Jubiläum der Allianz Arena:In der Tiefe des Raums

Seit zehn Jahren spielt der FC Bayern in der Allianz Arena. Doch bei einem Besuch in dem Stadion geht es nicht nur um Tore. Es geht um die Lautstärke der Fans, um Menüs in der Loge, um Plastikbecher, Gewinnspiele - und Klotüren.

Von SZ-Autoren

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Allianz Arena wird 10 Jahre alt

Quelle: dpa

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Die Arena ist, wenn man auf seinem Stammplatz hockt und Bayern 4:0 gegen Barça gewinnt, toll. Leider nur waren einige Entscheidungsträger in der Planungsphase der Arena im Urlaub. Gibt es ein weiteres Stadion auf der Welt, in der die Türen zu den Toiletten so schmal sind wie die Türen zu den Gästetoiletten in den Studentenappartements des Olympiadorfs? Oder war das eine ganz bewusste Idee? Hey, lass uns die 70 000, wenn sie die Paulaner-Plörre wieder loswerden müssen, vor diese lustigen kleinen Türen stellen! Auf den Plätzen zwei und drei einer historischen Fehlplanung, über die die Lügenpresse sonst nicht berichtet: Autoliebhaber, die sich für Stunden, wenn nicht Tage nach Spielende mit anderen Autoliebhabern in Europas größtem Parkhaus verkeilen. Immer wieder werden an spielfreien Tagen in verwunschenen Ecken dieses Parkhauses Audi-SUVs aus Bogenhausen mit echten Skeletten hinterm Lenkrad aufgefunden! Schließlich, Bronze: der Hürdenlauf der Hunnen nach Spielende auf der Suche nach einem Taxi. In der Allianz Arena steht der Kunde nicht in der Schlange, bis er in ein Taxi steigt, sondern er rennt, als sei er im Crystal-Meth-Rausch, wild rudernd so lange über die nahe Autobahn, bis er von einem angefahren wird. Erstaunlich, was alles erlaubt ist in einem Land, in dem so viel verboten ist. Wurscht. Super Bayern. Alexander Gorkow

Allianz Arena wird 10 Jahre alt

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Anpfiff

Seit 2005 wurden in der Arena insgesamt 471 Fußballspiele ausgetragen, darunter 170 Bundesliga- Partien - und ein unglückliches Champions-League-Finale.

Allianz Arena wird 10 Jahre alt

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Block 310, Reihe 15, Platz 19 - Wie viele Stufen es wohl sind bis hier hinauf, unters Dach? 9564, antwortet die Lunge. "Wer is'n der Lahm?", fragt der Mann nebenan. Gute Frage. Das hier ist wohl der schlechteste Platz in der ganzen Arena. Von hier oben werden alle Bayern zu kleinen Männchen. Selbst der einzigartige Ribéry: nur ein Männchen. Die da unten brüllen - die Südkurve liegt unter uns. Dafür hört man hier sehr schön den Torjubel der Gästefans, die gegenüber unters Dach gepfercht worden sind. So schlecht ist es hier oben aber auch wieder nicht: Man sieht sehr schön, wie die Viererketten verschieben. Vorne fragt ein Junge seinen Vater, warum die Leute drüben auf der Tribüne alle weg sind. "Die nehmen eine warme Mahlzeit zu sich", sagt der Vater, "das sind die VIP-Leute. Du weißt doch, der Papa hält da nix von." Markus Schäflein

Las Vegas Vodka Event in der Allianz Arena, 2007

Quelle: Stephan Rumpf

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Sicher, es gibt schon warme Mahlzeiten da oben, bei den sogenannten VIPs, den verdammt wichtigen Leuten, aber, hey: Hier oben isst man auch kalt, wenn's sein muss. Zum Beispiel leicht geräucherten Ardennenschinken, dazu ein Scheibchen Weißbrot, bestrichen mit Hirschpastete mit Haselnüssen und Austernpilzen. Und wer jetzt meint, die verdammt wichtigen Leute seien in einer anderen Welt, die dürften alles, dem sei gesagt: Es ist verboten, Gläser mit auf die Tribüne zu nehmen, ja-ha, auch hier! Im Übrigen gibt es oberhalb der Rolltreppen zwei Kategorien: Die Mittelwichtigen sind auf der Ehrentribüne, die ganz Wichtigen sind ganz oben, in den einzelnen Logen. Manchmal sind da oben auch Gewinnspielsieger verschiedener Firmen, das ist lustig, gibt immer ein großes Hallo, wenn so einer auf dem Flur auf Jens Jeremies trifft. Ansonsten: Die meisten Klischees treffen zu auf das Logen-Publikum, auch auf die Art des Fußballschauens. Gerade an Winterabenden aber, das muss man zugeben, lernt man die Vorzüge von Hühnerbrust mit Paprikastreifen in Weißweinsoße mit Blick auf Fußball zu schätzen. Michael Neudecker

Start in den Sonnenuntergang

Quelle: dpa

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Vor Fußballspielen des FC Bayern betreibt der Stadionsprecher gerne allerlei Marktschreierei, rückt Sponsoren ins Bild und lädt Fans auf den Rasen, damit sie bei Gewinnspielen ihr Stadionerlebnis auskosten können. Da stand also der rundlich gebaute Mittvierziger in seiner Jeanskutte - es sollten seine fünf Minuten Ruhm werden. Eine Fluglinie hatte illustre Preise ausgerufen: An einem Glücksrad konnte der Auserwählte einen Gratisflug gewinnen. Einmal ein Fußballspiel auf einem anderen Kontinent sehen. Rio de Janeiro vielleicht. Oder New York. Lauter Traumziele waren auf der Drehtafel markiert. Der Mann wirkte leicht angespannt, es schauten ja 68 000 Leute zu. Ein wuchtiger Schwung, das Rad rattert los, die Nadel rauscht durch die Ortsmarkierungen und bleibt schließlich stehen. Ein Raunen, ein banger Blick, ein ernüchtertes Nicken: Nürnberg. Jonas Beckenkamp

Fussball 1 Bundesliga Saison 2014 2015 1 SPIELTAG FC Bayern München VfL Wolfsburg 22 08 2014 Fus

Quelle: imago/Ulmer

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Durst

Für Fangesänge braucht es gut geölte Kehlen. Elf Millionen Halbliter-Becher Bier wurden in den vergangenen zehn Jahren ausgeschenkt. Und 2,5 Millionen Cola.

Bayern München - FC Chelsea

Quelle: dpa

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Die Aufgabe ist einfach: Finde Roman Abramowitsch! Das sollte kein Problem sein am Tag des Champions-League-Finales 2012, schließlich ist der Mann der Besitzer des FC Chelsea. Allerdings veranstaltet der russische Oligarch an diesem Tag eine Version des Brettspiels "Scotland Yard": Er kommt nicht im eigenen Privatjet nach München, er isst unbemerkt in Oberföhring zu Mittag und gelangt in einer Limousine auf Umwegen in die Arena. Der Mann ist seinen Verfolgern stets zwei Schritte voraus - bis zur Nachricht, dass es im VIP-Bereich nur eine einzige Toilette gibt. Wer sich also mit einem Bier davor parkt, der begegnet ihm. Doch natürlich gewinnt am Ende "Mister X": Abramowitsch trinkt den ganzen Abend nur Mineralwasser - und natürlich fliegt er nach weniger als 24 Stunden Aufenthalt mit dem Pokal in der Hand nach London. Jürgen Schmieder

TSV 1860 München - 1. FC Heidenheim

Quelle: dpa

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Die Arena war der reinste Herpes-Pfuhl. Nach jedem Spiel, also ungefähr alle zwei Wochen, juckte es am Mundwinkel, und dann brachen sich Blasen Bahn, für die die bairische Bezeichnung Fotzbloda noch viel zu niedlich ist. Es war entsetzlich. Und es gab zwei Möglichkeiten, die Lippenseuche zu besiegen: Entweder kein Bier mehr aus diesen unwürdigen Plastikbechern trinken - oder gleich keine Jahreskarte mehr bestellen. Der Stehplatz war großartig, Block 128. Aber die Löwen ohne Bier? Dann lieber gar nicht mehr. Nun weiß jeder Küchenmediziner, dass Herpes nicht nur bei Kontakt mit dreckigen Trinkgefäßen ausbrechen kann, sondern auch bei Stress. Keine Frage, die Spielweise des TSV 1860 hat den Infekt begünstigt. Mindestens sechs Jahre liegt die letzte Blase jetzt zurück. Schon damals spielten die Löwen schlecht, aber nicht so miserabel wie heute. Ob das Stadion daran schuld ist? Auch. Es ist wie verhext. Rudolf Neumaier

Nürnberger Bratwurst

Quelle: dpa

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Appetit

Kulinarisch gesehen dominiert im Stadion die Bratwurst. Sechs Millionen Mal wurde sie verkauft. Die Leberkässemmel dagegen nur 600 000 Mal.

1860 Muenchen II v SV Elversberg - Regionalliga Playoff Second Leg

Quelle: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images

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Die Arena in Fröttmaning ist gewöhnlich ein steriler Ort. Doch am 4. Juni 2013 war dies anders. In die Arena zog Leben ein. Die zweite Mannschaft des TSV 1860 München hatte einen großartige Viertliga-Saison gespielt und kämpfte in der Relegation gegen den SV Elversberg um den Aufstieg. Das Hinspiel ging 2:3 verloren; da das Grünwalder Stadion renoviert wurde, liefen in Fröttmaning Amateurspieler auf. 15 000 Zuschauer kamen, der Lärmpegel war um zahlreiche Dezibel lauter als bei den ausverkauften Heimspielen des FC Bayern. Aus der Nordkurve hallte es dunkel: "T-S-V!" Die gegenüberliegenden Ränge antworteten. In der 85. Minute fiel unglücklich der Ausgleich. Doch die Anhänger sangen und hüpften einfach weiter. Der Aufstieg war verpasst, egal, es war ein Fußballfest. Lisa Sonnabend

FC Bayern Erlebniswelt Unveils Special Exhibition 'Kaiser. Kalle. Bomber.'

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Auch für den vom Erfolg verwöhnten Bayernfan bedeutet manches Spiel echten Stress. Wie gut, dass es in der Arena eine geschützte Zone mit immerwährender Siegergarantie gibt: die Erlebniswelt des FC Bayern. So nennt sich das Museum der Vereinsgeschichte, unterhaltsam präsentiert und vom Multimediafaktor her auf der Höhe der Zeit. Man kann die Legenden seit Beckenbauers Zeit bestaunen, Platz nehmen in einer Mannschaftsbus-Attrappe und natürlich auch selbst kicken. Den Fan freut, dass im Zentrum nicht die kritische Würdigung, sondern die bedingungslose Anbetung des FCB steht. Doch auch der Bayernhasser kann, wenn er in gebückter Haltung an der Galerie der Meisterschalen und Pokale vorbei schleicht, zumindest das Gefühl mitnehmen, dass es noch Ziele im Fußballerleben gibt. Frank Müller

Fans des FC Bayern bei der Teampräsentation im Jahr 2014

Quelle: Peter Kneffel/dpa

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Natürlich hat der weltweit beste Verein auch eines der weltweit schönsten Stadien. Nur: So richtig laut wird's dort leider nicht. Jetzt können sich die Kritiker über das Münchner Opern-Publikum lustig machen, wie sie wollen. Stimmt ja auch, in dieser Arena wird Fußball geschaut, weniger gelebt. Aber an der Architektur muss das schon auch liegen: Selbst beim Torjubel, wenn sogar die sonnenbebrillten Frauen auf der Haupttribüne kreischen, verschluckt der Rasen irgendwie den Krach. Wenn dagegen in Dortmund der Ball über die Linie rollt, dann ist da kein Lärm, da folgt die Apokalypse. Diese Tribünen, die wie Steilwände über das Spielfeld ragen, jagen den Torschrei mit derart brachialer Gewalt ins Geviert zurück, dass der Stahlbeton zittert. Das gibt's in München nicht mal gegen Barcelona. Dafür leuchtet der Schwimmreifen bei Champagner-Spielen in romantischem Rot. Davon können die beim BVB nur träumen. Florian Fuchs

Bayern Muenchen v Werder Bremen - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

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Wer dem FC Bayern nicht ganz so wohlgesonnen ist, muss sich vor jedem Besuch in der Arena fragen: Will ich wirklich sehen, wie die andere Mannschaft zerfleischt wird? Bremen reiste als Vizemeister an, als mich ein Kumpel 2008 einlud, Haupttribüne Unterrang, direkt über der Grasnarbe. Zum Wiesn-Auftakt verlieren die Bayern besonders ungern. Aber dann passierte Wunderliches: 0:1 Rosenberg (30.), 0:2 Naldo (45.), 0:3 Özil (54.), 0:4 Pizarro (59.), 0:5 Rosenberg (67.). Ein herrliches Spiel, dominiert von einem grandiosen Özil, gekrönt von Borowski, dem Ex-Bremer, der zwei Buden gegen seine alte Mannschaft machte. Man muss nicht den SV Werder im Herzen tragen, um sich zu freuen, an dem Tag nicht im Hacker-Festzelt gesessen zu haben. Mein Kumpel aber, der ist abergläubisch, er hat mich nie wieder mitgenommen in die Arena. Thierry Backes

Morgenstimmung über München

Quelle: Peter Kneffel/dpa

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Fans

Viele Rote, nicht ganz so viele Blaue und dann noch Schlachtenbummler von Barcelona bis Aue: 24 114 596 Fans verfolgten seit 2005 die Spiele in der Arena.

© SZ vom 30.05.2015/vewo
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