Konsumgüter im Test:Wo früher Knochen von Toten gebrochen wurden

Konsumgüter im Test: Der Haartrockner darf nicht zu heiß werden: ein Mitarbeiter im Prüflabor des TÜV Süd in Garching Hochbrück. Foto:

Der Haartrockner darf nicht zu heiß werden: ein Mitarbeiter im Prüflabor des TÜV Süd in Garching Hochbrück. Foto:

(Foto: TÜV Süd)

Der TÜV Süd prüft seit 150 Jahren Produkte auf ihre Gebrauchstauglichkeit - mit den skurrilsten Methoden.

Von Günther Knoll

Eine großzügig ausgestattete Küche - offenbar soll gebacken werden. Die teigartige Masse, die da leicht grünlich in einer Schüssel liegt, wirkt allerdings nicht gerade appetitlich. Der "Teig" besteht aus Öl und Sägespänen und dient lediglich dazu, das Durchhaltevermögen eines Handrührgeräts zu testen. Wer im Labor für Konsumgüter des TÜV Süd Autos und entsprechendes Zubehör erwartet hatte, der ist hier im Industriegebiet Garching-Hochbrück an der falschen Adresse. Der zweckmäßige Neubau führt ein Sortiment, wie es Kaufhäuser alter Prägung hatten.

Prüfsiegel erwünscht - von Babyphone bis Skateboard

Martin Rempfer, der Leiter des TÜV Süd Product Service, weiß genau, wo was zu finden ist in seinem Haus. Wenn sich beim Rundgang die Tür zum nächsten Labor öffnet, ist der Besucher fast jedes Mal überrascht, was hier in Garching so alles geprüft wird.

Eine Holzskulptur im Eingangsbereich, die eigens zur Einweihung des Neubaus angefertigt wurde, kann die Bandbreite nur symbolhaft wiedergeben. An der lebensgroßen Statue sind zu erkennen: Ein Babyphone, eine Leuchte, die sich wahlweise auch als Duschkopf interpretieren lässt, ein Haartrockner, ein Skateboard.

Ob Skibindung oder Toaster, ob Fahrradlenker oder Leselampe, in allen Fällen geht es bei den Tests um Produktsicherheit. Dafür zuständig bleibt zwar immer der Hersteller, wie Rempfer erläutert, doch das Siegel, wie es der TÜV Süd und andere anerkannte Prüfstellen verleihen, gelte als Qualitätsgarantie und könne deshalb "Marktvorteile" bringen.

Damit leichtfertig umzugehen, könne sich keine Prüfstelle leisten, sagt der promovierte Ingenieur. "Wir sind der TÜV und wir sind einfach ein Wirtschaftsunternehmen, aber wir sind nicht für alle Übel dieser Welt da!" Rempfer will damit deutlich machen, wo die Verantwortung bleibt. Und er will damit auch der Kritik begegnen, bei seinem Unternehmen seien Prüfsiegel oder Zulassungen zu kaufen.

Tests auf Herz und Nieren

Hier in Garching werden Produkte im Auftrag des Herstellers oder des Händlers geprüft und getestet. Die Ware muss den gesetzlichen Anforderungen und Normen entsprechen. Hauptsächlich geht es laut Rempfer dabei um formelle Mängel. Wenn zum Beispiel Kennzeichnung oder Gebrauchsanleitung fehlerhaft sind, darf das GS-Zeichen (Geprüfte Sicherheit) nicht vergeben werden.

Dafür wäre der große Aufwand, der im Prüflabor betrieben wird, natürlich überflüssig, viele Produkte werden in Garching aber auf Herz und Nieren geprüft, das heißt auf ihre Gebrauchstauglichkeit. Die sei für Käufer ja ein wichtiges Qualitätsmerkmal, sagt Rempfer.

Konsumgüter im Test: Bräunungstest für Waffeleisen - nicht zu blass und nicht zu dunkel.

Bräunungstest für Waffeleisen - nicht zu blass und nicht zu dunkel.

(Foto: TÜV Süd)

Bevor der TÜV Süd dafür sein begehrtes Doppel-Oktogon vergibt, ist Akribie geboten. Mit jedem einzelnen Produkt seien in Garching sechs bis acht Mitarbeiter beschäftigt, beschreibt Heidi Atzler von der Unternehmenskommunikation die Arbeitsabläufe. Auch wenn Dauertests in Sachen Haltbarkeit zwingend dazu gehören, sieht Fließbandarbeit anders aus.

Arbeiten wie die Profi-Bastler

Die Prüfstände, die Testgeräte auf den 3500 Quadratmetern Fläche lassen einen staunen. Den Begriff "TÜVtler" hören Rempfer und Kollegen nicht so gerne, doch die Ingenieure und Techniker müssen ganz schön kreativ sein, um all die Versuchsanordnungen aufzubauen. Mitunter wirkt das wie in einer Bastlerwerkstatt - in einer höchst professionellen allerdings. "Jeder hier hat eine Passion und jeder weiß genau, was er testet", sagt Rempfer.

Das bedeutet: Für Karabiner, Kletterhelme und -zubehör sind Sportler zuständig, bestenfalls solche, die selbst etwas vom Klettern verstehen. Rührgeräte und Kaffeemaschinen dagegen übernehmen Ökotrophologen oder Lebensmitteltechniker. 85 dieser Spezialisten arbeiten in den Labors am Standort Garching.

Weltweit betreibt der TÜV Süd 200 solcher Labore, davon auch welche in Indien und Brasilien. Auch im Ausland, "vor Ort", wie Atzler sagt, sei das Knowhow der TÜV-Ingenieure gefragt.

Wenn man zum Rasenmähen eine Schutzbrille braucht

Konsumgüter im Test: Für den Holpertest mit Kinderwagen gibt es Schwellenlaufbänder.

Für den Holpertest mit Kinderwagen gibt es Schwellenlaufbänder.

(Foto: TÜV Süd)

Im Fahrrad-Labor muss offenbar gerade ein Rad seine Geländetauglichkeit beweisen, es steht auf einem Trommelprüfstand mit Schlagleiste. Falsch gedacht, berichtigt Rempfer: Bei diesem Test gehe es nur um die am Gepäckträger befestigte Tasche und die dafür nötigen Gurte. Auch Fahrradschlösser werden getestet, das Prüfsiegel verspreche allerdings keine Diebstahlsicherheit, wie manche glaubten, stellt Rempfer klar.

Eine Tür weiter, und man steht in einem Schuppen für Gartengeräte. Was sollen die vielen Kartons? Die sollen dokumentieren, was passiert, wenn beispielsweise ein Rasenmäher auf Steinchen oder ähnlich harte Teile trifft. Im Laborversuch sind es kleine Stahlkugeln, und wie diese wirken, dazu muss man nur die Löcher im Karton betrachten.

Eine Ballschussanlage für Leuchtkörper in Sporthallen

Dass man beim Rasenmähen unbedingt eine Schutzbrille tragen sollte, glaubt man Rempfer da sofort. Der gesteht, dass man als TÜV-Mitarbeiter schon ein "gewisses Sendungsbewusstsein" haben müsse. Das offenbart er auch, als er im nächsten Labor eine Gefriertruhe öffnet, um Skihelme herauszuholen. Wie das Material auf unterschiedliche Temperaturen reagiert, wird hier getestet, doch Rempfer nutzt die Gelegenheit, um über den Sinn des Kopfschutzes generell zu sprechen.

Und Atzler vergisst den Hinweis auf die neue Kältebox des TÜV in Olching nicht, die Platz habe für zwei Lastzüge. In Garching steht nicht so viel Fläche zur Verfügung. Um so mehr erstaunt, was alles Platz findet. Von der Ballschussanlage für Leuchtkörper in Sporthallen bis zur sogenannten Ulbricht-Kugel für die Lichtmessung. Davon stehen sogar zwei im Lichtlabor, das Atzler stolz als "ziemlich einmalig in Europa" beschreibt.

"Da hat sich wirklich Dramatisches getan"

Vor zehn Jahren seien hier drei Mitarbeiter beschäftigt gewesen, inzwischen sind es laut Rempfer 20 - "da hat sich wirklich Dramatisches getan". Die Glühbirne ist out, Leuchtmittel sind angesagt. Die Decken im Lichtlabor hängen voll davon, strahlend in unterschiedlicher Intensität.

Die Labor-Küche bleibt offenbar kalt an diesem Tag, doch sonst herrscht dort oft Hochbetrieb. Bei der Überprüfung der Haushaltskleingeräte geht es nicht nur um Funktion und Sicherheit , auch die Sensorik spielt eine wichtige Rolle. Wie bräunt der Toaster? Schmeckt der Kaffee aus einer bestimmten Maschine immer gleich? Taut die Mikrowelle auch wirklich gleichmäßig auf? Auch diese Fragen beschäftigen die Experten. Damit sie immer auf dem neuesten Stand sind, finden immer wieder Trainings und Fortbildungen statt.

Die Führung beendet Rempfer im "Gruselkabinett", wie er den Raum nennt, in dem Skibindungen an der Wand hängen und Skischuhe die Regale füllen. Ende der Sechzigerjahre sei das der Anfang der Materialtests gewesen, "dafür haben die Kollegen sogar noch Knochen von Toten gebrochen". Das taten sie in ihrer Freizeit quasi als Hobby, nachdem sie tagsüber elektrische Geräte geprüft hatten.

Konsumgüter im Test: Mit Skibindungen nahmen die Materialtests ihren Anfang.

Mit Skibindungen nahmen die Materialtests ihren Anfang.

(Foto: TÜV Süd)
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