Islam in der Schule:Ein Gebot, das nicht nur für Muslime gilt

An zwei Münchner Schulen gibt es jetzt islamischen Religionsunterricht - zu Besuch in einer Klasse.

Christian Rost

Ein Tier, das weint, haben die Kinder noch nie gesehen. Mit großen Augen betrachten sie das Bild, das ihnen ihr Lehrer, Mirsad Niksic, zeigt: Einem Kamel laufen tatsächlich dicke Tränen aus den Augen. Niksic wird in dieser Dreiviertelstunde über die Geschichte des weinenden Kamels mit den Viertklässlern an der Grundschule am Pfanzeltplatz sprechen. Und dabei vom Leben und Wirken des Propheten Mohammed erzählen.

Islam in der Schule: "Mohammed waren die Menschen gefolgt wie Jesus, als er begann, seinen Glauben zu verkünden": Mirsad Niksic und seine Schüler.

"Mohammed waren die Menschen gefolgt wie Jesus, als er begann, seinen Glauben zu verkünden": Mirsad Niksic und seine Schüler.

(Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Niksic ist ein aus Bosnien stammender Muslim, der in Bayern Lehrer geworden ist. An der Schule in Altperlach unterrichtet er seit Beginn dieses Schuljahres auch islamische Religionslehre. Neben der Hauptschule an der Bernaystraße im Harthof ist dies bislang die einzige Schule, in welcher der Islam als Bekenntnisunterricht auf dem Stundenplan steht.

Doch bald, sagt Ulrich Seiser vom Kultusministerium, soll an weiteren Schulen in München das Fach Islam angeboten werden. Ein Gymnasium und eine Berufsschule seien sehr interessiert. Momentan sucht das Ministerium aber noch nach einem Standort in Südbayern für die Weiterbildung von Lehrern muslimischen Glaubens zu Religionslehrern.

Bessere Integration der Kinder

Der Muslimische Elternverein München, das Kultusministerium, die Stelle für interkulturelle Arbeit im Sozialreferat und die beiden Schulleiter in Altperlach und im Harthof haben das Modellprojekt Islamunterricht auf den Weg gebracht. Weil mittlerweile die Hälfte aller neu eingeschulten Kinder in München aus zugewanderten Familien stammen, ist das Angebot nicht nur sinnvoll - etwa 100.000 Muslime leben in der Landeshauptstadt -, sondern auch notwendig.

Über Allah, Mohammed und den Koran erfuhren junge Muslime bislang vor allem etwas in den Moscheen - und inwieweit dabei Verkündigungen dazu benutzt wurden, radikale Ansichten zu transportieren, weiß man nicht genau. An den öffentlichen Schulen gab es unterdessen entweder Ethik oder das Fach islamische Unterweisung, das ausschließlich in Türkisch angeboten wurde. Die vielen Muslime aus anderen Nationen wurde dadurch praktisch ausgeschlossen.

Der islamische Religionsunterricht, wie er nun unter staatlicher Aufsicht und in deutscher Sprache abgehalten wird, soll zur besseren Integration der Kinder beitragen, ihr Selbstwertgefühl stärken und ihnen Toleranz beibringen. Deswegen reicht die Botschaft oft über den Islam hinaus - auch in der Stunde, in der es um das unter Hitze und Durst leidende Kamel geht. Lehrer Niksic erzählt, dass Mohammed den Besitzer streng zurechtweist: Er dürfe ein Tier nicht quälen. Und dieses Gebot Gottes gelte nicht nur für Muslime, sondern für alle Menschen.

Pfarrer sind einverstanden

Damit sind wohl auch die beiden Pfarrer in Altperlach sehr einverstanden. Rektorin Veronika Schäffer berichtet, der evangelische und der katholische Geistliche hätten es sehr begrüßt, dass an der Grundschule nun auch die islamische Religionslehre etabliert sei. Ein Pfarrer habe sich sogar gewundert, warum es das Angebot erst jetzt gebe.

Die zwölf Kinder sind begeistert von der Geschichte über das weinende Kamel. So etwas regt natürlich die Phantasie an: Die neunjährige Ardita, deren Eltern aus dem Kosovo stammen, sagt, sie werde vielleicht selbst mal ein Kamel sehen. In Ägypten. Dort will sie später einmal als Archäologin arbeiten.

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