Isarvorstadt:Luthermania

Im anstehenden Jubiläumsjahr darf ein Musical über den Reformator nicht fehlen. Für das Pop-Oratorium im März 2017 in der Olympiahalle haben jetzt schon mal 700 Sängerinnen und Sänger in St. Matthäus geprobt

Von Jutta Czeguhn, Isarvorstadt

"Luther, Luther, Luther!", tönt es triumphal aus 700 Kehlen. Mitten im Herzen des gutkatholischen Münchens mag sich so ein Fan-Gesang fast schon provozierend anhören, doch in den vibrierenden Mauern von St. Matthäus, der evangelisch-lutherische Pfarrkirche beim Sendlinger Tor, geht alles ganz harmlos zu. Auf den Holzbänken sitzen überwiegend Frauen, Männer sind ein rares Gut. Vor sich haben sie Thermoskannen, Wasserflaschen, Hustenbonbons - und aufgeschlagene Notenbücher. Vorne am Altar steht an diesem Samstagnachmittag nicht Pfarrer Gottfried von Segnitz, sondern ein hochgewachsener Mann im Holzfällerhemd. Es ist Hans-Georg Stapff, Popkantor des Dekanats Augsburg. Er probt mit diesem Riesenchor das Pop-Oratorium "Luther", am 18. März 2017 wird das Reformator-Spektakel in der Olympiahalle zelebriert.

Dann allerdings mit 2000 Choristen, 13 Solisten, Rockband und Symphonieorchester. Das Luther-Oratorium ist das musikalische Großprojekt im anstehenden Reformationsjubiläums. Uraufführung war zwar bereits im Oktober 2015 in der Dortmunder Westfalenhalle, 2017 aber wird "Luther" auf Tour gehen. Gebucht sind nur Superlativ-Hallen wie die Porsche Arena in Stuttgart oder der Iss Dome in Düsseldorf. Drunter macht's der Veranstalter, die Stiftung "Creative Kirche", nicht, die das Projekt im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stemmt. Das Tourfinale wird dann in einem Jahr in Berlin sein, das ZDF überträgt für alle, die dort nicht in der Mercedes-Benz Arena dabei sein können.

Noch aber wird dezentral geprobt. In Bayern, wie in der ganzen Republik, konnten sich Chöre, aber auch Einzelpersonen zur Teilnahme anmelden, nicht nur Protestanten, wie die Veranstalter versichern, das "Projekt der 1000 Stimmen" sei interreligiös. In der Matthäuskirche macht Hans-Georg Stapff gerade Stimmbandlockerungsübungen mit dem versprengten Haufen an Tenören und Bässen, die von den Altistinnen, Mezzos und Sopranen heftig beklatscht werden. Petra Maier sitzt im breiten Korridor der Soprane und macht Notizen in ihr Notenheft. Die 36-Jährige ist aus Rosenheim angereist, wo sie sich einem sogenannten Projektchor angeschlossen hat, der sich eigens für das Luther-Oratorium gründete und einmal im Monat probt. "Ich war noch nie in einem so großen Chor", sagt sie aufgeregt und schwärmt von der Energie im Kirchenraum.

Chorleiter Stapff, der auch bei der Aufführung im März dirigieren wird, ist ein Routinier. Mit resolutem Witz formt der Mann am Klavier die 700 im Saal, die in der Masse noch nie zusammen gesungen haben, rasch zu einer stimmgewaltigen Einheit. Ein Gotthilf Fischer wäre wohl heftigst verzückt. Weil die Olympiahalle zweifellos eine akustische Herausforderung sein wird, müssen die Konsonanten knallen. "Am-Anfang-war-das-Wor-t . . ." Der Kanon klappt schon mal prima. Die Sängerinnen und Sänger wirken gut vorbereitet, mühelos tritt der Chor in der Matthäuskirche in Dialog mit den Soloparts, die von professionellen Musical-Sängern übernommen wurden und vom Computer eingespielt werden. Auch unsichtbare E-Gitarren zittern im Playback.

"Hier muss was sein, hier ist was los, die ganze Welt ist hier zu Gast, die Stadt ist klein, der Spaß ist groß . . .", singt der Chor. Den Handlungsrahmen für das Luther-Oratorium bildet der Reichstag zu Worms. Vor dieser historischen Kulisse wollen der Komponist Dieter Falk und der Librettist Michael Kunze Luther lebendig werden lassen und in die heutige Zeit transportieren. Die beiden gelten als Erfolgsduo, mit beträchtlicher musikalischer Spannweite und Millionen verkaufter Tonträger. Kunze etwa hat für Jürgen Drews das unvergessliche "Ein Bett im Kornfeld" ersonnen, auch der Text zum Udo-Jürgens-Hit "Griechischer Wein" stammt von ihm. Nun also legt er Martin Luther Songzeilen in den Mund. Nicht minder umtriebig ist Dieter Falk, der als Komponist und Produzent unter anderem die Gruppe Pur, Guildo Horn, Paul Young oder Karel Gott betreut hat, schon mal Johann Sebastian Bach verjazzt oder dem FC Schalke 04 zum 111. Vereinsgeburtstag ein Musical beschert.

Das Reformationsjubiläumsjahr, so hat man an diesem Samstag in St. Matthäus den Eindruck, läuft sich bereits warm. Im Kirchen-Foyer ist eine Art Luther-Fan-Shop aufgebaut, der sogar Playmobil-Männchen des Reformators verkauft. Von der Musik in der Kirche angelockt, steht eine alte Frau zwischen Tür und Angel und will wissen, was sich da tut. "Die Leute proben ein Oratorium für Martin Luther", gibt man zur Antwort. Sie schaut verständnislos. "Luther, wer ist das?" Eine ziemlich gute Frage.

Tickets für das Pop-Oratorium "Luther" gibt es unter www.luther-oratorium.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: