40 Jahre Heppel & Ettlich:Die Berliner Jungs, die ein bisschen Großstadt nach München brachten

40 Jahre Heppel & Ettlich: Brachten Berliner Flair und einen Hauch von Weltläufigkeit nach München: Henry Heppel und Wolfgang Ettlich.

Brachten Berliner Flair und einen Hauch von Weltläufigkeit nach München: Henry Heppel und Wolfgang Ettlich.

(Foto: Robert Haas)

Eine Neuköllner Boygroup bricht 1968 auf, um München zu erobern. Zwei von ihnen, Wolle Ettlich und Henny Heppel, gründen eine berühmte Kleinkunstkneipe.

Von Franz Kotteder

So könnte ja auch ein Musical oder eine Vorabendserie beginnen: Fünf Jungs aus einfachen Verhältnissen brechen auf, um aus der Enge ihrer Heimatstadt in die Freiheit zu fliehen und ihre Jugend zu genießen. Gemeinsam ziehen sie in eine große Wohnung, erleben manches Abenteuer, eröffnen ein Theater und werden schnell bekannt und weltberühmt ...

Nun ja. Ganz so ist es ja nicht gekommen mit jener Boygroup aus Berlin-Neukölln, die sich ausgerechnet am 1. April 1968 auf den Weg nach München machte. Wolle, Henny, Lutze, Atze und Henne kannten sich schon vom Bolzplatz, wollten raus aus Westberlin und ab in die Bundesrepublik. Zwei gingen zum Studieren nach München, und dann kamen die anderen eben einfach mit. "München war nicht Strauß, sondern Vogel", sagten sie sich, und den Lebensstil kannten sie ja schon aus dem Film "Zur Sache, Schätzchen" mit Uschi Glas. In der Elisabethstraße mieteten sie eine Altbauwohnung, 220 Quadratmeter für 700 Mark, das fröhliche Kommunardenleben konnte beginnen.

Münchner Institution in der Berliner Kneipe

Es begann damit aber auch die Geschichte einer Münchner Institution - ironischerweise, denn Heppel & Ettlich ist ja eine typische Berliner Kneipe gewesen. Hier trafen sich vor allem in den Siebziger- und Achtzigerjahren Studenten, Schauspieler, Künstler und Jungpolitiker, und im Hinterzimmer spielte die Kabaretttruppe KEKK, was für "Kabarett und engagierte Kleinkunst" stand, woraus sich bald ein veritables Kleinkunsttheater entwickelte.

"Gewesen" muss man insofern sagen, als das Theater Heppel & Ettlich, das jetzt seinen 40. Geburtstag feiert, ja schon seit 2009 nur noch ein Theater mit einer kleinen Bar ist. Als solches aber nach wie vor sehr berlinerisch, was man spätestens bemerkt, wenn man an der Kasse mit einem der beiden Namensgeber ein paar Worte wechselt. Als Einheimischer ist man ja durchaus froh, wenn waschechte Preußen nicht versuchen, bayerischen Dialekt nachzuahmen. Noch besser ist es aber, wenn sie den eigenen Tonfall und Dialekt beibehalten: Das bringt dann doch einen Hauch von Weltläufigkeit in die Stadt, für den man als Münchner oft nur dankbar sein kann.

So wie eine Kommune, nur harmlos

Unsentimental, wie der Berliner nun einmal ist, erzählt Wolle Ettlich von den Anfangszeiten. "Wir sagen ja immer, wir waren so etwas wie die Kommune II", sagt er, "aber das war natürlich viel harmloser." Zwei studierten, drei jobbten, und es wurden viele Partys gefeiert. Wolle legte Platten auf. Daheim in Berlin hatte er eine Lehre bei der Post gemacht, und jetzt fuhr er Schallplatten für die Plattenfirmen Atlantic und Metronom aus, und da hatte er eben Zugang zu den neuesten Scheiben. Nebenbei wurde viel diskutiert, Politik war wichtig, und ein paar Abende lang gab es dann auch die obligatorische Marx-Schulung in der WG. Dann fand das Arbeiterkind Wolle, es solle auch studieren. Er machte das Abitur auf dem Abendgymnasium nach, zapfte nebenbei Bier in Kneipen und legte gleichzeitig Schallplatten auf.

Irgendwann kam dann die Frage, ob er nicht mit seinen Freunden das Jennerwein in der Belgradstraße pachten wolle: "Das kam uns erst absurd vor, das war ja schließlich drüberhalb der Leopoldstraße, da ging doch damals keiner hin." In der WG wurde hitzig debattiert. War das nicht der fiese Lockruf des Kapitalismus, dem man da erliege? Nur Wolle und Henni waren dafür. "Für mich war's okay", sagt Wolle, "ich konnte da ja nach der Abendschule hin, bequem Geld verdienen und hatte tagsüber frei." Henni Heppel fand es auch in Ordnung: "Was kann schon groß passieren? Zur Not muss ich halt mein Motorrad wieder verkaufen."

Großer Bierumsatz in der kleinen Stube

So fing das alles an, am 1. Januar 1972. Die beiden machten aus dem Stüberl eine Neuköllner Kneipe, die unerwartet gut lief und für ihre 25 Quadratmeter "einen sensationellen Bierumsatz" (Ettlich) aufweisen konnte. Irgendwann kam die Brauerei und fragte, ob sie nicht den Fäustlgarten in der Kaiserstraße übernehmen wollten. Sie sagten ja und nannten den Laden in Anlehnung an die Berliner Kneipe Müller & Schulze eben Heppel & Ettlich. Es wurde wochenlang umgebaut und renoviert - in Eigenarbeit, versteht sich - und am 23. Januar 1976 war Eröffnung.

Es folgten 33 ereignisreiche Jahre in der Kaiserstraße 67, in denen sie am Tresen standen, Bier zapften und Bouletten brieten, denn Fleischpflanzl hießen die hier natürlich nicht. Lutze Neumann aus der WG zapfte mit, Udo Lindenberg war da und Peter Kraus waren Gäste, vor dem Tresen standen Christian Ude und die Schwabinger Jusos, viele Basketballspieler und Fußballer. Aus dem Nebenzimmer wurde eine Kleinkunstbühne, auf der Bruno Jonas und Frank-Markus Barwasser, Christian Springer und Helmut Schleich ihre ersten Auftritte hatten.

Der Schluss kam nur kurzzeitig

Bald kamen auch Schauspieler und Leute aus der Filmbranche; über die rutschte Wolle Ettlich ins Filmgeschäft und wurde schließlich selbst Filmemacher. Inzwischen hat er mehr als 50 Dokumentarfilme gedreht, oft Langzeitdokumentationen, etwa einen über einen jungen Pubertierenden und sein Schwanken zwischen den verschiedenen Jugendbewegungen. Nicht zufällig handelte es sich dabei um den Sohn von Lutz aus der Elisabethstraßenkommune. Henny Heppel wurde Grafiker, blieb aber hinter dem Tresen, und irgendwann um das Jahr 2000 herum kam es immer öfter vor, dass man Wolle sagen hörte: "Wir machen das noch ein, zwei Jahre, dann ist aber Schluss."

Schluss war 2009 tatsächlich kurzzeitig. Sie gaben zwar die Kneipe auf, aber konnten sich doch nicht vom Theater trennen und zogen damit in die Feilitzschstraße um, dort wo früher im ersten Stock ein Travestietheater hauste. Das Haus gehört der Brauerei Maierbräu aus Altomünster, und sofern die erkennbar nötige Renovierung des Hauses einmal erfolgt, hat die Bühne durchaus noch eine Zukunft, auch wenn Wolle Ettlich wieder einmal sagt: "Wir machen das vielleicht noch ein, zwei Jahre..."

Die Boygroup von damals aber gibt es in gewisser Weise immer noch. Zwar sind zwei wieder zurück nach Berlin, aber man sieht sich doch regelmäßig. Und jetzt hat Ettlich auch einen Film mit dem Titel "Warst du Beatles oder Stones?" über alle fünf gedreht, der am heutigen Freitag Premiere hat. Wo, das braucht man wohl nicht zu fragen.

Das Programm

Noch bis Ende Januar feiert das Theater Heppel & Etllich in der Feilitzschstraße 12 sein 40-jähriges Bestehen. Die Termine: Freitag, 22. Januar, 20 Uhr: "Warst du Beatles oder Stones? - Ein Neuköllner Abend" mit dem Film von Wolle Ettlich über fünf Neuköllner und ihre Schwabinger Kommune (Eintritt frei).

Samstag, 23. Januar, 20 Uhr: "Heppel-Geburtstagsparty" mit der Heppel-Band und vielen Gästen (Eintritt: fünf Euro).

Sonntag, 24. Januar, 20 Uhr: "Ein Schwabinger Abend" mit Christian Ude und André Hartmann (Eintritt zehn Euro, ermäßigt acht Euro).

Montag, 25. Januar, 20 Uhr: "Schwabing - Zeitreise ins alte München" Stadtarchivsdirektor Michael Stephan präsentiert Fundstücke. Musik: Maria Reiter und MOnika Drasch (Eintritt zehn Euro, ermäßigt acht Euro).

Dienstag, 26. Januar, 20 Uhr: "Bühnenpolka . . . dit jibt eene Überraschung". Improtheater (Eintritt zehn Euro, ermäßigt acht Euro).

Mittwoch, 27. Januar bis Sonntag, 31. Januar, jeweils 20 Uhr: "Kabarest - Ein Spaziergang durch Heppels Kulturgeschichte". Geburtstagsprogramm mit Kabarest (Eintritt 15 Euro, ermäßigt zehn Euro).

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: