Junge Zeitschrift:Papier zum Fliegen bringen

Junge Zeitschrift: Gruppenbild mit Hund: die Magazin-Macher Marlene Neumann, Michael Motzek und Markus Scheinpflug (von links).

Gruppenbild mit Hund: die Magazin-Macher Marlene Neumann, Michael Motzek und Markus Scheinpflug (von links).

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Stadtmagazin "Concrete" steht nach nur drei Ausgaben schon wieder vor dem Aus. Kreatives Chaos statt Finanzierungskonzept, aus diesen Fehlern hätten sie gelernt, sagen die Macher. Mit einer Crowdfunding-Kampagne suchen sie Unterstützer

Von Elisabeth Kagermeier

Dass es München an Subkultur fehlen würde, wurde besonders in den vergangenen Monaten viel beklagt. Doch immerhin gibt es keinen Mangel an Stadtmagazinen, die diese abbilden wollen. Neben dem Münchner Feuilleton, Superpaper und Mucbook gibt es seit Mai ein weiteres Blatt: das Concrete. Oft liegen die alternativen Kulturmagazine kostenlos in Cafés oder an Veranstaltungsorten aus. Doch für das Concrete könnte es damit nach nur drei Ausgaben schon wieder vorbei sein - wenn eine Crowdfunding-Kampagne es nicht rettet.

Ums Geldmachen geht es den Machern nicht, deshalb gab es zunächst kein Finanzierungsmodell. Im Vordergrund stand etwas Anderes: "Die Plattform soll eine Projektfläche und ein Freiraum für Kreative sein, um sich zu entfalten", sagt Marcus Scheinpflug, der 31-jährige Gründer. Eigentlich arbeitet er in einer Werbeagentur. "Aber ich wollte mal etwas Eigenes auf die Beine stellen, das unabhängig von Kunden ist."

Textchefin Marlene Neumann, ebenfalls 31, erinnert Concrete an die Do-It-Yourself-Kultur der Neunziger und die damals vor allem in Berlin entstandenen Fanzines - Magazine von Fans für Fans in künstlerischem Design, oft im Zeitungsformat. Im Concrete schreiben Fans und Macher der Münchner Kultur für Kulturinteressierte. Bezahlt werden die rund 20 Mitarbeiter zwischen 16 und 45 Jahren nicht. Auch Marcus Scheinpflug arbeitet ehrenamtlich etwa drei Tage pro Woche an seinem Projekt. Die bisherigen Ausgaben finanzierte er aus eigener Tasche.

"Gerade in der flüchtigen Onlinezeit ist es schön, was in der Hand zu halten", sagt Scheinpflug. Dieser Glaube eint die Gruppe. Nicht zufällig heißt das Magazin Concrete - englisch für greifbar und handfest. "Zeitschriften bleiben länger liegen, zum Beispiel in der U-Bahn, und mehrere Leute können darin lesen", sagt Neumann. "Man kann es nicht einfach wegklicken." Ignorieren will das Team Onlinetrends aber nicht: Concrete hat den Anspruch, die Blogkultur ins Gedruckte zu holen. Jeder darf schreiben, was und wie er will - nicht immer sachlich oder politisch korrekt, aber meistens unterhaltsam und kurzweilig. Das Ergebnis ist ein zusammengewürfelter Mix aus Interviews mit Künstlern, Porträts von Vierteln und Startups sowie Selbstversuchen und fiktiven Kurzgeschichten.

In der neuesten Ausgabe stehen Gedanken zur Gentrifizierung im Schlachthofviertel neben einem Kurzportrait der Künstlergruppe CRU:ZFX und einer Liste von perfekten Orten für kalte Abende. Großflächige Illustrationen und Fotostrecken - ganz aktuell etwa unter dem Motto "Make Bavaria Great Again" - unterbrechen die Texte. Gedruckt wird wie beim Superpaper auf Zeitungs- statt Hochglanzpapier: cool genug, um das ein oder andere WG-Zimmer zu zieren, aber vergänglich genug, um sie auch nach ein paar Wochen wieder vergilbt auszutauschen.

"Die Subkultur muss sich selbst aufrecht erhalten, sonst wird sie geschluckt", meint Textchefin Neumann. Doch genau das kreative Chaos könnte dem Magazin zum Verhängnis werden. "Manchmal fehlt es an Struktur, auf dem Weg haben wir auch Fehler gemacht - und draus gelernt", gibt Gründer Scheinpflug zu. Mit einigen Guerilla-Verteilaktionen ihrer 8000 Exemplare gerieten sie schon in Konflikt mit dem Ordnungsamt. Auch hätte er geglaubt, dass sich das Magazin schnell verselbstständigen und finanziell rechnen würde. Doch die Werbekunden blieben zunächst aus, die Einstellung drohte.

Erst durch den Hilferuf über ein Crowdfunding-Portal erlangten sie größere Bekanntheit im Stadtgebiet. Mittlerweile zählen Häuser aus Sub- und Hochkultur zu den Unterstützern - von Volkstheater und Kammerspielen über Harry Klein und Rote Sonne bis zu Muffatcafé und der Milla. "Wir haben Hoffung geschöpft", sagt Neumann. Die Existenz sei trotzdem noch nicht gesichert - die Altlasten der ersten Ausgaben sind zu groß. Mithilfe der Crowdfunding-Kampagne, die noch bis Ende November läuft, soll vor allem die Verteilung des Magazins verbessert werden. Ganz traditionell wollen die Macher Zeitungskästen in der Stadt platzieren. Ein erster steht bereits vor dem "Giesinger Bräu", ein zweiter vor der Muffathalle folgt bald. Scheinpflug kann sich auch vorstellen, dass in den Kästen alle kostenlosen Stadtmagazine einen Platz finden.

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