Johanneskirchen:"Wo sollen wir einkaufen, wo zum Arzt gehen?"

Johanneskirchen: Für die Mieter im Freischützgarten wird es bald teuer.

Für die Mieter im Freischützgarten wird es bald teuer.

(Foto: Robert Haas)
  • Das Ortsteilzentrum Freischützgarten in Johanneskirchen - ein Komplex aus Geschäften und Wohnungen - soll saniert werden.
  • Die Eigentümer wollen maximalen Gewinn erwirtschaften.
  • Bei den Anwohnern löst das Empörung aus.

Von Ulrike Steinbacher, Johanneskirchen

Das knapp 30 Jahre alte Ortsteilzentrum Freischützgarten an der Johanneskirchner Straße wird von Grund auf saniert. Der neue Eigentümer Munich Residential GmbH (MR) will die Gewerberäume im ersten und zweiten Stock in Wohnungen umwandeln und die Ladenzeile im Erdgeschoss neu strukturieren. Vertreter des Unternehmens pochten bei der Vorstellung des Projektes im Unterausschuss Planung des Bezirksausschusses (BA) auf ihre Rechte als Eigentümer und kündigten an, ihren Spielraum für Mieterhöhungen voll auszuschöpfen. Dagegen hatten schon im Winter Ladenbetreiber protestiert, die ihre berufliche Zukunft ebenso in Gefahr sehen wie langjährige Kunden ihre Geschäfte, Arztpraxen und Sportstudios. In der Plenumssitzung missbilligten Vertreter von SPD und CSU am Dienstag das Vorgehen der MR. Eine Möglichkeit einzuschreiten sahen sie nicht.

MR-Geschäftsführer Moritz Opfergeld hatte den Stadtviertelvertretern das Projekt Freischützgarten vergangene Woche im Unterausschuss Planung gemeinsam mit seinem Vater Oswald vorgestellt, der zur MR-Geschäftsleitung gehört. Zur Sitzung gekommen waren auch etwa zwei Dutzend Ladenbetreiber und Anwohner, die ihren Unmut in Zwischenrufen und scharfen Fragen äußerten.

Moritz Opfergeld sagte, die Stadt habe den Vorbescheid erteilt, eine Zustimmung der Nachbarn sei nicht erforderlich, da die Abstandsflächen eingehalten würden. Mit der Kernsanierung des Freischützgartens wolle man Schäden im Inneren der sechs Häuser und an den Außenfassaden beheben. Die Anlage habe mit Problemen durch Lärm, Gerüche, Schimmel und Feuchtigkeit zu kämpfen. Oswald Opfergeld ergänzte, es sei geplant, eine Etage aufzustocken, das Dach zu sanieren und die Dämmung zu erneuern. Gebaut wird zwei Jahre lang in drei Bauabschnitten. Betroffenen Wohnungsmietern sollen Ausweichquartiere angeboten werden.

Die Sanierung der Geschäfte im Erdgeschoss soll nach Oswald Opfergelds Angaben innerhalb von vier Monaten abgeschlossen sein. Er erklärte, die MR wolle die Ladeneinheiten nicht auflösen. Vielmehr "wollen wir sie komplett neu strukturieren, weil es so, wie es jetzt ist, nicht funktioniert", sagte er unter Protestrufen der Zuhörer. Eine Reihe von Mietern, wie Metzger, Bäcker, Optiker, die Sparkasse und eines der Restaurants würden bleiben. Anderen habe man nicht etwa gekündigt, vielmehr seien deren Verträge nicht verlängert worden. Und mit den Übrigen bemühe man sich um einvernehmliche Lösungen. "Wir verstehen das Geschrei eigentlich nicht", resümierte Opfergeld.

Auf konkrete Nachfragen bekamen die BA-Mitglieder nur wenige zusätzliche Informationen: Die Zahl der neu entstehenden Wohneinheiten sei noch offen, sagten die Opfergelds, ebenso die Frage, wer die künftigen Mieter seien. Nur eine Nutzung als Boardinghaus oder Unterkunft für Medizintouristen schlossen die MR-Vertreter explizit aus. Moritz Opfergeld hob allerdings auch mehrmals hervor: "Die Vermietungsentscheidung liegt doch ganz klar beim Eigentümer."

Das Unternehmen wolle den Freischützgarten nach der Renovierung nicht verkaufen, sondern die Geschäftsräume und Wohnungen selbst "ganz normal am Mietmarkt anbieten", sagte er. Läden des täglichen Bedarfs werde es künftig dort nicht mehr geben, denn da hätten die Anwohner gleich auf der anderen Straßenseite genug Auswahl.

Nicola Holtmann (ÖDP) und Angelika Pilz-Strasser (Grüne) hoben hervor, dass die drei Arztpraxen, die bisher im ersten Stock der Anlage untergebracht waren und jetzt ausziehen, im Viertel dringend benötigt würden. Eine Besucherin griff den Hinweis auf: "Wo sollen wir einkaufen, wo zum Arzt gehen?", fragte sie. Nach dem neuen Mietspiegel gelte Johanneskirchen in München als durchschnittliche Lage, fällt also in die preisgünstigste Kategorie. Die Menschen im Stadtviertel seien Normalverdiener, ein gehobenes Angebot werde sie nicht interessieren. Eine andere Zuhörerin warf den Eigentümern vor, sie würden die Infrastruktur für die Anwohner zerstören. "Sie nehmen uns die Geschäfte weg, die wir brauchen und wollen."

Wohin diese Entwicklung führen wird, machte Xaver Finkenzeller (CSU) dann am Dienstag im Bezirksausschuss deutlich: Die künftigen, wohlhabenderen Mieter würden in anderen Geschäften einkaufen wollen. Sie "werden überhaupt kein Interesse mehr haben an dem, was Daglfing und Johanneskirchen prägt." Die Verdrängung alteingesessener Bewohner durch steigende Mieten, habe begonnen.

Dass es der Munich Residential um die Maximierung der Rendite geht, hatten die MR-Vertreter schon im Unterausschuss Planung klar gesagt. MR investiere schließlich 20 Millionen Euro in das Projekt. "Wir werden die Mieten auf das erhöhen, was der Markt hergibt", kündigte Oswald Opfergeld an. Eine Bewohnerin erklärte, ihr sei bereits eine Mieterhöhung von 15 Prozent angekündigt worden. Die Geschäfte würden nicht auf Luxus-Niveau angehoben, sagte Opfergeld, aber: "Wenn wir das kernsanieren, verlangen wir 20 bis 22 Euro Mietpreis, wie er ortsüblich ist." Derzeit gebe es Gewerbemieter, die neun Euro pro Quadratmeter bezahlten.

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