Jugendliche Flüchtlinge:Zurück in die Kaserne

Jugendliche Flüchtlinge: Erstaufnahmeeinrichtung für jugendliche Flüchtlinge in der Bayernkaserne.

Erstaufnahmeeinrichtung für jugendliche Flüchtlinge in der Bayernkaserne.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Stadt München schickt jugendliche Flüchtlinge in eine Obdachlosenunterkunft: Eigentlich sollte die Bayernkaserne in Freimann längst tabu sein als Unterkunft für minderjährige Asylbewerber, nun werden ausgerechnet dort 100 weitere Plätze geschaffen.

Von Bernd Kastner

Es klingt nach "Kommando zurück": Eigentlich sollte die Bayernkaserne in Freimann längst tabu sein als Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge, nun werden ausgerechnet dort 100 weitere Plätze für neu ankommende junge Asylbewerber geschaffen. Die Stadt bestätigte Informationen der Süddeutschen Zeitung, wonach bereits in dieser Woche in einem Haus, in dem im Winter Obdachlose übernachtet haben, minderjährige Asylbewerber einquartiert werden sollen, die ohne Eltern nach München gekommenen sind.

Zugleich will die Stadt die Unterkunft für jugendliche Flüchtlinge in der Baierbrunner Straße auflösen, auch aus zwei Pensionen sollen die Flüchtlinge in die Kaserne ziehen. Damit sind die 100 neuen Plätze in dem neuen Haus sofort zu zwei Dritteln belegt.

Zunächst hatten die Behörden den Jahreswechsel angestrebt, dann Ende März: Zu diesem Stichtagen sollten die letzten jungen Flüchtlinge aus der Bayernkaserne, genauer aus Haus 58, ausgezogen sein. Doch noch immer leben dort rund 50 minderjährige Asylbewerber. Den Behörden gelang es bisher nicht, genügend Plätze in kleinen Wohngruppen zu finden, wo die oft traumatisierten jungen Menschen adäquat betreut werden. Das Gesetz schreibt dies für deutsche und ausländische Kinder gleichermaßen vor.

Immerhin werden die Flüchtlinge in Haus 58 seit Januar besser begleitet als früher. Dort gebe es mittlerweile aufgrund der Unterstützung von Fachleuten keine Probleme mehr, versichert Rudolf Stummvoll, Leiter des Amtes für Wohnen und Migration. Es laufe "optimal".

Stadt sieht keine andere Möglichkeit

Haus 19 war den Winter über Teil des Kälteschutzprogramms der Stadt, hier fanden Obdachlose Schlafplätze. Dass dort nun junge Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in München übergangsweise wohnen werden, bis sie in eine Wohngruppe umziehen, bezeichnet Stummvoll als "1b-Lösung". Nicht optimal, doch die Stadt sieht keine andere Möglichkeit. Allein im März seien 120 jugendliche Flüchtlinge nach München gekommen, alle brauchen einen Platz. Deshalb will Stummvoll die Notlösung nicht als "Rolle rückwärts" verstanden wissen.

Die Flüchtlinge sollen in Haus 19 nach Jugendhilfestandard betreut werden, also deutlich besser als bisher in der Baierbrunner Straße, der alten, unzulänglichen Erstaufnahmeeinrichtung. Außerdem sei Haus 19 nur eine Übergangslösung bis Ende September, dann werde es in der kalten Jahreszeit ohnehin wieder für Obdachlose benötigt. Bis dahin aber wäre es unsinnig, das betriebsbereite Haus leer stehen zu lassen, sagt Stummvoll. Deshalb überlasse das Wohnungsamt der Regierung von Oberbayern auch das benachbarte Haus 9 vorübergehend für erwachsene Asylbewerber.

Wohnungs- und Jugendamt der Stadt arbeiten bei der Betreuung der jungen Flüchtlinge mit freien Trägern der Jugendhilfe zusammen. Koordinieren wird die Arbeit der Verbände Andreas Dexheimer vom Träger "Diakonie - Jugendhilfe Oberbayern". Haus 19 sei eine "reine Notfallmaßnahme", denn noch nie seien so viele minderjährige Flüchtlinge nach München gekommen wie derzeit, sagt Dexheimer. "Es ist keine gute Lösung, aber etwas Besseres kriegen wir nicht hin."

Dass nun abermals junge Flüchtlinge auf einem Areal untergebracht werden, das von Mauern, Zäunen und Stacheldraht umgeben ist, sei "hoch ärgerlich". Dennoch sei die aktuelle Betreuung dort "besser als es jemals unter der Regierung von Oberbayern war". Die Regierung war bis zum Jahreswechsel für die Minderjährigen in Haus 58 zuständig. Wegen der Situation dort, die Fachleuten als ungeeignet für traumatisierte Flüchtlinge galt, stand die Behörde seit langem in der Kritik.

Auf dem weitläufigen früheren Militärareal an der Heidemannstraße dienen mehrere Gebäude der Stadt als Quartier für Obdach- und Wohnungslose sowie der Regierung von Oberbayern als Erstaufnahmeeinrichtung, aber auch das nur befristet: Ende 2016 sollen alle Bewohner dort komplett ausziehen, da das Gelände, das der Stadt gehört, neu bebaut werden soll. In Kürze sollen schon die ersten Gebäude abgerissen werden. Diesen Zeitplan einzuhalten, ist ein ehrgeiziges Vorhaben. Schon jetzt heißt es verwaltungsintern, dass sich der Auszug aus der Kaserne wohl um mehrere Monate verzögern dürfte.

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