Jazz-Sängerin Jenny Evans:"Man kann nicht den ganzen Abend Balladen singen"

Lesezeit: 4 min

Jenny Evans prägt seit Jahrzehnten die Jazz-Szene in München mit. Vor ihrem Auftritt in der Unterfahrt erklärt sie, warum sie nichts gegen "New York, New York" hat und warum Musik als Therapie wirkt.

Lena Jakat

Aufrecht sitzt Jenny Evans da, sehr aufrecht, den Kopf mit dem auftoupierten silbernen Bop nach vorn gereckt. Die Jazzsängerin ist in London geboren, seit mehr als dreißig Jahren lebt und arbeitet sie in München. Ihre Gesten sind theatralisch, die Mimik ist routiniert. Doch die Entertainerin sitzt nicht etwa - wie so oft - auf der Bühne im Jazzlokal Unterfahrt, sondern auf einem schnöden Sessel zum Interview.

Jenny Evans Jenny Evans (Foto: oh)

Jenny Evans: Sitzen Sie gerade!

sueddeutsche.de: Ich soll mich aufrechter hinsetzen - so?

Evans: Ja. Sehr gut.

sueddeutsche.de: Kann ich sonst noch etwas tun?

Evans: Sie sollten auch mehr singen: Singen, singen, singen.

sueddeutsche.de: Warum?

Evans: Wenn ich Gesangsstunden gebe, betrachte ich das für die meisten als Musiktherapie. Die meisten Leute genieren sich, haben Hemmungen. Dann fangen sie an zu singen, und ich merke: Die können auch reden, das ist nicht mehr nur dieses Nasale, sondern die formen den Mund durch den Gesang. Und dann stehen diese Frauen auf einmal - bumm - da.

Evans breitet die Arme aus und reckt den Hals noch ein bisschen mehr.

sueddeutsche.de: Sie wollen also Selbstbewusstsein vermitteln?

Evans: Ja, genau. Eine meiner Schülerinnen macht Amateurtheater. Sie hat gesagt, das Singen habe ihr so geholfen in ihrem Beruf, sie traue sich jetzt mehr. Sie freut sich, das ist toll. Und ich freue mich, wenn ich schöne Töne höre.

sueddeutsche.de: Sie sind immer so selbstsicher, nie nervös?

Evans: Natürlich kenne ich eine gesunde Spannung. Aber ich kriege jetzt keine zitternden Knie oder so was.

sueddeutsche.de: Wie kommt das?

Evans: Mein Selbstbewusstsein habe ich auch vom Schauspiel. In meiner Jugend in England habe ich viel Theater gemacht, und Musik. Diese Liebe zur Bühne hatte ich schon immer.

sueddeutsche.de: Keine Bühne ohne Publikum. Man sagt ja, der Applaus sei das Brot des Künstlers...

Evans: Aufmerksamkeit. Das ist das Wichtigste, nicht der Applaus. Wenn ich ins Publikum schaue und Augen sehe statt Hinterköpfe oder Profile. Wenn der Bassist oder der Schlagzeuger ein Solo spielen, applaudieren die Leute immer, aber bei einer Sängerin ist es erst mal so

Evans schweigt und reißt in ehrfürchtigem Staunen die Augen auf.

Wenn das Publikum an meinen Lippen hängt, das baut mich richtig auf.

sueddeutsche.de: Und die Leute klatschen nicht?

Evans: Manchmal scatte ich. Das imponiert den Leuten schon. Dann klatschen sie immer. Aber eigentlich nervt es mich, wenn man wie ein Akrobat alle seine Kunststücke zeigt, das ist wie im Zirkus.

sueddeutsche.de: Was singen Sie selbst denn am liebsten?

Evans: Hmmm. Balladen singe ich wahnsinnig gerne. Aber man kann auch nicht den ganzen Abend Balladen singen. Ich lass' auch gerne die Sau raus.

sueddeutsche.de: Sie spielen nicht nur eigene Konzerte, sondern werden auch für Firmenfeiern engagiert...

Evans: Ich mache alle Sachen, die sehr sehr viel Geld bringen. Wenn ich für Veranstaltungen gebucht werde, kommen die Leute nicht wegen mir, sondern ich bin da, um eine Rolle zu spielen. Das ist dann ganz was anderes. Da singe ich natürlich "New York, New York". Auch, wenn es sich niemand gewünscht hat.

Evans nimmt eine theatralische Showstimme an und deutet ins fiktive Publikum.

And now as a special request for the gentlemann over there! Dann singe ich "New York, New York", na klar. Ich singe auch was von den Beatles. Da kann man sich auch ein bisschen bewegen auf der Bühne. Ich hab da keine Probleme damit! Und das finanziert meine eigenen Sachen.

sueddeutsche.de: Sie haben lange Stücke von George Gershwin, Duke Ellington oder Django Reinhardt gesungen und waren damit ziemlich erfolgreich. Warum jetzt etwas Eigenes?

Evans: Das stimmt. Es war ein langer Weg. Über viele, viele Jahre habe ich nur Standards gesungen, oder jemand hat mir einen Text gegeben. Dann habe ich mir gesagt: "Komm, mach mal was anderes."

sueddeutsche.de: So wie die indischen Klänge in "Moonlight on the Ganges"?

Evans: Zuerst bin ich ein bisschen mehr in die Weltmusik reingegangen, dann hab' ich mich nur auf europäische Komponisten konzentriert. Und auch Sachen aus der Klassik gemacht oder dem Frühbarock. Das alles will ich auch versuchen, weiterzumachen, auch weil vielleicht die Leute - ich will nicht sagen, dass sie das von mir erwarten...

sueddeutsche.de: ... sondern Sie von sich selbst?

Evans: Es ist schon wichtig, was Eigenes zu machen, einen eigenen Zugang zum Jazz zu finden. Es bringt nichts, zu kopieren. Ich möchte mit meiner Musik meine persönlichen Ansprüche erfüllen. Zum Beispiel, wenn meine Stimme schlecht ist oder ich ein bisschen heiser bin.

Evans krächzt, die Imitation einer Halsentzündung, und seufzt.

Ich finde das grau-en-haft. Aber die Leute sagen: "Jenny, Deine Stimme hört sich so toll an!". Also meine Ansprüche erfülle ich dann nicht, dem Publikum gefällt es trotzdem.

sueddeutsche.de: Das Jazz-Publikum gilt gemeinhin als besonders anspruchsvoll...

Evans: Manche, die sagen, dass sie Jazz lieben, hören auch "Brigitte Bar Jazz". Oder Robbie Williams. Aber das ist auch nicht schlecht, ganz im Gegenteil, es ist wunderbar, weil es auch ein junges Publikum an den Jazz heranführen kann.

sueddeutsche.de: Das klingt fast missionarisch.

Evans: Ja, ich bin eine Missionarin des Jazz.

sueddeutsche.de: Wie bringen Sie Ihre Botschaft unters Volk?

Evans: Ich möchte die Menschen durch gute Musik vom Jazz überzeugen. Dafür reicht es aber nicht, wenn eine Sängerin nur singt. Sie muss eine Beziehung zu den Zuhörern aufbauen, durch den Text, durch die Ansagen. Es geht darum, das Publikum zu unterhalten, und so die Brücke zu schaffen.

Am Donnerstag, den 30. September tritt Jenny Evans um 21Uhr im Jazzclub Unterfahrt auf, Einsteinstraße 42, Reservierungen ab 18:30 Uhr unter 089/4482794. Sie stellt ihr neues Projekt "The Four Seasons Of Love" vor mit Liedern über die verschiedenen Jahreszeiten.

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