Jungtiere im Tierpark Hellabrunn:Tod im Gehege

Ein Panzernashorn-Junges stirbt wenige Tage nach seiner Geburt im Tierpark Hellabrunn. Warum es plötzlich erkrankte, ist noch nicht geklärt. Todesfälle bei Jungtieren kommen in München immer wieder vor. Liegt das an den Haltungsbedingungen? Der Zoo-Chef widerspricht.

Christina Warta

Jungtiere im Tierpark Hellabrunn: Zunächst lief alles nach Plan, doch auf einmal wurde es krank und starb - das Panzernashornbaby aus dem Tierpark Hellabrunn.

Zunächst lief alles nach Plan, doch auf einmal wurde es krank und starb - das Panzernashornbaby aus dem Tierpark Hellabrunn.

Im Grunde hatte alles genau so angefangen, wie das Leben eines kleinen Panzernashorns beginnen sollte: mit einer schnellen, unspektakulären Geburt. Andreas Knieriem, Zoodirektor im Tierpark Hellabrunn, hatte am Samstag vor einer Woche noch ganz kurz beim Anstich auf der Wiesn vorbeigeschaut. "Als ich schon wieder in Thalkirchen war, kam der Anruf: Die Fruchtblase ist geplatzt", berichtete Knieriem vier Tage später. Kurz darauf lag ein kleiner, 50 Kilogramm schwerer Nashornbulle in der Geburtsbox des Nashornhauses.

Der lang ersehnte Nachwuchs der vom Aussterben bedrohten Art war da, die Freude bei den Mitarbeitern des Tierparks groß. Bis die Geschichte am Montag, drei Tage nach der Geburt, eine plötzliche, wenig erfreuliche Wendung nahm. Das Jungtier trank noch bei der Mutter, legte sich hin, schlief sehr lange und kam dann plötzlich nicht mehr auf die Beine. Alle Bemühungen der Tierärzte halfen nichts: In der Nacht zum Dienstag starb das Nashorn an einem Herzstillstand.

Es ist ein weiterer jener Todesfälle im Münchner Zoo, die Besucher und Beobachter aufhorchen lassen: nach dem Tod der Elefanten-Jungtiere Jamuna Toni 2010 und Lola Anfang des Jahres sowie dem der Schimpansin Püppi vor zwei Monaten. Elefanten und Löwen, Menschenaffen und Eisbären, Giraffen und Nashörner gehören zu den besonders spannenden oder spektakulären Tieren und damit zu den Publikumsmagneten eines Zoos. Kein Wunder, dass Geburtsdramen oder Todesfälle bei diesen Wildtierarten immer besondere Aufmerksamkeit finden.

Spekulationen, dass sich die Todesfälle im Zoo Hellabrunn zuletzt gehäuft hätten und dies womöglich an der Zoohaltung liegen könne, tritt Direktor Andreas Knieriem entschieden entgegen. "Wir hatten in diesem Jahr einen Babyboom im Zoo", sagt er, "und wir mussten ganz selten bei Geburten eingreifen."

"Wir sind hier alle Tierfreunde"

Bei den Humboldtpinguinen haben laut Knieriem alle Jungen überlebt, zuletzt kamen außerdem Mhorr-Gazellen, Flamingos, eine Mähnenrobbe, ein Rotes Riesen-Känguru, eine Elen-Antilope, ein Europäischer Luchs und ein Zweizehenfaultier zur Welt, außerdem schlüpfte ein Allfarblori. "Für die interessiert man sich nur nicht so wie für Elefanten und Nashörner." An der Zoohaltung liege es sicher nicht, ebenso wenig an der Größe der Tiere. "Wir sind hier alle Tierfreunde", so der Zoo-Chef, "wir kümmern uns Tag und Nacht um das Wohlbefinden unserer Tiere."

"Doch leider", so schränkt Knieriem ein, "hatten wir auch großes Pech." Ausgerechnet bei den Publikumslieblingen kam es trotz aller Umsicht und Vorbereitungen zu Schwierigkeiten und Todesfällen. Wie eben jetzt, bei den Panzernashörnern. Männchen Nico und Weibchen Rapti sind Teil des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP), das vom Baseler Zoo geleitet wird.

Nachdem Knieriem Ende 2009 Direktor in Hellabrunn geworden war, "haben wir die Situation bei den Nashörnern analysiert", betont er. Beide Tiere leben seit 1990 in München, Nico kam als Jungtier aus dem Stuttgarter Zoo, Rapti dagegen direkt aus Indien. Auch deshalb ist Nachwuchs von diesem Paar für das EEP von großem Interesse: Anders als die in Zoos gezeugten Tiere brächte Rapti "frisches Genmaterial" in die arg dezimierte Zoo-Population.

Möglicherweise war eine Infektion schuld

Schon vor 50 Millionen Jahren gab es Nashörner auf der Erde, der Mensch hat die Zahl der Urzeittiere zuletzt jedoch stark dezimiert: Das Horn ist in der asiatischen Medizin gefragt und bringt viel Geld, Jäger und Wilderer schlachten deshalb immer wieder Nashörner ab und schneiden ihnen lediglich das Horn ab. Vom Indischen Panzernashorn gibt es deshalb heute laut Angaben der Umweltorganisation WWF nur noch 2750 Tiere in freier Wildbahn.

Ein erster Versuch, in Hellabrunn Nashornnachwuchs zu bekommen, scheiterte vor acht Jahren: Rapti brachte eine Totgeburt zur Welt. Ohnehin ist das Zusammenbringen zweier Nashörner eine Wissenschaft für sich: Die Tiere sind Einzelgänger, das Weibchen duldet das Männchen nur wenige Tage im Monat in seiner Nähe. "Die muss man genau bestimmen", so Tierarzt Knieriem, andernfalls könne es zu Rangeleien zwischen den rund zwei Tonnen schweren Tieren kommen. Doch vor rund 16 Monaten konnten die Experten Erfolg vermelden: Eine Kotuntersuchung verriet, dass Rapti trächtig sei.

Seither lief alles nach Plan - bis zum Montagvormittag. Das Jungtier schlief und wollte nicht mehr aufwachen. Mühevoll trennten Tierärzte und -pfleger das fürsorgliche Muttertier von seinem Jungen und versuchten, die Körpertemperatur zu erhöhen und den Zustand mit Infusionen und Antibiotikagaben zu verbessern. "Der Blutbefund ergab unter anderem, dass das Tier kaum weiße Blutkörperchen hatte", so Andreas Knieriem - also kaum Abwehrkräfte gegen etwaige Infekte. Deshalb vermutet der Zoo-Chef, dass das Nashorn an einer Infektion erkrankt ist.

"Der Zoo ist ein offenes Gelände, ein Naturareal. Natürlich finden auch Krankheitserreger den Weg auf das Gelände." Eine Analyse des gesamten Videomaterials seit der Geburt hatte außerdem keine anderen Hinweise ergeben: Rapti war nicht aus Versehen auf ihr Junges getreten und hatte es dadurch beispielsweise verletzt.

In der Pathologie der Tiermedizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität wird das tote Jungtier nun untersucht. Mit Ergebnissen rechnet man in gut einer Woche. Sollte es sich nicht um eine genetische Ursache handeln, sondern eine Einzelfallursache, wird das Zuchtprogramm in Hellabrunn bald fortgesetzt. "Dann lassen wir Rapti und Nico demnächst wieder zusammen", sagt Knieriem.

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