Jahresbilanz Münchenstift:Pflege ist ohne Zuwanderer undenkbar

Prozess um Pflegebetrug

Die Mitarbeiterin eines Altenheims hilft einer Frau beim Gehen. (Symbolbild)

(Foto: dpa)
  • 49 Prozent der Mitarbeiter, 90 Prozent der Azubis: Ohne Zuwanderer wäre der Betrieb in den Heimen von Münchenstift längst nicht mehr möglich.
  • Seit dem 1. Januar gilt bei der städtischen Einrichtung ein neuer Tarifvertrag, das Einstiegsgehalt beträgt 3000 Euro brutto - und das Fachkräfteproblem ist damit gelöst
  • Wie aus der nun vorgestellten Jahresbilanz hervorgeht, war 2016 das wirtschaftlich erfolgreichste Jahr seit Gründung des Münchenstifts.

Von Jasmin Siebert

Die Seniorin wollte "aufn Topf", also holte Alpha Bah ihr einen Topf aus der Küche. "Meiomei, der versteht mi ned", jammerte sie. Alpha Bah lacht, als er die Anekdote erzählt. Seit drei Jahren arbeitet der 23-Jährige aus Sierra Leone schon im Haus an der Tauernstraße, einem der 13 Seniorenheime des Münchenstifts. Er absolvierte dort ein freiwilliges soziales Jahr und die einjährige Altenpflegehelferausbildung, zeitweise half er ehrenamtlich mit. Nach anfänglichen Berührungsängsten avancierte er zum Liebling der Bewohnerinnen. Er ist einer von 15 jungen Menschen mit Fluchtgeschichte, die in diesem Jahr erfolgreich die einjährige Helferausbildung beendet haben und einer von fünf, die am 1. September die dreijährige Ausbildung zur Altenpflegefachkraft begonnen haben.

Das berichtet Christine Strobl, Bürgermeisterin und Münchenstift-Aufsichtsratsvorsitzende, bei der Vorstellung des Jahresberichts 2016 - dem wirtschaftlich erfolgreichstem Jahr seit Gründung des Münchenstifts 20 Jahre zuvor. Besonders stolz zeigt sie sich angesichts des neuen Tarifvertrags, der seit 1. Januar 2017 gilt und für Fachkräfte ein Einstiegsgehalt von 3000 Euro brutto vorsieht. "Seitdem haben wir kein Fachkräfteproblem mehr", sagt sie.

Münchenstift-Geschäftsführer Siegried Benker sprach über die wachsenden Anfordungen in der Pflege: "Die Menschen kommen immer kränker in unsere Häuser, oft schon in einer palliativen Situation." Die Folge: Das Personal betreut die alten Menschen oft nur wenige Monate und begleitet sie beim Sterben. Immer mehr Mitarbeiter absolvieren deshalb eine Palliativ-Care-Fortbildung. Benker hebt hervor, dass mehr als zwei Drittel der Bewohner in den Heimen starben und nur ein Drittel im Krankenhaus. "Für mich ist das ein Stück Qualität, dass man dort stirbt, wo man zuletzt gelebt hat", sagt Benker.

Weil die ambulante Pflege immer mehr an Bedeutung gewinnt, hat kürzlich eine neue Tagespflege im Haus St. Josef am Luise-Kiesselbach-Platz eröffnet, es sind noch Plätze frei. Im Haus an der Rümannstraße ist eine Kurzzeitpflege geplant, um pflegende Angehörige zu entlasten. Größtes Thema bleibt jedoch das Personal, das immer multinationaler wird: 49 Prozent der Mitarbeiter haben einen ausländischen Pass, bei den Auszubildenden haben laut Strobl mehr als 90 Prozent Migrationshintergrund.

Die 194 Auszubildenden im Jahr 2016 kommen aus 28 Ländern, die größte Gruppe mit fast 58 Prozent stammt aus Bosnien-Herzegowina, nur 34 Azubis, das sind 17,5 Prozent, haben einen deutschen Pass. "Wir könnten keines unserer Häuser mehr führen ohne Mitarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien", betont Strobl. Und Benker ergänzt: "Ohne Zuwanderung wäre Pflege nicht mehr denkbar." Er fürchtet, dass die Altenpflege mit der generalistischen Ausbildung weiter an Attraktivität verlieren werde. Von 2020 an sollen alle Pflegekräfte gemeinsam ausgebildet werden und sich erst im dritten Jahr auf Kranken-, Alten- oder Kinderkrankenpflege spezialisieren. Benker zerbricht sich bereits den Kopf darüber, was er dann tun kann, um den Nachwuchs an seine Häuser zu binden.

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