Jahreswechsel:Welcher Silvester-Typ sind Sie?

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Dinner for one ist ein Silvesterklassiker. Doch man muss zum Jahresausklang nicht über den Tiger stolpern, um Spaß zu haben. (Foto: Annemarie Aldag/NDR/dpa)

Planer, Genießer oder Ignorant: Wie man den Jahreswechsel feiert, hängt von den Umständen ab - und vom eigenen Charakter. Eine Typologie.

Von Laura Kaufmann

Es ist eine ganz besondere Nacht, in der das alte Jahr verabschiedet und das neue begrüßt wird. Wie, wo und mit wem das geschehen soll, dazu hat jeder seine ganz eigenen Vorstellungen, je nach Typ.

Der Planer

"Was macht ihr eigentlich an Silvester?", fragt der Planer, während die Runde gerade die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres am Isarufer auskostet. Hinter seinem oder ihrem Rücken werden sofort alle Augen verdreht, obwohl es für jeden, der sich bald zu einer verbindlichen Zusage durchringen kann, ein Segen sein wird, diese Frage gestellt bekommen zu haben. Denn der Fragende ist ein Meister des Organisierens. Und wo könnte Silvester schöner sein als in trauter Runde auf einer Hütte?

Genau die sucht der Planer jetzt heraus, vergleicht Angebote und nervt den Rest der seit Juli bestehenden WhatsApp-Gruppe mit Vorschlägen, Preisen und der Frage, wer mit wem auf einem Zimmer schlafen möchte. Die Ausgewählten müssen eigentlich nichts weiter tun, als allem brav Folge zu leisten. Aber wehe, der Orangensaft für den Neujahrsbrunch wird vergessen!

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Am Abend selbst spaziert die Runde zu einer Alm, isst deftig, trinkt jede Menge Obstler und steht selig im tiefen Schnee, wenn der Wirt Raketen zündet. Was für eine tolle Idee, das mit der Hütte! Zurück in der Stadt meldet sich der Planer bald wieder via WhatsApp: "Mir haben erst zwei Leute das Geld überwiesen, bitte denkt bald dran!"

Der Genießer

Die Kinder, falls vorhanden, sind schon lange aus dem Haus, der Bekanntenkreis ist im Urlaub oder anderweitig verplant. Für den Restaurantbesucher und seinen Partner ist es keine Frage, dass sie an Silvester ausgehen werden, wie jedes Jahr. Zu zweit am Esstisch, wie jeden anderen Tag, das ist dann doch ein wenig trist. Der Ausgehende weiß schon lange, was er Silvester unternimmt. Eine richtige Gala wie im Bayerischen Hof oder im Löwenbräukeller, aufs Tollwood oder einfach in ein Restaurant mit Menü und schönem Rahmenprogramm.

Um nichts muss sich der Gast dabei kümmern, und das ist nach dem Weihnachtsstress der vergangenen Tage gerade recht. Das darf dann auch etwas mehr kosten. Dank mehrerer Gänge, üppigem Buffet, Live Bands und Tanz zieht sich der Abend in eine dem Anlass angemessene Länge. Wer im Mangostin Hummer geknackt und Austern geschlürft hat, bewundert das Feuerwerk im Innenhof. Wer Hirschrücken im Gandl verspeist hat, tanzt um Mitternacht zu Walzerklängen auf dem St-Anna-Platz. Und am Neujahrstag freuen sich alle, die ausgegangen sind, nichts aufräumen zu müssen.

Der Planlose

Leider wollte sich der Planlose nicht schon im Frühling auf Silvesterpläne festnageln lassen, sonst wäre er jetzt vermutlich schon auf einer Hütte. Dort, wo der Großteil seiner Freunde sitzt. Alle anderen haben selbstverständlich etwas vor, bis auf einen kleinen, versprengten Haufen. Der Planlose übernimmt jetzt panisch die Initiative, trommelt dieses Häuflein Elend zusammen und überredet einen davon, seine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Dorthin tragen alle Beteiligten, die den Rest des Jahres nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben, dazu noch die hyperaktive Schwester der einen und der frisch getrennte Ex-Kollege einer anderen, die Zutaten für ein Raclette.

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Etwas peinlicher Smalltalk wird mit großen Schlucken Wein hinuntergespült, Bleigießen bringt Ablenkung. Als aber die hyperaktive Schwester meint, im erkaltenden Blei des frisch Getrennten ein Baby zu erkennen, bricht dieser in Tränen aus. Endlich ist es Zeit, zusammen zur Theresienwiese zu marschieren und in den bunt aufleuchtenden Himmel zu starren. Ein kleines Grüppchen klappert danach die Clubs ab, um schließlich doch in der Milchbar zu landen und das alte Jahr in ungehörig vielen Wodka-Mischgetränken zu ertränken.

Die Eltern

Das Kind weiß noch nicht, was Silvester ist, muss es also logischerweise noch nicht feiern. Deshalb wird es früh schlafen gelegt wie immer, die Eltern feiern bei Freunden mit Kindern in ähnlichem Alter. Dass einer Mutter schon sehr lange vor Mitternacht ständig die Augen zufallen, fällt nicht weiter auf.

Dieses nervöse Gefühl, das Kind könne später von dem Geböller draußen furchtbar erschrecken, hält sie ohnehin wach. Die Kinder scheinen zu schlafen, die Eltern halten Fonduegabeln in die Brühe. Und auch das Feuerwerk schaffen sie mit offenen Augen, die Kleinen selig schlummernd. Es wird ein richtig netter Abend. Länger als erwartet. An Neujahr fängt das Baby um sechs Uhr morgens an zu brüllen.

Sind die Kinder erst einmal älter, sollen sie natürlich auch etwas von Silvester haben. Je später der Abend, desto offensichtlicher wird aber, dass sie nicht durchhalten werden. Deswegen zünden die Eltern schon um 22 Uhr die gekauften Raketen mit ihnen, und die müden Kinderaugen strahlen. Wenn der Nachwuchs ins Bett verfrachtet ist, legt sich ein Elternteil ganz kurz zum Ausruhen aufs Sofa. Nur ganz...kurz...

Das Herrchen

Silvester ist eine echte Zumutung für Nelly, den Schäferhund. Der Lärm macht ihm Angst, er quetscht sich winselnd unters Sofa und schaut verstört aus seinen dunklen Hundeaugen. Sein Herrchen macht das wütend. Wütend auf die, die draußen rücksichtslos Knaller in den Nachthimmel feuern. Für ein Geld, für das sie locker ein pakistanisches Waisenkind durch die Schulzeit hätten bringen können. Kopfschüttelnd hat Herrchen den Silvesterabend damit verbracht, die Türen, so gut es geht, mit Decken abzudichten, damit Nelly so wenig wie möglich hört mit ihren empfindlichen Ohren.

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Ein Gast ist eingeladen, eine Bekannte aus der Lachyoga-Gruppe. Zusammen verspeisen sie den veganen Couscoussalat nach dem am besten bewerteten Rezept auf Chefkoch.de. Für den musste kein Tier sterben. Das Herrchen gibt seiner verängstigten Nelly ihr liebstes Leckerli, als die Feuerwerkskörper gen Himmel steigen. Anscheinend hilft das ein bisschen. Nur der Dackel der Bekannten pinkelt vor Schreck auf die Dielen.

Der Ignorant

Silvester, das ist doch ein Tag wie jeder andere. Mit dem Getue um neue Anfänge und gute Vorsätze kann der Ignorant nichts anfangen. Wenn er sich etwas vornehmen möchte, braucht er dafür kein von wem auch immer festgesetztes Datum. Silvester ist für ihn nur ein guter Anlass, um die unbeliebten und besser bezahlten Schichten am Abend oder am Neujahrsmorgen zu besetzen.

Hat er nicht Spätschicht, geht er wie üblich vor Mitternacht ins Bett. Ohropax verhindert, dass er vor dem Geknalle aufwacht. Auf dem Weg zur frühen Schicht torkeln ihm die letzten Übriggebliebenen der Nacht über den Weg. Sie sehen verdammt fertig aus, und der Ignorant beneidet sie nicht. Beinahe fühlt er sich wie der einzige frische Mensch an diesem Neujahrsmorgen, der ihm nichts bedeutet. Aber selbst diese Ironie ist ihm egal.

Der Perfektionist

Der Jahresabschluss ist eine willkommene Gelegenheit, endlich einmal wieder eine richtig schöne Dinnerparty zu geben. Um sicherzugehen, dass auch Gäste kommen, sind die Einladungen schon Ende Oktober rausgegangen, mit der Bitte um Antwort bis Mitte November. Seit Wochen plant der Perfektionist ein dazu passendes Menü, verwirft den Zwischengang wieder, entdeckt ein neues Rezept in seinem Lieblingsmagazin.

Von dem hysterischen Zusammenbruch am Nachmittag, weil die Avocados, die der Partner eingekauft hat, nicht den gewünschten Reifegrad haben, bekommen die Gäste nichts mit. Die erscheinen pärchenweise und zeigen sich angemessen beeindruckt von der Tischdekoration in zarten Pastelltönen, und die vorab überlegten Gesprächsthemen - die letzte Reise, die Erfolge der Kinder - vermeiden peinliche Pausen. Als Highlight zeigt der Perfektionist "Dinner for One" nach dem Hauptgang.

Dass sich eines der Pärchen nach dem Dessert und damit noch vor Mitternacht hastig verabschiedet, weil es angeblich noch auf einer anderen Party eingeladen ist, ärgert den Gastgeber innerlich zwar maßlos. Genauso wie der Rotweinfleck auf dem Teppich, zu dem sich niemand bekennen möchte. Aber er tröstet sich mit dem Gedanken, diese Undankbaren einfach nicht mehr einzuladen.

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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