Johannes Paul II.:Ein Botschafter des Friedens im Kalten Krieg

In den Jahren 1978, 1980 und 1987 ist Karol Wojtyla in München zu Gast - auf der Theresienwiese erwarten ihn 600.000 Menschen.

Von Wolfgang Görl und Monika Maier-Albang

Als Karol Wojtyla am 24.September 1978 im Liebfrauendom einen Pontifikalgottesdienst zelebrierte, war das gewiss ein Ereignis für fromme Katholiken, ansonsten aber nichts, was profaner gestimmte Geister sonderlich interessiert hätte.

Johannes Paul II.: Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in München 1980 (hinter ihm Kardinal Joseph Ratzinger).

Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in München 1980 (hinter ihm Kardinal Joseph Ratzinger).

(Foto: Foto: dpa)

Der Mann fungierte damals als Erzbischof von Krakau, und er war im Gefolge des Primas der katholischen Kirche Polens, des Kardinals Stefan Wyszynski, nach München gekommen. Aufsehen erregender war da schon der Sühnegottesdienst, den Wyszynski am selben Tag im einstigen Konzentrationslager Dachau gehalten hatte.

Es schien, als wäre der Erzbischof nicht viel mehr als eine Begleitperson. Immerhin, in der auf Deutsch gehaltenen Predigt erinnerte Wojtyla zur Freude der Zuhörer an seinen ersten München-Besuch im Jahr 1974 und an die damalige Begegnung mit Kardinal Julius Döpfner, den er für seine Verdienste um die deutsch-polnische Aussöhnung feierte. Am Grab Döpfners in der Krypta des Doms betete er gemeinsam mit Kardinal Wyszynski.

Es ist die Zeit des Kalten Krieges. In Polen herrschen die moskautreuen Kommunisten, und der Friede zwischen Ost und West gründet im Potenzial, den jeweils anderen atomar zu vernichten, ehe man selbst untergeht. In Rom war einen Monat zuvor, am 26.August 1978, Kardinal Albino Luciani zum Papst gewählt geworden.

Er nennt sich Johannes Paul I. Am 28. September, vier Tage nach Wojtylas Besuch in München, stirbt der Papst. Knapp drei Wochen später wird Karol Wojtyla sein Nachfolger.

Predigt für die Jugend

Es ist ein kalter Novembertag des Jahres 1980, als der ehemalige Erzbischof von Krakau erstmals als Papst die Stadt München besucht. Die bayerische Landeshauptstadt ist die letzte Station einer fünftägigen Deutschlandreise. Johannes PaulII. kommt in Begleitung von Kardinal Joseph Ratzinger mit einem Sonderzug aus Altötting, am Hauptbahnhof empfangen ihn Kinder mit Blumen sowie Oberbürgermeister Erich Kiesl und Ministerpräsident Franz Josef Strauß.

Im Konvoi fährt der Papst zur Theresienwiese, wo 600.000 Menschen auf ihn warten. Von einer mit Chrysanthemen und Koniferen geschmückten Altarinsel aus feiert Johannes Paul II. eine Messe. In seiner Predigt wendet er sich an die Jugend, die er davor warnt, sich in Resignation zurückzuziehen oder sich in Drogen und falsche Heilslehren zu flüchten.

Als nach dem Gottesdienst ein paar Jugendvertreter Gelegenheit haben, mit dem Papst zu sprechen, kommt es zu einem "Zwischenfall". Barbara Engl, Münchner Diözesanvorsitzende des Bundes der Katholischen Jugend, trägt überraschend eine kirchenkritische Erklärung vor, in der es unter anderem heißt: "Für Jugendliche ist aber die Kirche der BRD schwer zu verstehen. Sie haben den Eindruck, dass sie ängstlich an bestehenden Verhältnissen festhält."

Johannes Paul II. quittiert die kritischen Worte mit Schweigen. "Er hat gelassener darauf reagiert als wir alle", sagt Gerhard Gruber. Er war Generalvikar des Erzbistums damals, begleitete den Papst bei drei seiner Besuche in München: 1978, 1980 und 1987. Was ihn schon damals so beeindruckt habe an diesem Mann, sagt Gruber heute, sei die Fähigkeit von Johannes Paul II. gewesen, aufmerksam zuhören zu können.

Trotz der vielen Termine habe er nie gehetzt oder in Eile gewirkt. Zum ersten Mal begegnete Gruber dem Papst 1978, als der noch Erzbischof von Krakau war und als Begleiter von Kardinal Wyszynski in München. Man saß beim Frühstück im Erzbischöflichen Palais zusammen, und der polnische Bischof interessierte sich dafür, wie die Münchner mit dem Priestermangel umgehen. "Damals schon!", sagt Gerhard Gruber.

Also habe er von den ersten Planungen berichtet, "dass wir Pfarrverbände einrichten und verstärkt Diakone und Pastoralreferenten ausbilden wollen." Der Erzbischof habe "sehr interessiert" gelauscht.

Am 4.Mai 1987 ist Johannes PaulII. letztmals in München. Auf dem Flughafen begrüßen ihn Ministerpräsident Strauß und Kardinal Friedrich Wetter. Es ist ein Blitzbesuch: Gerade mal sieben Stunden dauert er, aber die Sicherheitsvorkehrungen sind gigantisch. Man weiß, der Papst ist eine höchst gefährdete Person. Sechs Jahre zuvor war er bei einer Generalaudienz auf dem Petersplatz in Rom von dem türkischen Rechtsextremisten Mehmet Ali Agca durch mehrere Schüsse schwer verletzt worden.

Im Olympiastadion haben sich 82.000 Gläubige versammelt, um dabei zu sein, wenn Johannes PaulII. den Münchner Jesuitenpater Rupert Mayer selig spricht. Während des Gottesdiensts im Stadion ruft der Papst die Christen zu größerem politischen Engagement auf: "Setzt euch wie Rupert Mayer für Gottes Rechte und Gottes Ehre auch in der Öffentlichkeit ein. Wo Gott und sein Gesetz nicht geehrt werden, erhält auch der Mensch nicht sein Recht."

Zudem schneidet der Papst in seiner Predigt ein Thema an, das ihm in diesen Tagen besonders am Herzen liegt: "Die hohe Zahl der Ehescheidungen und die geringe Kinderzahl zeigen, welch großen Belastungen und Bedrohungen die Familie in der heutigen Gesellschaft ausgesetzt ist."

Nach der Messe fährt Johannes PaulII. im "Papamobil", umjubelt von vielen Zuschauern, durch die Münchner Innenstadt zur Bürgersaalkirche, um am Grab Pater Rupert Mayers zu beten. Es folgt eine kurze Visite im Erzbischöflichen Palais, ehe es von der Theresienwiese aus per Hubschrauber weiter gehen soll nach Augsburg.

Just zum Abflugtermin setzen gewaltige Sturmböen, Blitz, Donner, Hagel und Schneegestöber ein. An einen Flug ist nicht zu denken. Johannes Paul II. ist gezwungen, München mit dem Auto zu verlassen. Es ist ein Abschied für immer.

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