Jugendhilfe:Betreuung von Flüchtlingen: Sozialreferat bestätigt enormen Stellenabbau

Junge Flüchtlinge

Das Personal für jugendliche unbegleitete Flüchtlinge soll zum 1. Oktober weiter stark reduziert werden.

(Foto: dpa)
  • Das Revisionsamt prüft derzeit, ob umstrittene Verträge zwischen dem Jugendamt und Sozialorganisationen rechtmäßig sind.
  • Schon jetzt wird die Zahl der Mitarbeiter, die sich um unbegleitete jugendliche Flüchtlinge kümmern, von 380 auf 215 reduziert.
  • Die Anpassung war in den Veträgen vereinbart worden - doch offenbar gibt es auch jetzt noch deutlich mehr Mitarbeiter als vertraglich vorgesehen.

Von Thomas Anlauf und Sven Loerzer

Die Zahl der Sozialarbeiter für die Betreuung unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge wird massiv reduziert. Derzeit kümmern sich noch 215 Mitarbeiter der freien Träger in der Jugendhilfe um die jungen Menschen, die meist intensiv betreut werden müssen. Im Juni waren es nach SZ-Informationen noch 380 Mitarbeiter. Das Sozialreferat bestätigt den enormen Stellenabbau. Dieser liege aber im Rahmen dessen, was vertraglich vereinbart worden sei, sagte Referatssprecher Frank Boos am Mittwoch und sprach von einer "dynamischen Anpassung".

In den umstrittenen Ergänzungsverträgen zwischen Stadtjugendamt und den Trägern, die derzeit vom Revisionsamt auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden, war die Anpassung vereinbart worden. Demnach wurden zwischen Juni und August monatlich zehn Prozent der Stellen abgebaut, um einen vertraglich vorgesehenen Personalschlüssel von 1:2,5 zu erreichen.

Auf einen Mitarbeiter kommen so statistisch gesehen 2,5 jugendliche Flüchtlinge. Vor den Ergänzungsverträgen, die der kommissarische Jugendamtsleiter Markus Schön am 31. Mai unterzeichnet hatte, lag der Schlüssel noch bei 1:5, der aber lediglich als Mindestanforderung gilt. Offenbar gibt es aber auch jetzt noch deutlich mehr Mitarbeiter als vertraglich beim Schlüssel 1:2,5 vorgesehen. So soll das Personal zum 1. Oktober weiter stark reduziert werden.

Mehr als 16 Millionen Euro im Jahr

Den freien Trägern droht im schlimmsten Fall, dass sie das Geld, das sie von der Stadt für die Flüchtlingsbetreuung erhalten, zurückerstatten müssen. Derzeit zahlt die Stadt die Leistungen nur unter Vorbehalt. Sollte das Revisionsamt feststellen, dass die Verträge oder das Zustandekommen der Vereinbarungen juristisch nicht einwandfrei waren, könnte es sein, dass die Stadt das Geld zurückfordert.

"Das wäre dann ein richtiges Problem", sagt Angela Bauer, Geschäftsführerin der heilpädagogisch-psychotherapeutischen Kinder- und Jugendhilfe (HPKJ). Bauer verteidigt die Ergänzungsverträge, die einerseits den Abbau von Stellen vorsehen, andererseits einen doppelt so hohen Betreuungsschlüssel wie zuvor als "klug und zielführend". Schließlich könne niemand wissen, ob die Zahl der in München ankommenden Flüchtlinge nicht wieder stark ansteigt.

Doch dass die Jugendhilfeorganisationen Personal vorhalten, das derzeit in diesem Umfang gar nicht benötigt wird, kostet die Stadt viel Geld. Bei einer Jahrespauschale in Höhe von 75 000 Euro pro Mitarbeiter wären das bei derzeit 215 Sozialarbeitern mehr als 16 Millionen Euro im Jahr.

Zahlreiche Stadträte stellen sich deshalb die Frage, ob die Verträge in dieser Höhe überhaupt hätten abgeschlossen werden dürfen, ohne den Stadtrat zu informieren. Lediglich der sozialpolitische Sprecher der SPD, Christian Müller, war von Seiten des Stadtrats intensiv in die Vorgänge eingebunden. Er habe aber vor dem Abschluss der Verträge gewarnt, betonte Müller. Stadtrat Marian Offman, Sozialexperte bei der CSU, wusste hingegen nichts von den Verträgen, die bis Juni 2017 laufen.

Wann das Revisionsamt seine Prüfung vorlegt, ist noch offen. Im Rathaus heißt es, das könne noch Wochen dauern.

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