65 Jahre SZ-Adventskalender:"Heimat heißt, füreinander da zu sein"

65 Jahre SZ-Adventskalender: Die Benefiz-Gala "65 Jahre SZ-Adventskalender": Den wohlklingenden Schlussakkord setzten aber die SZ-Leser.

Die Benefiz-Gala "65 Jahre SZ-Adventskalender": Den wohlklingenden Schlussakkord setzten aber die SZ-Leser.

(Foto: Stephan Rumpf)

Seit 65 Jahren helfen SZ-Leser mit dem "Adventskalender" Menschen in Not. Chefredakteur Kurt Kister dankt bei der Benefiz-Gala mit dem BR-Symphonieorchester für diese Solidarität. Zum Geburtstag gibt das Hilfswerk eine Viertelmillion Euro für schwerkranke Kinder.

Von Tom Soyer

Was ein gutes Miteinander zu bewegen vermag, hat das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks am Samstagabend im Münchner Prinzregententheater vorgeführt: Brillante Musik, die Menschen doppelt glücklich macht. Denn das Auditorium kam dieses Mal nicht allein, um Maestro Mariss Jansons und das Ensemble zu hören, sondern um zu zeigen, dass selbst mit einem kulturellen Genuss noch soziale Solidarität gelebt werden kann in dieser Stadt: Das Konzert war dem 65-jährigen Bestehen des SZ-Adventskalenders gewidmet - und brachte dem Hilfswerk der Süddeutschen Zeitung 120.000 Euro für Menschen in Not ein.

Seit 65 Jahren kümmert sich die Spendenaktion, die 1948 von der SZ-Redaktion initiiert worden war, um Menschen aus München und der Region, die unverschuldet an den Rand der Gesellschaft geraten sind. Mehrere Hundert Millionen Mark und Euro haben Leserinnen und Leser der Zeitung seitdem gespendet. Allein an die 5,6 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr - zusammengetragen von 19.000 Menschen.

"Wir leben in einer Stadt, deren Wohlstand, statistisch gesehen, enorm ist", rief SZ-Chefredakteur Kurt Kister beim Benefizabend deshalb in Erinnerung. "Der Münchner", wie ihn Helmut Dietl vor 30 Jahren in seiner Filmserie "Kir Royal" skizziert habe, "geht tagsüber ein bisschen arbeiten bei BMW, Siemens oder in einer Kanzlei, abends feiert er und am Wochenende fährt er nach Garmisch oder an den Gardasee. - Sie alle wissen, dass das eine satirische Überzeichnung ist". Die harte Wirklichkeit hingegen: "Die Mieten sind sehr hoch, die Löhne für viele Jobs trotzdem enorm niedrig", Alleinerziehende und alte Menschen mit kümmerlicher Rente kämpften, sagte Kister. "Ja, es gibt Armut in unserer reichen Stadt."

65 Jahre SZ-Adventskalender: Das Symphonieorchester des BR unter Dirigent Jansons und Sopranistin Anna Prohaska.

Das Symphonieorchester des BR unter Dirigent Jansons und Sopranistin Anna Prohaska.

(Foto: Stephan Rumpf)

Er sei dankbar, dass die SZ-Leser mit ihren großzügigen Spenden "jenen, die es bitter nötig haben, auch ein bisschen Heimat geben können". Denn: "Heimat heißt eben auch, füreinander da zu sein" - und in diesem Wortsinne sei die SZ sehr gerne "eine Heimatzeitung". Der damalige Chefredakteur Werner Friedmann hatte 1948 die Idee für den SZ-Adventskalender aus Amerika mitgebracht hatte, wo er eine solche Aktion bei der New York Times kennengelernt hatte - "damals war Amerika noch ein soziales Vorbild . . .", merkte Kister an.

Die beiden Vorsitzenden des Adventskalender-Vereins, SV-Geschäftsführer Karl Ulrich sowie SZ-Ressortleiter Christian Krügel, nutzten nach dem Konzert den Empfang für Großspender, um neben den Künstlern auch Claudia Strasser zu danken. Als Geschäftsführerin des Hilfswerks wachte sie immer über den korrekten Umgang mit dem Spendengeld - "eine Herzensangelegenheit" für sie, wie Ulrich sagte. Claudia Strasser geht Ende des Jahres in Ruhestand - ihre Kollegin Anita Niedermeier, die seit Jahrzehnten beim Süddeutschen Verlag arbeitet, wurde am Samstag als deren Nachfolgerin vorgestellt.

Durch das Konzert des glänzend aufgelegten Rundfunk-Symphonieorchesters sowie der beiden herausragenden Solisten Anna Prohaska (Sopran) und Christian Gerhaher (Bariton) fühlten sich Ulrich und Krügel "wunderbar beschenkt" (siehe rechts). Zugleich durften sie für den SZ-Adventskalender anlässlich des 65. Geburtstages auch ihrerseits wieder reich schenken: Die Stiftung "Care For Rare" am Haunerschen Kinderspital erhielt von dem Hilfswerk am Samstag 250.000 Euro, um sich noch intensiver um Kinder, die an seltenen Krankheiten leiden, kümmern zu können.

65 Jahre SZ-Adventskalender: SZ-Chefredakteur Kurt Kister mit Charlotte Knobloch.

SZ-Chefredakteur Kurt Kister mit Charlotte Knobloch.

(Foto: Stephan Rumpf)

Professor Christoph Klein, Direktor des Haunerschen Klinikums und Motor dieser Stiftung, nahm die Gabe "überwältigt" an und versicherte, das Geld der Leser sei "im Interesse der Kränksten der Kranken gut angelegt". Jährlich sterben nach seinen Angaben rund 500 Kinder allein in Bayern an seltenen Krankheiten, zu deren Erforschung außergewöhnlich hoher Aufwand getrieben werden müsse. "Care For Rare" wirke zwar von München aus, arbeite aber auch an der Vernetzung der Forschung - und damit an der Verbreitung von medizinischer Krisenhilfe für schwerstkranke Kinder in der Welt.

Essen und Getränke, die nach dem Konzert im Gartensaal des Prinzregententheater gereicht wurden, spendierte der Zeitungsverlag, das Konzert sponserte die Knorr-Bremse AG maßgeblich. Und so fließt, wie üblich beim Adventskalender, der Erlös ohne jeden Abzug wieder dahin, wo Hilfe bitter nötig ist. Viel Münchner Prominenz - darunter Wiesn-Festwirt Wiggerl Hagn, Immobilien-Unternehmer Helmut Röschinger, Handwerkskammer-Präsident Heinrich Traublinger, der frühere Messe-Chef Manfred Wutzlhofer, Charlotte Knobloch als Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde und der Sportmediziner Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt - applaudierten deshalb nicht nur dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, sondern auch dem Adventskalender. Ein Miteinander, das Gutes bewegt.

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