Journalismus:Das Lokale wird global

Heute entsteht die Zeitung in zwei Welten: Papier und Netz. Früher glich Zeitungsmachen dagegen einer Bastelstunde. Artikel entstanden auf Schreibmaschinen. Dann puzzelte man alles zusammen, und um 16 Uhr kam ein Fahrradbote.

Von Viktoria Großmann

Computer, Telefon, schwarzer Drehstuhl, viel Papier, auf dem Kaffeetassen braune Ringe hinterlassen haben. Der Arbeitsplatz eines Redakteurs unterscheidet sich kaum von dem eines Versicherungsangestellten oder Verwaltungsbeamten. Nur in einigen Büros liegen noch merkwürdige Gerätschaften herum. Lineale, die neben Zentimetern auch Zeilenabstände anzeigen. Runde Scheiben mit Zahlenkränzen, eine Art Rechenhilfe für die Skalierung von Bildern. Sie erinnern an eine Zeit, als Zeitungsmachen einer Bastelstunde glich. Als auf Papierbögen aufgezeichnet wurde, wo wie viel Text hinkam und wie groß das Foto dazu werden durfte. Diese wurden eilig, notfalls in einer verdunkelten Toilettenkabine, mit stinkenden Chemikalien entwickelt. Ein Redakteur markierte mit Rotstift den gewünschten Bildausschnitt. Artikel entstanden auf Schreibmaschinen. Dann puzzelte man alles zusammen, und um 16 Uhr kam ein Fahrradbote, der die Bastelseiten abholte und allen Ernstes mit der S-Bahn nach München brachte. Später gab es dann ein Fax.

Diejenigen Redakteure, die heute so alt sind wie die Dachauer SZ oder jünger, können sich das nicht mehr vorstellen. Heute wird das Layout am Computer gemacht. Nur die altmodischen Begriffe haben sich erhalten: Seiten aufreißen nennt man das oder auch Umbrechen. Zwischen der Fertigstellung der Seite und dem sogenannten Andruck vergeht heute kaum noch Zeit. Kein persönlicher Botengang. Nur ein Zuruf: Fertig! Noch kurz bevor die Maschinen anlaufen, arbeiten wir an den Texten.

Die Uhren müssen damals anders gegangen sein. Langsamer. Wenn ein Brand ausbrach, nachdem der Bote weg war, erfuhr der Leser Offizielles dazu erst aus der Zeitung von übermorgen. Heute bekommt er sofort online eine Nachricht. Auch sonntags. Wir arbeiten an zwei Bildschirmen, mit zwei Systemen und in zwei Welten: auf Papier und im Netz. Wenn ein Liebespaar aus Hilgertshausen nach mehr als 50 Jahren wieder zusammenfindet, dann wird das in ganz Deutschland gelesen. Wenn ein Bäcker in Ampermoching nicht mehr weiß, wie er noch genügend Brezn backen soll, weil seine Angestellten vom Bundesamt für Flüchtlinge ausgewiesen werden, dann interessiert das auch Leser in Österreich. Das Lokale wird global. Das ist die Idee des Internets. Dem Lokaljournalismus hat es eine neue Bedeutung gegeben. Und eine große Chance.

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