100 Jahre  Taxi-München eG:Mit Filzhut und Taschenuhr

Droschkenkutscher in München

Auf Fahrgäste warteten die Münchner Droschkenfahrer wie hier am Stachus auch schon vor hundert Jahren.

(Foto: SZ Photo)

Anfang des 20. Jahrhunderts konkurrierten Kutscher und "Kraftdroschken" um Kunden - 1917 taten sie sich zusammen

Von Günther Knoll

Eine Livree aus dunkelblauem Rocke, "hechtgrauen Beinkleidern, in einem Gilet von roth und weiß gestreiftem Zeuge, ... und aus einem schwarzen Filzhute" - so hatten sich die Fahrer nach der "Fiaker- und Droschkenordnung für München von 1858" zu kleiden. Außerdem musste jeder Fahrer "mit einer Taschenuhr versehen sein", denn den Taxameter, den Gebührenzähler, von dem das Taxi seinen Namen erhielt, gab es noch nicht. An eine Uniformpflicht wie zu den Zeiten, als sich der wohlhabende Teil der Bevölkerung mit Pferden durch die Stadt kutschieren ließ, müssen sich Taxifahrer längst nicht mehr halten, doch ohne Regelungen und Vorschriften kommt die Zunft auch heute nicht aus. Wesentlichen Anteil an einem geregelten Betrieb hat die Genossenschaft Taxi-München eG, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert.

Als am 18. Januar 1906 die erste Automobildroschke auf Münchens Straßen unterwegs war, da galt das als Sensation, denn bisher gab es lediglich an die 500 Pferdedroschken. In der Kutscherzunft wurden auch bald Beschwerden darüber laut, dass die motorisierten Kollegen schneller unterwegs waren als mit den erlaubten 15 Stundenkilometern und dass sie rücksichtslos die Kurven schnitten. Doch das konnte den Fortschritt nicht aufhalten. 1910 waren bereits 194 Kraftdroschken - so die Bezeichnung für die motorgetriebenen Fahrzeuge - im Einsatz, die Pferdegespanne mit 286 wurden weniger. Schon 1905 hatte sich in München die erste Kraftdroschken-Gesellschaft mit 22 Mitgliedern gegründet, fast gleichzeitig war auch die Gesellschaft für Elektromobildroschken des Grafen Pappenheim an den Start gegangen, einer der Mitgesellschafter war Oskar von Miller, der Gründer des Deutschen Museums. Diese Vorreiter der E-Taxis hatten im Grunde mit dem gleichen Problem zu kämpfen wie ihre heutigen Nachfahren: Schwere Aggregate und nur eine geringe Reichweite. Blieb eine solche Elektromobildroschke wieder einmal liegen, dann war dem Fahrer der Spott der nicht elektrifizierten Kollegen gewiss. Beiden Organisationen war keine lange Dauer beschieden, der Erste Weltkrieg setzte andere Prioritäten.

Der Mangelsituation während des Krieges - es gab kaum Kraftstoff, Reifen, Öle oder auch Pferdefutter - ist es geschuldet, dass sich die Kraft- und Pferdedroschkenbesitzer Münchens zusammentaten und am 7. November 1917 die Gründung einer Einkaufsgenossenschaft beschlossen, die im Grunde bis heute als Münchner Taxi eG weiter besteht. Der Chronik ist zu entnehmen, dass es damals interne Streitereien um Heu- und Haferkontingente für die Pferde gab. Doch echte Pferdestärken waren immer weniger gefragt bei der Personenbeförderung. 1928 wurde deshalb der Name geändert in "Ein- und Verkaufsgenossenschaft für das Droschkengewerbe Münchens, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung".

Die ersten Taxameter und Anrufsäulen wurden angeschafft. Da liefen die Geschäfte noch gut. Als im November 1937 das Registergericht eine weitere Namensänderung in "Genossenschaft der Münchner Droschkenunternehmer GmbH" vermerkte, hatten sich die Zeiten jedoch längst geändert. Die Zahl der Busse und Privatwagen hatte stark zugenommen, bei solcher Konkurrenz darbten die Münchner Taxiunternehmer. Stadtrundfahrten wurden angeboten, zwei Personen zahlten dafür sieben Reichsmark. Der Chronist der Taxiinnung berichtet über die Mangelwirtschaft während des Zweiten Weltkriegs, die eine "braune" Geschäftsleitung "mehr recht als schlecht" verwaltete.

Nach Kriegsende gab es kaum noch Fahrzeuge, die Genossenschaft bemühte sich um Autos und Lizenzen und bat die Militärregierung, dabei Frauen, deren Männer im Krieg umgekommen waren, zu bevorzugen. Ein Teil der Münchner Taxis tat dann zeitweise in Nürnberg Dienst, wo die Kriegsverbrecherprozesse stattfanden. Als Ende Oktober 1949 ein Münchner Taxifahrer ermordet wurde, entbrannte eine Diskussion um Trennscheibe und Alarmmelder. Daneben kam es zu einer Auseinandersetzung mit dem Roten Kreuz in Sachen Personenbeförderung, die erst 1954 gerichtlich beigelegt wurde. Das BRK verzichtete auf den Transport gesunder Personen, die Taxifahrer kutschierten keine "liegenden Kranken" mehr.

Am 23. Januar 1956 fand die Gründungsversammlung der "Vereinigung Münchner Kraftdroschken- und Mietwagenunternehmen" statt. Man beschloss, am damaligen Flughafen Riem einen Taxistandplatz und -dienst einzurichten. Und man erkannte die Notwendigkeit einer Zentrale, die Vorbestellungen und Fahrten koordinierte. Gleichzeitig wurden immer mehr Konzessionen für die Stadt erteilt. Das kulminierte 1972 bei den Olympischen Spielen, doch das erhoffte Geschäft blieb aus, weil Busse und Bundeswehrfahrdienste den Personentransport übernahmen. Auch heute hat das Taxigewerbe in München zu kämpfen. Ihm täte gut, wenn die Verkehrsverordnung des großen Komikers Karl Valentin umgesetzt würde, nach der am Mittwoch in ganz München nur Droschken fahren dürften.

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