Interview:Güldenes Haar, kleine Tricks

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Weiß viel über Blondschöpfe: Die Kunsthistorikerin Julia Saviello hat darüber promoviert, wie Künstler im 15. und 16. Jahrhundert Haare malten. (Foto: oh)

Die Kunsthistorikerin Julia Saviello über gemalte Blondschöpfe

Interview von Wiebke Harms, München

Julia Saviello hat ihre Doktorarbeit an der LMU über die Haarfarbe Blond in der Kunst geschrieben. Ein Gespräch über die Vorliebe für helles Haar.

SZ: München sei besonders blond, sagen Friseure. Ist Ihnen das auch aufgefallen?

Julia Saviello: Nein, so extrem noch nicht. Ich habe eher das Gefühl, dass diese Haarfarbe überall sehr beliebt ist. Was übrigens nichts Neues ist: Schon in der Antike beschrieben Dichter Götter und Helden als Blondschöpfe.

Wie konnte sich die Begeisterung für blondes Haar über Jahrhunderte halten?

Dazu tragen sicherlich über die Zeit gefestigte Bilder bei. Die Haarfarbe ist positiv konnotiert, beispielsweise werden Engel meist mit blondem Haar dargestellt. Vielleicht ist Blond aber auch aus praktischen Gründen beliebt: Schließlich sieht man da die ersten grauen Haare nicht so schnell.

Was ist denn das Besondere an dieser Haarfarbe?

Die Farbe schimmert wie Gold. Diese Nähe zum Edelmetall lässt sie wertvoll erscheinen. Außerdem gibt es einfach weniger blonde Menschen als Dunkelhaarige.

Was macht blonde Haare für Sie als Kunsthistorikerin interessant?

Die besondere farbliche Qualität. Künstler haben auf verschiedene Arten versucht, das Schimmern blonder Haare festzuhalten. Vor allem in der Buchmalerei wurde echtes Gold aufgetragen, um den Glanz heller Haare darzustellen. Doch das erzielte nicht den gewünschten Effekt: In den Augen der Zeitgenossen schmälerte das Gold die künstlerische Qualität. Denn je nach Lichteinfall überstrahlen goldene Flächen entweder alles andere oder erscheinen umgekehrt ganz dunkel.

Wie bringt man dann Blond in Bildern zum Strahlen?

Indem man Schwarz und Weiß geschickt nebeneinander setzt. Durch den Kontrast scheint das Dargestellte aus der Bildfläche herauszutreten. So kann auch blondes Haar zum Schimmern gebracht werden.

In welchen Kunstwerken ist das besonders gelungen?

In der alten Pinakothek hängt ein tolles Beispiel: Alfred Dürers Selbstbildnis im Pelzrock. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es wäre tatsächlich Gold zum Einsatz gekommen. Die Haare des Künstlers haben einen faszinierenden Schimmer.

Warum hat Dürer sich so viel Mühe mit seinen Haaren gegeben?

Für ihn waren seine Haare ein doppeltes Markenzeichen. Einerseits war er bei Zeitgenossen für seinen eigenwilligen Bart und die ungewöhnliche Frisur bekannt. Andererseits versuchte Dürer damit, seinen gekonnten Umgang mit Farben und seine virtuose Pinselführung zu zeigen.

Gibt es andere Gemälde mit auffälligen Blondschöpfen in Münchner Museen?

Oh ja! In der Alten Pinakothek gibt es viele Werke mit auffällig blonden Haaren, Leonardo da Vincis "Madonna mit der Nelke" beispielsweise oder Albrecht Altdorfers "Susanna im Bade". Und das Nationalmuseum bewahrt historische Perücken auf.

Dann sind falsche Blondinen gar kein Phänomen der Neuzeit?

Nein. Aus Venedig ist überliefert, dass die Frauen im 16. Jahrhundert mit verschiedenen Salben und Spülungen ihre Haare aufhellten. Und schon im Matthäus-Evangelium heißt es, Frauen sollten Männer nicht täuschen, indem sie sich die Haare färben. Interessanterweise richten sich sowohl Verbote als auch Färbetipps eher an Frauen.

Haben Männer sich damals die Haare nicht gefärbt?

Vereinzelt wird auch das Färben von Männerhaar erwähnt. Bei Frauen ist es jedoch häufiger geschichtlich überliefert. Aber sowohl Männer als auch Frauen ließen sich mit helleren Haaren porträtieren.

So wie Stars heute nur noch mit Photoshop bearbeitete Fotos von sich veröffentlichen lassen.

Genau. Kosmetik und Kunst haben viel gemeinsam. In einer ironischen Geschichte aus dem späten Mittelalter bezeichnet der Autor nicht Maler wie Giotto als die größten Künstler ihrer Zeit, sondern die Frauen von Florenz. Sie würden mit Schminke und Haarmitteln viel größere Wunder schaffen - was wohl nicht als Kompliment gemeint war.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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