Josef Schmid:"Bittere Wahrheit"

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"Die Armutsprobleme der Welt können wir nicht in München und Bayern lösen": Josef Schmid (CSU). (Foto: Rumpf)

Der CSU-Bürgermeister greift Seehofer an - und stützt ihn

Interview von Dominik Hutter

Debatten über neue Flüchtlingsunterkünfte zählen inzwischen zur Routine des Stadtrats, auch nächste Woche soll es im Plenum weitergehen. CSU-Bürgermeister Josef Schmid nimmt Stellung zum verschärften Kurs seiner Partei in der Asylpolitik.

SZ: Leidet München unter "massenhaftem Asylmissbrauch", um mal im Tonfall von Horst Seehofer zu bleiben?

Josef Schmid: Ich glaube, dass wir bei der Debatte sehr stark auf die Tonalität achten müssen. Mir ist ganz wichtig, dass wir das Thema sachlich und ohne Ideologie angehen. Wir müssen offen über Probleme reden. Der berühmte Sozialdemokrat Kurt Schumacher hat einmal gesagt: Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.

Sachlich, auch im Tonfall. Haben Sie das Horst Seehofer schon einmal gesagt?

Ich sage es hiermit. Und ich würde es ihm jederzeit sagen, wenn ich ihn treffe. Allerdings habe ich auch zur Kenntnis genommen, dass Seehofer im Landtag eine Rede gehalten hat, die selbst von seinen Gegnern als staatstragend und gut bezeichnet wurde. Es hat nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun, wenn Sachprobleme angesprochen werden. Wir haben ein massives Unterbringungsproblem. Es muss erlaubt sein, das auch in der Öffentlichkeit zu sagen. Und ich hoffe, dass das auch diejenigen tun, die sich sonst nur hinter verschlossenen Türen äußern. Jeder, der so tut, als gäbe es das nicht, macht den Menschen etwas vor.

Ist damit die Münchner Stadtpolitik gemeint, vielleicht auch Ihr Bündnispartner SPD?

Ich kann nur für mich sprechen. Und ich finde es an der Zeit, dass sich auch ein Bürgermeister aus München zu der Thematik äußert. Auch ich habe lange nur zur Kenntnis genommen, welche neuen Standorte wir noch haben. Aber es geht darum, die Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, weiterhin menschenwürdig versorgen zu können. Es ist an der Zeit zu sagen, dass wir in wenigen Wochen nicht mehr in der Lage sein werden, die Leute unterzubringen. Wir diskutieren seit langem, was wir tun können. Und jetzt hat die CSU einen Vorschlag gemacht.

München würde von Abschiebelagern profitieren?

Es herrscht große Einigkeit, dass die Asylverfahren beschleunigt werden müssen. Darauf zielt der Vorschlag von Horst Seehofer ab. Auch in München kommen 37 Prozent der Flüchtlinge aus dem Kosovo und aus Albanien - deren Anerkennungsquote geht gegen null. Wir müssen aber vor allem die unterbringen, die unseren Schutz brauchen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Der Begriff Abschiebelager hat übrigens in der aktuellen Diskussion oft einen diffamierenden Unterton. Es geht um Erstaufnahmeeinrichtungen an der Grenze. Wer das in die schreckliche deutsche Lagertradition stellt, ist realitätsfern und geschmacklos.

In diesen Einrichtungen nimmt man das Ergebnis des Asylverfahrens einfach schon einmal vorweg.

Es gibt einen Stau von alten Asylanträgen, der abgearbeitet werden muss. Gleichzeitig wächst die Zahl der Flüchtlinge an, und die Prognosen sagen, dass es noch mehr werden. Wir müssen überlegen, wie wir die Verfahren so gestalten, dass sie auch vorankommen. Wir beschäftigen uns Montag für Montag bei der Stadt mit dem Umstand, dass immer mehr Flüchtlinge kommen. Allein in der vergangenen Woche waren es mehr als 3700. Wir diskutieren neue Standorte, und wir sind längst schon bei Standorten angelangt, die vor Monaten noch als ungeeignet galten.

Was passiert denn in einigen Wochen, wenn es keine Kapazitäten mehr gibt?

Wir wollen eigentlich keine Traglufthallen, und wir wollen keine Turnhallen belegen. Aber wenn das so weitergeht, werden wir alle Möglichkeiten diskutieren müssen. Der Vorschlag von Horst Seehofer hilft uns weiter. Mir ist wichtig, dass wir diejenigen unterbringen können, die unseren Schutz dringend brauchen - die Flüchtlinge aus Ländern wie Afghanistan, Eritrea oder Syrien, die eine sehr hohe Anerkennungsquote haben. Rein persönlich habe ich großes Verständnis für Menschen, die vor Armut fliehen. Aber die Armutsprobleme der Welt können wir nicht in München und Bayern lösen. Das ist die bittere Wahrheit.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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