15 Jahre Atomic Café:Willkommen im Club

Warum Soldaten versuchten, das Atomic Café zu stürmen, Kiss draußen bleiben mussten und der Agent von Pete Doherty die Clubbetreiber als Babysitter engagierte: Das legendäre Atomic Café ist eine Institution im Münchner Nachtleben. Nun feiert es 15. Geburtstag. Es könnte das letzte Jubiläum sein.

Anna Fischhaber

13 Bilder

Atomic Cafe

Quelle: Atomic Cafe

1 / 13

Warum Soldaten versuchten, das Atomic Café zu stürmen, Kiss draußen bleiben mussten und der Agent von Pete Doherty die Clubbetreiber als Babysitter engagierte: Das legendäre Atomic Café ist eine Institution im Münchner Nachtleben. Nun feiert es 15. Geburtstag. Es könnte das letzte Jubiläum sein.

Was im P1 zu wenig ist, kann im Atomic Café schnell zu viel sein. Denn obwohl der Club seit 15 Jahren das Münchner Hauptquartier alternativer Indies ist, lässt der oft überraschend schmalschultrige Türsteher natürlich nicht jeden rein. Lange galt ein rosa Polohemd als Ausschlusskriterium, mit den Jahren ist man an der Tür des Atomics ein wenig gnädiger geworden. Selbst Trachten sind inzwischen erlaubt. Nur die Marke Ed Hardy will Clubbetreiber Christian Heine immer noch nicht in seinem Club sehen. Und Waffen - selbst wenn sie Kiss gehören.

FILE PHOTO OF GENE SIMMONS OF KISS  AT THE AMERICAN MUSIC AWARDS

Quelle: REUTERS

2 / 13

Nur wenige Münchner Clubs haben es geschafft, sich international einen Ruf zu erarbeiten. Das Atomic Café ist einer davon. Das liegt natürlich weniger an der Tür, sondern vor allem am Händchen beim Booking. Oft füllen die Bands beim nächsten Besuch große Hallen. Bis zu Kiss muss dieser Ruf vorgedrungen sein. Die Lieblingsgeschichte eines Stammgasts geht zumindest so: Eines Abends standen die Hard-Rocker vor der Tür. Reingelassen hat sie Roland Schunk, der gemeinsam mit Heine den Club betreibt, allerdings nicht - er störte sich an den schwer bewaffneten Bodyguards der Bands. Und so mussten Kiss weiterziehen.

Atomic cafe

Quelle: Atomic cafe

3 / 13

Wenig verständnisvoll auf das Nein des Türstehers reagierte einst eine Gruppe angetrunkener Soldaten aus Irland, die nach einem Besuch im Hofbräuhaus im nahen Atomic Café weiterfeiern wollte. Die Männer rissen kurzerhand ein Verkehrsschild aus und versuchten damit den Club zu stürmen - das Glas im Sichtfenster ging zu Bruch, die eiserne Tür hielt. Noch heute zeugen die Dellen dort vom Sturm aufs Atomic Café.

-

Quelle: SZ

4 / 13

Enttäuscht wird man im Atomic Café selten. Das liegt vor allem daran, dass sich seit der Eröffnung am 11.1.1997 wenig verändert hat. Zumindest optisch. Der berühmte Glitzervorhang zum Beispiel ist genauso alt wie der Club selbst. Und auch die roten Sofas und runden Formen gibt es noch. Mit seinem Retrolook war das Atomic Café einst Vorreiter, inzwischen findet man den allerdings in vielen Dorf-Loungen. Betreiber Heine stört das wenig - zumal ihm die Anthroposophie Recht gibt. "Wir setzen nicht auf kurzfristige Trends, sondern versuchen uns optisch treu zu bleiben."

Atomic cafe

Quelle: Atomic cafe

5 / 13

Auch musikalisch bleibt sich der Club treu - seit 15 Jahren werden hier vor allem Indie und Britpop gespielt, ob live oder vom DJ. Einer der Rekordhalter der Club-Playlist ist sicherlich "Sit down" von James. Eine Zeit lang legte Marc Liebscher, Sportfreunde-Stiller-Manager und langjähriger Resident-DJ im Atomic, den Song jeden Freitag auf - und plötzlich saßen alle, die gerade noch durch den Club gehopst waren und ihr Haar im Takt geschüttelt hatten, auf der Tanzfläche. Selbst der Türsteher. Das Ritual gibt es im Atomic Cafe bis heute.

Atomic Cafe

Quelle: Atomic Cafe

6 / 13

Zum Konzept des Atomic gehört es auch, dass die Barkeeper noch immer per Hand einschenken - nach eigenen Angaben so großzügig, dass der Club einst mächtig Ärger mit dem Finanzamt bekam. Die Behörde ging nämlich davon aus, dass in jeden Drink nur zwei Zentiliter Alkohol kommen und der Rest schwarz verkauft worden sei - und forderte Millionen von den Betreibern. Drei Jahre lang ermittelten bis zu 25 Steuerfahnder gegen den Club, nachweisen konnten sie dem Atomic Café aber nichts.

-

Quelle: SZ

7 / 13

Zwar gilt das Atomic Café im Gegensatz zu vielen anderen Münchner Clubs als alternativ, ganz billig ist selbst das Helle hier aber nicht. Das teuerste Bier, das je über die Theke ging, war 2000 Euro wert - so viel wie das Mischpult. Ein Gast war so sauer, dass der DJ seine Musikwünsche nicht erhören wollte, dass er sein Getränk kurzerhand darüber schüttete. Aus Versehen, erklärte der Mann hinterher dem Gericht. Sein Pech: Ein Gast hatte ihn den ganzen Abend beobachtet.

Atomic Cafe

Quelle: Atomic cafe

8 / 13

Verhungert oder an Nikotinmangel gestorben ist im Atomic Café noch niemand. Genauso lange wie den Club gibt es nämlich den kleinen Kiosk, den Zuzzie Krall, eigentlich Musikerin, betreibt. Berühmt ist er für seine Nelkenzigaretten, die vor dem Rauchverbot jahrelang die Duftnote im Atomic Café prägten. Selbst Fertiggerichte für zu Hause hatte Krall zeitweise im Sortiment - falls einen nach dem Clubabend nochmal der Hunger packt. Verkaufsschlager sind nach wie vor allerdings die Gummischlangen, die Clubbesucher sich gerne gegenseitig schenken.

CAMPINO

Quelle: AP

9 / 13

Im Atomic Café stehen aber nicht nur unbekannte Newcomer auf der Bühne, manchmal tun auch bekannte Stars hier so, als hätte es ihre Karriere nie gegeben - und veranstalten geheime Überraschungskonzerte. Eines der legendärsten gaben die Toten Hosen, die sonst ganze Hallen füllen, in dem kleinen Club. Unter dem Decknamen die "Rheinpiraten". Sänger Campino gefiel der Auftritt so gut, dass er diesen kurzerhand von der Bühne auf die Bar verlagerte.

Atomic cafe

Quelle: Nader Saffari

10 / 13

Auch Pete Doherty kam schon als Überraschungsgast - einmal so überraschend, dass er am Ende vor halbleerem Club spielte. Sein Agent hatte Heine spontan angerufen, um ihn zu fragen, ob er zwischen zwei Gigs den "Babysitter" für den Britpopper spielen wolle. Einzige Bedingung: Er müsse Doherty in Nürnberg bei Rock im Park abholen. Ein anderes Mal soll ein noch etwas milchgesichtiger Doherty am Arm einer unbekannten Schönen den Club verlassen haben. Allerdings war er schnell wieder da. Das Mädchen hatte den Fehler gemacht, Suede zu Hause aufzulegen - und der halbnackte Doherty flüchtete wutentbrannt zurück ins Atomic. Sein Fluchtfahrzeug: Ein geklautes Rad. So berichten es zumindest ein Tourtagebuch und Augenzeugen.

Atomic Cafe

Quelle: Atomic Cafe

11 / 13

Stone Roses-Bassist Mani Mounfield besuchte das Atomic Café, um sich einen Auftritt der Silver Apples anzusehen - und blieb bis der Club schloss. Ein Mädchen nahm ihn schließlich auf ihrem Gepäckträger mit in ihre Schwabinger WG. In diesem Fall schien der Musikgeschmack zu harmonieren, zumindest blieb Mani so lange, dass sein Agent Angst bekam, er könnte seinen Gig in München verpassen - und Clubbetreiber Heine schließlich bat, ihm bei der Suche nach dem verschollenen Bassisten zu helfen.

'Wir sind Helden' in München, 2010

Quelle: Alessandra Schellnegger

12 / 13

Heine erklärt die Anziehungskraft seines Clubs auf Musiker aus aller Welt gerne mit dem schönen Backstageraum und seinem netten Team. Das machte auch auf Motörhead-Schlagzeuger Mikkey Dee Eindruck. Der hatte den Abend mit dem Atomic-Team bei seinem letzten München-Gig offenbar so genossen, dass er auch am nächsten Tag nicht auf die nette Gesellschaft verzichten wollte. Blöd nur, dass er selbst einen Auftritt hatte. Und so holte er das Team einfach zu sich - und hinterlegte Backstage-Pässe für alle Mitarbeiter.

Atomic Cafe

Quelle: Michaela Förster

13 / 13

In Zukunft könnte das die einzige Möglichkeit sein, das Atomic-Team zu treffen. Denn: Niemand weiß derzeit, wie lange es den Club noch gibt. Zumindest in der Neuturmstraße 5. Ende 2013 läuft der Mietvertrag aus - und bislang haben sich die neuen Hausbesitzer noch nicht zu einer Verlängerung geäußert. Der Glitzervorhang könnte also im kommenden Jahr für immer fallen. Erst einmal wird aber noch Geburtstag gefeiert: Am Freitag und Samstag heißt es 15 Jahre Atomic Café - unter anderem mit Nick Power von The Coral. Und mal sehen, wer dann vor der Tür steht.

© Süddeutsche.de/Anna Fischhaber/wib
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: