Justiz prüft Abi-Affäre:Schulleiter drohen Ermittlungen

Hat er eine Straftat begangen? Weil er einem Schüler vorab Zugang zu Prüfungsaufgaben verschafft haben soll, ist der Leiter des Münchner Thomas-Mann-Gymnasium suspendiert worden. Nun interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft für den Fall.

Von Katja Riedel

Die Affäre um die Abiturprüfungen am städtischen Thomas-Mann-Gymnasium könnte für den derzeit vorläufig suspendierten Schulleiter juristische Folgen haben. Die Staatsanwaltschaft München I hat von der Stadt die Unterlagen des Falles angefordert. Man will sich ein Bild verschaffen, ob der Schulleiter möglicherweise eine Straftat begangen haben könnte. Derzeit wird geprüft, ob dieser sich vor der Abiprüfung Zugang zu Abituraufgaben und -lösungen im Fach Musik verschafft hat.

Dieser Vorwurf steht im Raum, weil ein Abiturient, zu dem der Schulleiter laut zahlreichen Zeugenaussagen seit Längerem einen engen persönlichen Kontakt gepflegt habe, die Abschlussprüfung nahezu wortgleich zum Erwartungshorizont formuliert haben soll. Nachdem die Zweitkorrektorin der Klausur ihren Verdacht dem Kultusministerium mitgeteilt hatte, entband das städtische Personalreferat den Musiklehrer bereits vor einigen Wochen vorläufig von seinen Aufgaben.

Derzeit untersucht die zuständige Ministerialbeauftragte laut Kultusministerium nicht nur die betreffende Klausur im Fach Musik, sondern auch weitere Leistungsnachweise des Zwölftklässlers: Dazu gehören eine fragliche Arbeit im Fach Englisch aus dem zurückliegenden Schuljahr, zudem die zwei weiteren schriftlichen Abiturprüfungen in Deutsch und Mathematik sowie zwei mündliche Abiturprüfungen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sowie das, was Zeugen über die gesamten Vorgänge am Gymnasium aussagen, interessiert auch die Staatsanwaltschaft. Sie will erst nach Durchsicht der Unterlagen entscheiden, ob sie Vorermittlungen aufnimmt. Der Schulleiter könnte sich des Verrats von Dienstgeheimnissen schuldig gemacht haben.

Wem eine solche Straftat nachgewiesen wird, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Zudem könnte es sein, dass er ein Siegel nicht erst im Beisein des Fachbetreuers, sondern vorab gebrochen haben könnte, um an die Informationen zu gelangen.

Auch dem Schüler drohen Konsequenzen

Dem Schüler, der möglicherweise von dem Wissen profitiert hat, drohen wohl keine juristischen Konsequenzen. Laut Staatsanwaltschaft kommt ein Betrugsdelikt nicht in Betracht, da kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.

Folgenlos könnte sein Handeln aber auch für ihn nicht bleiben: Das Kultusministerium wird die Ergebnisse der Überprüfung der Schule melden. Laut Ministeriumssprecher Ludwig Unger entscheidet in solchen Fällen die Klassenkonferenz, wie das Verhalten zu werten sei: als großer oder kleiner Unterschleif.

Wer zweimal großen Unterschleif begangen hat, könne dies nicht mehr ausgleichen. Der Schüler wäre damit durchs Abitur gefallen. Er könnte es laut Ministerium jedoch im kommenden Jahr nachholen.

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