Junges Faschingsprinzenpaar:Tanz in eine andere Welt

Die Faschingsgesellschaft Würmesia kann erstmals seit 67 Jahren keine Erwachsenen zum Feiern auf die Bühne schicken. Deshalb übernimmt die Jugend das Kommando. Romy I. und Julian I., sieben und acht Jahre alt, bilden das Prinzenpaar

Von Annette Jäger

Die Prinzessin ist guter Dinge. In Erwartung ihres Auftritts im Bürgerhaus Gräfelfing stärkt sie sich erst mal mit einer Tüte Popcorn. Aufgeregt? "Nö." Sie freut sich auf den Walzer mit dem Prinzen, darauf, in der ersten Reihe mit der Garde zu tanzen, dem Publikum zuzuwinken. Genau das wird sie eine halbe Stunde später routiniert lächelnd erledigen. Prinzessin Romy I. ist gerade mal sieben Jahre alt, Prinz Julian I. acht Jahre. Sie sind das Kinderprinzenpaar der Faschingsgesellschaft Würmesia und stehen für einen Umbruch: Die Jugend soll dem Traditionsverein das Überleben sichern.

Die Faschingssaison in diesem Jahr lief nicht gut an für die Würmesia, das zeichnete sich schon im Sommer ab. Da erreichte Tanja Wissel, Präsidentin der Würmesia, die Nachricht, dass die Planegger Großgaststätte Heide Volm keine Buchungen mehr für den großen Festsaal annimmt. Das Gebäude soll abgerissen werden. Für die Würmesia ist das ein Bruch mit einer langen Tradition. Die Faschingsgesellschaft wurde 1949 in Gräfelfing gegründet, die Heide Volm mit dem riesigen Festsaal am Planegger Bahnhof war stets ihre Hofburg. Hier fanden die großen Bälle statt, die Gaststätte selbst veranstaltete den Kinderball.

Der Höhepunkt war in jeder Faschingssaison, 27 Jahre lang, der Auftritt der Spider Murphy Gang, zu dem an die 1500 Fans aus der ganzen Region pilgerten. Mit all dem ist 2017 Schluss. Damit noch nicht genug: Akuter Personalmangel kam auf, der Würmesia fehlt in dieser Saison zum ersten Mal seit 67 Jahren ein erwachsenes Prinzenpaar samt Tanzgarde.

Tanja Wissel ist trotz all dieser Widrigkeiten guter Dinge, sie glaubt noch an den Fasching im Würmtal. Sie selbst war vor zwölf Jahren Faschingsprinzessin, vorher in der Garde, jetzt nimmt sie als Präsidentin mit den Vereinsmitgliedern im Rücken den Fasching selbst in die Hand: Die Würmesia wird zum Veranstalter und schafft sich ihre Auftrittsgelegenheiten selbst. Sieben Bälle stellt sie in dieser Saison auf die Beine, fünf davon sind Kinderbälle, von denen die meisten zum ersten Mal stattfinden, so auch der Kinderball am 5. Februar im Gasthof zur Eiche in Planegg (Alle Termine unter www.wuermesia.de).

Es ist nicht etwa so, dass die Würmesia Abendveranstaltungen absagen musste, weil das Prinzenpaar fehlt. Es wurden schon in den vergangenen Jahren immer weniger Bälle veranstaltet. Die ganze Bürokratie, die vielen Auflagen, die hohen Gema-Gebühren, plus die Ausgaben für die Band, für die Plakate - das alles hält Veranstalter zunehmend davon ab, Bälle auszurichten, meint Wissel. Dazu noch die Ungewissheit, ob überhaupt genug Gäste kommen. In den vergangenen Jahren waren es jedenfalls zu wenige. Dafür seien die Kinderbälle immer gut besucht gewesen - und so konzentriert sich die Würmesia nun auf den Faschingsnachwuchs.

Neben den Bällen hat eine Faschingsgesellschaft auch noch andere Termine, insgesamt 25 Auftritte in Altenheimen, bei Wohlfahrtseinrichtungen, auch im Möbelhaus, stehen auf dem Programm. Bisher hat keiner das erwachsene Prinzenpaar vermisst, die Kinder und die Jugendgarde geben eine gute Figur ab. Ein Prinzenpaar ist nur eine Attraktion von vielen bei einer Faschingsgesellschaft, sagt Wissel. Von den anderen Faschingsvereinen erhalte sie viel Zuspruch dafür, dass die Würmesia weitermacht, auch von den Münchner Kollegen, der Narrhalla. "Wir sind bei weitem nicht die einzigen, die kein Prinzenpaar haben", sagt Wissel. Das Leben ist einfach hektischer geworden, immer weniger haben Zeit, zweimal pro Woche Tanzschritte zu üben. Und es gibt immer weniger Chefs, die ihren Mitarbeitern ständig freigeben, damit sie als Prinzenpaar brillieren.

So bekommt der Hofstaat der Würmesia, der zu jeder Faschingsgesellschaft gehört, in dieser Saison wie am vergangenen Sonntag beim großen Kinderball im Bürgerhaus neue Aufgaben: Luftballons aufblasen, Popcornmaschine befüllen, Tombola aufbauen, Würstl warm machen, Tische schmücken. Und den lila leuchtenden Würmesia-Schriftzug über die Bühne hängen. Danach der Soundcheck mit "Gloria" von Umberto Tozzi. Etwa 50 Vereinsmitglieder - "darunter viele Ex-Hoheiten", so Wissel - packen an. Ganze Familien helfen mit, das Faschings-Gen wird von Generation zu Generation weitergereicht.

Vielleicht gibt es im nächsten Jahr wieder eine Erwachsenengarde, vielleicht sogar ein Prinzenpaar. Die Jugendlichen bedrängen Tanja Wissel schon, die 16-Jährigen wollen aufsteigen, wollen auch die für die Erwachsenen reservierten Marschkostüme tragen. Die vierzehnköpfige Jugendgarde - vier Jungs sind dabei - ist jedenfalls strahlend bei der Sache: Dieses Jahr laden sie mit ihrer Tanzshow zu einer Weltreise ein. Tanja Wissel, für die Show bereits im Stewardess-Kostüm, will auch in diesem Jahr den Würmesia-Auftrag erfüllen: "Humor verbreiten, die Menschen aus ihrem Alltag holen, in eine andere Welt entführen." Prinzessin Romy I. ist nächstes Jahr auch wieder dabei, versichert sie. Dann in der Kindergarde - denn Prinzessin, das darf man nur einmal sein.

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