante Gegner wollen das Projekt sabotieren.

Von Christian Rost

Im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße gibt es Dinge, die man andernorts nicht mehr findet: Telefonzellen zum Beispiel. Und diese Exemplare sehen nicht etwa aus wie die gelben rechteckigen Nullachtfünfzehn-Häuschen, mit denen einst die Post das Land überzogen hat. Die Telefonzellen im Erdgeschoss des Gerichtsbaus wurden in Röhrenform designt - in Betrieb sind sie leider nicht mehr.

Todschick war das in den Siebzigerjahren, als das siebenstöckige Gebäude in Stahlskelettbauweise hochgezogen wurde. Damals fanden die Leute auch grobe, beige Leinentapen geschmackvoll und mit orangefarbenem Stoff bezogene Stühle. Und ein undefinierbares Grün, mit dem Türen und Verkleidungselemente an Wänden und Decken gestrichen sind. Ansonsten prägt Sichtbeton das Bild.

Neues Strafjustizzentrum
:Palast der Büßer

An der Dachauer Straße entsteht bis 2019 ein neues Strafjustizzentrum nach den Plänen des Münchner Architekturbüros "Frick Krüger Nusser Plan2". Ein größerer Verhandlungssaal ist dort bisher nicht vorgesehen.

Von Alfred Dürr

Grauen aus Beton, Stahl und Glas

Es ist aus heutiger Sicht ein einziges Grauen aus Beton, Stahl und Glas, das nach fast 40 Jahren Justizbetrieb obendrein ziemlich abgenutzt ist. Die Bediensteten werden daher nicht traurig sein, wenn sie 2020 in das neue Strafjustizzentrum am Leonrodplatz umziehen.

An diesem Mittwoch erfolgt der Spatenstich für den auf mittlerweile 300 Millionen Euro taxierten Neubau, in dem die Strafgerichte des Amtsgerichts, der Landgerichte München I und II sowie des Oberlandesgerichts unterkommen sollen. Insgesamt sieben Justizbehörden, die derzeit über das Stadtgebiet verteilt sind, werden im neuen Justizzentrum zusammengefasst. Ursprünglich waren 200 Millionen Euro Baukosten angesetzt, und auch der Zeitplan hat sich geändert: Als noch die Münchner Olympiabewerbung lief, wollte der Freistaat bei den Spielen 2018 mit einem neuen Justizbau glänzen. Nachdem die Spiele vom Tisch waren, pressierte es nicht mehr so.

Improvisation an der Nymphenburger Straße

Allein die Baugrube auszuheben, wird nun ein Jahr dauern, auch deshalb zieht sich das Projekt über fünf Jahre hin. An der Nymphenburger Straße muss derweil improvisiert werden. Die Gerichtssäle dort können nicht kurzerhand erweitert werden, um mehr Platz für Besucher zu schaffen. In der jüngeren Vergangenheit - und besonders aktuell beim NSU-Verfahren - erwiesen sich die Säle als viel zu klein. Besucher mussten regelmäßig abgewiesen werden. Auch beim Kriegsverbrecher-Prozess gegen John Demjanjuk war das so.

Lediglich an der Optik kann die Hausverwaltung noch arbeiten. Der für die Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht München I reservierte Sitzungssaal wurde schon neu möbliert und gestrichen, damit sich der Kulturschock für Angeklagte wie die Herren von der Deutschen Bank in Grenzen hält. Wenn die aktiven und ehemaligen Bankvorstände an den Sitzungstagen einlaufen im Gerichtsbau, fällt der Kontrast besonders ins Auge: Hier die in edlem Tuch gewandeten Männer, dort das schäbige Ambiente, in dem die Münchner Justiz Recht spricht. Im Jahr 2011 beschwerte sich ein Anwalt sogar offiziell beim damaligen für das Gebäude zuständigen Amtsgerichtspräsidenten Gerhard Zierl über die "Hygienezustände im Strafjustizzentrum".

In so einer abgewetzten Atmosphäre konserviert sich aber auch ein gewisser Charme. In der Gerichtscafeteria ist das für die Stammgäste unter den Prozessbesuchern, die sogenannten Prozessrentner, kaltgestellte Bier noch billig und der Leberkäs heiß. In der riesigen Gerichtskantine unterdessen finden sich noch Gerichte auf der Karte, die bei der Grundsteinlegung des Gebäudes 1973 modern waren. Vielleicht werden manche Rezepte ja übernommen ins neue Justizzentrum. Alles andere aber wird sich grundlegend ändern.

Glas als Symbol für Transparenz

An der Ecke Dachauer Straße/Schwere-Reiter-Straße beginnen nun die Bauarbeiten für den neuen Justizkomplex, in dem einmal 1300 Staatsbedienstete arbeiten sollen. Es handelt sich um das zurzeit größte öffentliche Hochbauprojekt des Freistaats. Der Präsident des Oberlandesgerichts München, Peter Küspert, ist froh, dass das Bauvorhaben endlich realisiert wird: "Der Neubau des Strafjustizzentrums ist dringend erforderlich, um die Münchner Strafjustiz räumlich und technisch angemessen unterzubringen."

In dem fünf-, sechs- und zum Leonrodplatz hin siebenstöckigen Gebäude sind 54 Sitzungssäle vorgesehen. Einer davon fällt mit 290 Quadratmetern besonders groß aus, um Besucheranstürme bewältigen zu können. Es wird ein mächtiger Baukörper mit drei Innenhöfen. Für die Front des von den Architekten "Frick Krüger Nusser Plan 2 GmbH" konzipierten Baus ist viel Glas vorgesehen, was symbolisch für die Transparenz der Rechtsprechung stehen soll.

Sabotage-Aufrufe und beschmierte Wände

Dass die Justiz unabhängig und gerecht ist, daran glauben in München offenbar nicht alle. Anarchistische Gruppen halten die Justiz für eine "unser Leben einschränkende Institution", wie es in einem Internet-Blog heißt, und rufen zur "Sabotage" auf der Baustelle auf. Schon in der Planungsphase für das Justizzentrum wurden in der Umgebung Wände beschmiert, Scheiben eingeworfen und Autos angezündet. Mehr als 300 Straftaten der Justiz-Gegner hat die Polizei registriert, der Schaden liegt bei 350 000 Euro.

Mit der Realisierung des Projektes spitzt sich die Situation nun weiter zu. Die Anarchos wollen die Bauarbeiten "auf jede mögliche Art" behindern, Zufahrtswege blockieren, Arbeiter und Nachbarn aufhetzen und "die Polizei nerven", wie es in einem Aufruf heißt.

Die ausführenden Architekten wurden bereits beleidigt und bedroht. Ihr Büro steht seither unter Polizeischutz. Aufgrund der kritischen Lage dürfte die Baustelle zur am besten bewachten in ganz Bayern werden. Auch beim Spatenstich mit Justizminister Winfried Bausback und Innenminister Joachim Herrmann am Mittwoch steht der Sicherheitsaspekt im Vordergrund.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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