450 Jahre Alter Südfriedhof:Lange Nasen, teure Gräber

Leo von Klenze, Friedrich von Gärtner, Josef von Fraunhofer: Auf dem Alten Südfriedhof in der Münchner Innenstadt liegen viele Prominente begraben. Über einen Ort, der Pestwellen und Bombenangriffe überdauerte - und viele kuriose Geschichten birgt.

Von Axel Hechelmann

Schnee und Blätter knistern unter seinen Schritten. Florian Scheungraber geht auf das Grab eines Anton Maier zu. "Ehemaliger Pappdeckelfabrikant" steht auf dem Grabstein, Scheungraber lacht, er findet die Aufschrift originell.

Scheungraber kennt den Alten Südfriedhof ganz genau. Schon als kleiner Junge war er oft hier, seine Eltern hatten einen Steinmetzbetrieb, in den er mit 17 Jahren eingestiegen ist. Scheungraber hat eine Glatze zu einem jungen Gesicht, er trägt eine schmale Kunststoffbrille und eine grüne Jacke. Scheungraber ist 53 Jahre alt und Angestellter bei der Stadt München. Regelmäßig führt er Besuchergruppen über den Alten Südfriedhof nahe dem Sendlinger Tor.

Die Geschichte der Ruhestätte beginnt im Jahr 1563, damals liegt sie noch vor den Toren der Stadt. Inzwischen hat sich auf ihr jede Menge Prominenz angesammelt, sie hat Schlachten und Weltkriege überstanden. In diesem Jahr wird der Alte Südfriedhof 450 Jahre alt.

Hier reihen sich die Gräber großer Namen aneinander. Leo von Klenze, Friedrich von Gärtner, Josef von Fraunhofer. Sie stehen für den kulturellen und wissenschaftlichen Aufstieg der Stadt im 19. Jahrhundert. Eröffnet wurde die Begräbnisstätte einst aus einem pragmatischen Grund: Die Kapazitäten der Münchner Friedhöfe reichten nicht mehr für die vielen Pesttoten aus. Allein im 17. Jahrhundert wurden etwa 15.000 Münchner auf dem sogenannten "Pestfriedhof" begraben.

Mehr Respekt vor dem Ort

Wenn Scheungraber über den Alten Südfriedhof geht, ist das für ihn jedes Mal wie eine Zeitreise. "Mein Bild der damaligen Gesellschaft vervollständigt sich mit jeder einzelnen Biografie", sagt er. Auf einem Grab sind Fackeln und Ameisen eingearbeitet. "Die Fackel steht für die Geburt, das Ameisennest für die Emsigkeit des Verstorbenen", sagt Scheungraber. Darüber ist ein Stern in den Stein eingearbeitet, der das ewige Leben symbolisiert.

Auf dem Alten Südfriedhof gibt es noch 5000 Grabstätten. Ehrenamtliche Helfer kümmern sich um deren Erhalt. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren es auf dem gleichen Areal 24.000 Gräber - die meisten wurden durch die Bombenangriffe auf München zerstört. 1944 fand das letzte Begräbnis auf dem Südfriedhof statt. Ein Säugling wurde beigesetzt - mehr weiß Scheungraber darüber nicht.

Viele Besucher halten den Alten Südfriedhof für einen Park. "Hier wurden schon Kindergeburtstage gefeiert, das ist hier aber kein Kinderspielplatz, der ist neben an", sagt Scheungraber. Seine Großeltern liegen auf dem Friedhof und auch viele andere Gräber werden häufig noch von Angehörigen besucht. Scheungraber wünscht sich, dass die Besucher mehr Respekt vor der Ruhestätte haben.

Arme Schlucker, reiche Persönlichkeiten

Es hat minus zwei Grad, die Kieswege sind vereist, ein paar Schneeflocken fallen. Kahle Äste der Eschen und Buchen ranken in den Himmel. Scheungraber hat sich das Wissen über den Alten Südfriedhof aus Büchern vom Flohmarkt gesogen, manchmal telefoniert er mit den Nachkommen Verstorbener, wenn ihn eine Biografie besonders interessiert.

In einem bescheidenen Grab, das Ähnlichkeit mit einem kleinen Turm hat, liegt Georg von Hauberrisser. Er hat die Münchner Paulskirche und das Neue Rathaus am Marienplatz erbaut. Auf dem Südfriedhof wurden aber nicht nur Persönlichkeiten begraben. 80 Jahre lang war die Ruhestätte der einzige Friedhof für die Münchner - vom Trambahnfahrer bis zum Apotheker.

Ganz in der Nähe ist das Grab von Philipp Franz von Siebold. Der bayerische Arzt und Ethnologe lebte im 19. Jahrhundert lange in Japan und wurde dort hoch verehrt, denn er hatte einem japanischen Fürsten das Augenlicht gerettet. Als Dank durfte Siebold als einzige "Langnase" überhaupt in Japan als Arzt arbeiten.

Ort zum Plaudern

So manches Grab auf dem Alten Südfriedhof ist mit schwarzem Granit oder weißem Marmor geschmückt. Zum Beispiel das von Friedrich Gärtner, der den neueren Südteil des Friedhofs erbaut hat. "1000 bis 1500 Gulden haben solche Gräber gekostet. Dafür hätte man sich damals auch ein Haus hinstellen können", sagt Scheungraber.

Wie wichtig der Friedhof für manche Münchner noch heute ist, zeigt ein Beispiel: Im Frühjahr 2004 kam eine ältere Frau auf Scheungraber zu. Die Begräbnisstätte sollte gerade für eineinhalb Jahre geschlossen werden, da einige Denkmäler nicht mehr standfest waren. "Wo sollen wir uns denn jetzt zum Ratschen treffen?", soll sie ihn empört gefragt haben. Die Geschichte des Alten Südfriedhofs ist mit dem letzten Begräbnis im vergangenen Jahrhundert nicht zu Ende geschrieben.

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