Jenniffer Kae in München:"Nein! Noch nicht aufhören!"

Gänsehaut vom Anfang bis zum Ende. Jenniffer Kae verzaubert im Ampere-Club das Publikum und beweist, dass Deutschland musikalisch mehr zu bieten hat als Sternchen aus der Casting-Retorte.

Rebecca Brielbeck

Anfangs ist die Stimmung noch etwas verhalten. Das Ampere ist nur etwa zur Hälfte gefüllt und so ist für die etwa 70 Gäste, die im Durchschnitt Mitte 30 sind, genug Platz, um sich an den Rand verdrücken zu können.

Jenniffer Kae in München: Echte Emotionen und lockere Atmosphäre: Jenniffer Kae erobert im Münchner Ampere-Club die Herzen der Zuschauer.

Echte Emotionen und lockere Atmosphäre: Jenniffer Kae erobert im Münchner Ampere-Club die Herzen der Zuschauer.

(Foto: Foto: dpa)

Das gefällt Jenniffer Kae überhaupt nicht: "Ich kann Euch ja gar nicht sehen, wenn ihr so weit weg von mir im Dunkeln steht. Kommt doch alle ein paar Schritte nach vorn!" Gesagt, getan, alle kommen näher zur kleinen Bühne, auf der an diesem Abend Kae und ihre sechsköpfige Band Platz finden. "So ist es schon viel besser!" lobt die Sängerin. Kae nimmt einen bereits nach wenigen Sekunden gefangen mit ihrer Art: Kokett bewegt sie sich und flirtet bei jeder Gelegenheit mit dem Publikum.

Schon beim ersten Ton verursacht ihr Gesang Gänsehaut: In ihren schwarzen Leggings und dem langen, weiten glitzernden Oversize-Top wirkt die junge Frau so zierlich, kaum zu glauben, dass sie es ist, die dem Publikum diese Töne entgegen schleudert. Hört man ihre tiefe, volle Stimme, möchte man meinen, eine waschechte amerikanische Souldiva steht auf der Bühne und nicht eine 20-Jährige aus dem kleinen Dorf Königsau in der Nähe von Mainz.

Qualität und Authentizität

Doch genau so ist es. Mit ihrem Debut "Faithfully" hat Jenniffer Kae zusammen mit ihrem Produzenten Peter Hoffmann, der schon Tokio Hotel zum Erfolg verhalf, ein gut durchdachtes Soulalbum herausgebracht, das ruhige Balladen und mitreißende Ohrwürmer zu bieten hat. Das junge Talent erinnert an Joss Stone, wenn man ihr zuhört, wie sie ihren Mix aus Soul und Jazz und einer Prise R 'n' B vorträgt. Stimmlich steht sie dem Ausnahmetalent aus Großbritannien in nichts nach. Zudem gehört Kae zu den Künstlern, die live mindestens genau so gut klingen wie auf dem Studioalbum.

Ihre Musik wirkt nicht, als wäre sie in erster Linie auf den kommerziellen Erfolg ausgerichtet, sondern setzt vielmehr auf Qualität und Authentizität. Kae hat viel von sich selbst in das Album eingebracht. Das lässt sich nicht zuletzt beim Auftritt beobachten: Die Tränen, die ihr übers Gesicht laufen, als sie in "OK" über eine zerbrochene Beziehung singt und auch die gute Laune bei "Coffee Cup" wirken nicht gespielt. Die Sängerin steht hinter dem, was sie singt und das macht sie und ihre Musik so sympathisch. Eine angenehme Ausnahme zwischen dem zur Zeit vorherrschenden Mainstream-Castingshow-Lala.

"Was gibt es Gruseligeres als Michael Jackson"

Das finden auch die Leute im Publikum und danken es Kae mit tosendem Applaus. Die junge Sängerin hat die Herzen der Zuschauer erobert. Unglaublich, dass dieser Auftritt erst ihr zweiter ist, so routiniert steht sie auf der Bühne, so sehr harmoniert sie mit ihrer Band. Sie geht originell mit der Tatsache um, dass ihr Repertoire an selbstgeschriebenen Songs noch nicht für ein ganzes Konzert ausreicht: "Gestern war ja Halloween und deswegen wollte ich Euch etwas ganz Gruseliges mitbringen. Und was gibt es schon Gruseligeres als Michael Jackson?" So trägt sie ihre Version von "The way you make me feel" vor. So lustig, dass jeder schmunzeln muss und trotzdem so überzeugend, dass die Gänsehaut gar nicht mehr weggehen möchte. Und zwar nicht, weil es so gruselig ist.

Als sie das letzte Lied des Abends ankündigt, schallt ihr ein vehementes "Nein! Noch nicht aufhören!" entgegen. Zweimal noch wird eine Zugabe gefordert und dieser Forderung kommt Jenniffer Kae gerne nach. Es ist erfrischend, dass sich an dieser Stelle noch keine Routine breitgemacht hat. Sie spielt, ganz unüblich, zuerst eine Ballade und erst die zweite Zugabe ist ihre aktuelle Singleauskopplung "Do you love me?". Dann ist nach etwa einer Stunde und 15 Minuten Schluss. Leider. Mit "Das war wirklich ein geiler Abend!", verabschiedet sich die Newcomerin. Schade, die meisten hier könnten ihr wohl noch die ganze Nacht zuhören.

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