3000 Jahre alt:Der Schatz der Olmeken kehrt endlich heim nach Mexiko

3000 Jahre alt: Diese 3000 Jahre alten Holzfiguren mussten an die mexikanische Republik zurückgegeben werden.

Diese 3000 Jahre alten Holzfiguren mussten an die mexikanische Republik zurückgegeben werden.

(Foto: Robert Haas)
  • Kunsthändler Leonardo Patterson ist eine der schillerndsten Figuren des Kunsthandels. Ermittler aus den USA, Mexiko, Spanien, Peru und Deutschland sind ihm schon lange auf den Fersen.
  • Zwei in München beschlagnahmte, 3000 Jahre alte Olmeken-Figuren musste er jetzt nach einem Gerichtsurteil herauszugeben.
  • Vertreter Mexikos bezeichnen die Rückgabe als Präzedenzfall. Sammler könnten nicht länger behaupten, in gutem Glauben zu kaufen.

Von Sebastian Schoepp

Man sieht es ihnen nicht gleich an, aber auf dem Schwarzmarkt würden sie mindestens 100 000 Euro bringen. Für Archäologen und Anthropologen hingegen ist ihr Wert unschätzbar: Zwei Figuren aus dem Holz von Kapokbaum und Goldpflaume, gefertigt als Opfergabe für den Gott des Wassers vor 3000 Jahren von Schnitzern der olmekischen Kultur, die auf dem Gebiet des heutigen Mexiko lebte. Die Zeit hat an den Figuren genagt; dass sie in ihrer jetzigen Form erhalten blieben, liegt daran, dass sie die Jahrtausende in einem Sumpf bei Veracruz überdauert haben - bis Grabräuber sie ausgruben und auf eine Odyssee schickten. Diese ist nun in München zu Ende gegangen.

Am Dienstag wurden die beiden Statuen feierlich in der Archäologischen Staatssammlung München an Mexikos Botschafter Rogelio Granguillhome und Maria Villarreal vom Nationalen Institut für Geschichte und Anthropologie Mexikos übergeben. Beide bezeichneten dies als Sieg über die Machenschaften des illegalen Handels mit Kunstgegenständen, die eigentlich gar keinen monetären Wert haben, da das kulturelle Erbe nicht verkäuflich sei, wie Maria Villarreal sagte. "Sie gehören dem mexikanischen Volk."

3000 Jahre alt: Kunsthändler Leonardo Patterson (Archiv-Aufnahme von 2008).

Kunsthändler Leonardo Patterson (Archiv-Aufnahme von 2008).

(Foto: oh)

Es war jedoch nur ein kleiner Sieg, denn die Figuren sind Teil eines sehr viel größeren Schatzes, bei dessen Verteidigung der Besitzer, der Kunsthändler Leonardo Patterson, seinen Verfolgern stets einen Schritt voraus war. Patterson ist eine der schillerndsten Figuren des Kunsthandels. Für die Mexikaner ist er jemand, der Kunstschätze illegal außer Landes schafft, wie Maria Villarreal sagte; für die Sammlerszene hingegen war Patterson jahrzehntelang ein unerschöpflicher Quell für sündteure Artefakte. Ermittler aus den USA, Mexiko, Spanien, Peru und Deutschland sind ihm schon lange auf den Fersen. Doch strafrechtlich gab es lediglich eine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wegen Betruges, bei dem es um einen gefälschten Olmekenkopf ging. Da läuft noch die Berufung.

Besonders Bayern war für Patterson stets ein angenehmer Ort, er ist bestens verdrahtet in München und Umgebung. Er besitzt ein Appartement in der Landeshauptstadt und schätzt "Seen und Knödel", wie er der Süddeutschen Zeitung mal verriet. Im August 2008 ließ er in einer Nacht- und Nebelaktion eine spektakuläre Sammlung aus Spanien in seine bayerische Wahlheimat schaffen: Steinfiguren, Goldmasken, Skulpturen, Reliefs, Schmuck, Keramikschalen und Kultgegenstände von Mayas, Azteken, Olmeken und anderen präkolumbischen Kulturen. Doch Fahnder des Münchner Landeskriminalamts hatten einen Tipp bekommen, sie stellten die Sammlung sicher. Zugrunde lag ein Rechtshilfeersuchen aus Costa Rica, woher ein Teil der Schätze stammte - wie auch der Besitzer.

Fachleute taxierten den Schwarzmarktwert auf bis zu 150 Millionen Dollar. Die bayerische Polizei habe damals vorbildlich gehandelt, lobte Botschafter Granguillhome am Dienstag. Doch vor Gericht erwies sich die Angelegenheit als schwieriger. Das Problem aus Sicht der Herkunftsländer, die Artefakte zurückfordern: Wer etwas Gestohlenes beansprucht, muss nachweisen, dass es ihm mal gehört hat. Die Gerichte bestanden auf Inventaren und Registern, doch um solche anzufertigen, müsste man ja wissen, dass die Stücke existieren. In vielen Fällen wurden sie aber in den 1960er- und 1970er-Jahren ausgegraben und außer Landes geschafft - in einer Zeit, in der die Sensibilität für kulturellen Kontext und die Herkunft von Kunst gering war.

Patterson geriet früh mit dem Gesetz in Konflikt

Leonardo Patterson entwickelte in diesem Metier eine einzigartige Fertigkeit, was an seiner Herkunft liegen mag: Er wurde geboren an der costaricanischen Karibikküste als Angehöriger der afroamerikanischen Kultur, sein kehliges Englisch fließt besser als sein Spanisch. Als Junge folgte er barfuß den Huaqueros in den Urwald, den Schürfern, die wussten, wo Statuen und Schmuck zu finden waren. In den 1960er-Jahren kam er fast ohne einen Penny in den USA an, wie die New York Times mal berichtete, er wurde Juwelier und nutzte seine Kontakte nach Costa Rica. 1995 war er sogar kurz Diplomat bei der costaricanischen UN-Mission in New York.

Schon früh aber geriet er mit dem Gesetz in Konflikt. 1985 wurde er in den USA wegen der verbotenen Einfuhr von Schildkröteneiern belangt. Seit den 1990er Jahren bevorzugt er Europa, lebte in Genf und Paris, behauptet, Salvador Dalí gekannt zu haben. Nicht mehr sehen lassen kann er sich hingegen in Guatemala, Nicaragua oder Peru, das 2013 Spanien um seine Auslieferung ersuchte, wo er sich gerade aufhielt. Patterson wurde in Haft genommen, allerdings aus gesundheitlichen Gründen auf freien Fuß gesetzt, er ist über siebzig. Eilig setzte er sich nach München ab.

Ein Idealist, der die Kunst vor dem Verfall rettet?

Im Gespräch mit der SZ wies er mal den Vorwurf zurück, ein Raubgräber zu sein: "Das Einzige", sagte er, "was ich je aus einem Grab geholt habe, war der Geist der Vorväter." Er sieht sich als Idealisten, der Kunst vor dem Verfall und Verfaulen rettet. Waren die Kunstwerke bei ihm und den Sammlern, an die er verkaufte, in ihren klimatisierten Vitrinen und ausgeleuchteten Räumen nicht besser aufgehoben als in staubigen Magazinen in Mexiko oder Peru? Doch die Zeit hat Patterson überholt. Längst sind Museen in den Herkunftsländern auf dem neuesten Stand. Die Identifikation mit dem Kulturerbe ist enorm gestiegen. Und die Gesetze waren schon immer eindeutig: Mexiko etwa hat bereits 1897 festgelegt, dass alles, was sich im mexikanischen Boden findet, Mexiko gehört.

Seit Mitte der 1990er-Jahre wurden die Fahnder aktiver, Zöllner begannen, genauer hinzuschauen. Patterson trat die Flucht nach vorne an: 1997 stellte er eine Sammlung von mehr als 1000 Stücken zusammen, eigene und solche, die ihm Sammler überlassen hatten. Sie sollte im spanischen Santiago de Compostela gezeigt werden unter Schirmherrschaft der Landesregierung. Patterson lud Prominenz ein wie Costa Ricas Ex-Präsidenten Oscar Arias oder die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú. Die Stücke sollten durch die Anwesenheit der Prominenten sozusagen "reingewaschen" und später zu hohen Preisen verkauft werden.

3000 Jahre alt: Sicherten die Kunstschätze fürs Herkunftsland Mexiko (v. li.): Mexikos Anwalt Robert Kugler, Maria Villarreal vom Mexikanischen Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte, Botschafter Rogelio Granguillhome und Professor Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammmlung München.

Sicherten die Kunstschätze fürs Herkunftsland Mexiko (v. li.): Mexikos Anwalt Robert Kugler, Maria Villarreal vom Mexikanischen Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte, Botschafter Rogelio Granguillhome und Professor Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammmlung München.

(Foto: Robert Haas)

Doch die Schau lockte auch Fahnder und Experten an, die feststellten, dass einige Stücke gefälscht waren. Patterson lagerte die Sammlung eilig in Santiago ein und ließ sie zehn Jahre liegen - womöglich in der Hoffnung, dass Gras über die Sache wachsen würde. Doch auf einen Tipp aus Peru hin meldeten lateinamerikanische Länder 2008 Ansprüche an. Patterson brachte die Sammlung nach München. Hier verteidigten seine Anwälte sie vorläufig erfolgreich gegen alle Rückgabeansprüche - auch weil das deutsche Recht ihnen entgegenkam.

Doch auch da beginnt sich einiges zu ändern. Nicht zuletzt der Fall Patterson spielte eine zentrale Rolle bei der Abfassung des Kulturgutschutzgesetzes, das Eigentumsansprüche regelt und das lückenhafte Vorgängergesetz 2016 ablöste. Kurz zuvor bekamen die Vereinigten Mexikanischen Staaten im Prozess gegen Patterson Recht. Das Landgericht München verurteilte ihn, die beiden Olmeken-Figuren herauszugeben. Er habe keine lückenlosen Unterlagen über die legale Provenienz vorlegen können, hieß es im Urteil. Vielmehr habe er die Objekte 1988 "fundfrisch" von einem Grabräuber oder einem Zwischenhändler erworben.

Das Gericht stützte sich vor allem auf einen Zeugen, den die Mexikaner beigebracht hatten. So "frisch" waren die noch nassen, in Gemüseblätter eingewickelten Objekte, dass Patterson sich bei europäischen Instituten und Museen nach Möglichkeiten zur Trocknung erkundigte. Keinen Glauben schenkte das Gericht seiner Ausführung, er habe die Stücke von einem befreundeten Sammler erworben und "gutgläubig" im Eigenbesitz gehabt. Es wies ihm Widersprüche und schwankende Aussagen nach.

Museum oder Handel?

Für die Mexikaner ist das Urteil ein Meilenstein, ja ein Präzedenzfall. Endlich sei im Sinne eines der geschädigten Länder entschieden worden, freute sich der Botschafter. Kein Sammler kann sich mehr darauf berufen, er kaufe im guten Glauben. Zeugenaussagen in dem Prozess warfen nebenbei ein Licht auf Praktiken, die es im Kunsthandel gibt: Von undurchschaubaren Besitzverhältnissen und erpresserischen Methoden war die Rede.

Eine Berufung zog Patterson 2017 zurück, so dass die Übergabe stattfinden konnte. Doch bezüglich der anderen Objekte seiner Sammlung, an die sechshundert allein aus Mexiko, konnte man ihm nichts nachweisen. Patterson schickte sie 2016 eilig ein drittes Mal auf die Reise: nach Paris. Sein spanischer Anwalt sagte der Zeitung El País, man werde die Stücke neu katalogisieren, Ziel sei es, ein Museum für sie zu finden. Archäologen hingegen befürchten: Sie kommen erneut in den Handel und landen in Vitrinen reicher Sammler.

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