Irrtum einer Boulevardzeitung:Klage eines Totgesagten

Seine Mutter musste mit einem Herzanfall in die Klinik: Eine Boulevardzeitung hat beim Nachruf auf einen Thai-Boxer irrtümlich das Foto eines Münchners abgedruckt. Der fordert nun Schmerzensgeld - denn er hatte viel Mühe, Bekannte und Verwandte zu überzeugen, dass er noch lebt.

Ekkehard Müller-Jentsch

"Ja, ich lebe noch." Gefühlte 30-mal am Tag musste Besim N. seine Freunde und Verwandten am Telefon beruhigen. Und das tagelang. Wenn er abends nach Hause kam, lagen manchmal auch Blumen vor seiner Tür - als letzter Gruß. Der Angestellte einer Großgaststätte war im Dezember vergangenen Jahres von einer Münchner Boulevardzeitung indirekt für tot erklärt worden: Man hatte versehentlich sein Foto in den Artikel über den "seltsamen Tod" des Thai-Boxers Besim Kabashi gestellt. Eine peinliche Verwechslung, die das Blatt auch umgehend bedauert und richtiggestellt hatte.

Besim N. hat die Gazette nun verklagt: 7000 Euro fordert er als Schmerzensgeld und Schadenersatz. In der Verhandlung am Mittwoch vor der Pressekammer am Landgericht München I schilderte der Mann, dass er wegen der Verwechslung sogar eigens nach Hause nach Kosovo fliegen musste.

Denn ein örtlicher Fernsehsender hatte den Bericht aufgegriffen und dazu ebenfalls das falsche Bild als Zeitungsausriss minutenlang gesendet. "Meine Mutter hat das gesehen und ist mit einem Herzanfall in die Klinik eingeliefert worden", sagte Besim N.

Er habe sofort hinfliegen und seine Mama persönlich davon überzeugen müssen, dass er noch lebe und auch nichts mit dem rätselhaften Tode seines Landsmanns Kabashi zutun habe. Der Thai-Boxer war an einer Überdosis von Medikamenten gestorben, kurz bevor er im Circus Krone seinen Weltmeistertitel verteidigen wollte.

Vor Gericht schob Besim N. nun auch dieser Bildverwechslung die Schuld daran zu, dass ihm im Frühjahr in der Gaststätte fristlos gekündigt worden ist, ohne Angabe von Gründen.

Sein Chef habe ihn schon am Tage der falschen Berichterstattung nach Hause geschickt, weil ununterbrochen sein Handy läutete und ihn besorgte Anrufer mit der Frage "lebst du noch?" von der Arbeit abgehalten hätten. Einen anderen Grund für seinen Rausschmiss könne er sich nicht vorstellen, sagte N.

Der Anwalt der beklagten Zeitung meinte, dass die bis heute unerklärliche Bild-Verwechslung keine ehrenrührige Verletzung der Persönlichkeitsrechte und somit kein Fall für eine Geldentschädigung sei. Die Korrektur am nächsten Tag reiche als Wiedergutmachung aus. Auch der Richter bemerkte, dass am eigenen Tod "nichts ehrenrührig" ist.

Er legte der Zeitung trotzdem nahe, zumindest die Unkosten für den Kosovo-Flug zu übernehmen. Dass der Jobverlust mit der Zeitungsente in Zusammenhang stehe, sei aber nicht bewiesen. Das Blatt gab schließlich nach und zahlt freiwillig 300 Euro. Besim N. nahm, wenn auch enttäuscht, an.

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